Hessisches Landessozialgericht pfeift
Optionskommune und Sozialgericht Frankfurt zurück. von Anne Ames, Stand 08.09.2005
Eine mittelhessische
Optionskommune verweigerte einem Antragsteller Alg-II-Leistungen, weil der es ablehnte, vollständig und lückenlos Kontoauszüge der letzten drei Monate vor Antragstellung sowie eine von seinem Vermieter ausgefüllte Bescheinigung vorzulegen. Das Sozialgericht Frankfurt am Main schloss sich der Rechtsauffassung der
Optionskommune an und wies den
Eilantrag des Betroffenen auf Leistungsgewährung zurück.
Dagegen legte der Antragsteller Beschwerde beim hessischen Landessozialgericht ein, das am 22.8.2005 den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt vom 9. Juni 2005 rechtskräftig aufhob und die
Optionskommune vorläufig bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens verpflichtete, dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes und der Unterkunft zu gewähren.
Die vollständige Entscheidungsbegründung findet sich bei
www.tacheles-sozialhilfe.de in der „Rechtsprechungsdatenbank“ beim Aktenzeichen L 7 AS 32/05
ER . Hier seien die wesentlichen und über den konkreten Einzelfall hinaus gehenden Argumente aus der Begründung referiert:
In seiner Begründung schreibt das Gericht: „Entscheidungsgrundlage für den Anspruch auf Leistungen der
Grundsicherung gemäß §§ 19 ff.
SGB II ist grundsätzlich der nach den Vorgaben des Gesetzgebers formularmäßig gestellte Antrag vom 8. Februar 2005. Hierin hat der .. (Antragsteller) alle ihm gestellten Fragen beantwortet und - soweit dies im Formular gefordert ist - zugleich die entsprechenden Unterlagen zum Nachweis vorgelegt, woraus sich zugleich die Erfüllung der Voraussetzung der Hilfebedürftigkeit gemäß § 9
SGB II ergibt. [...]
Der Antragsteller hat auch keine Mitwirkungspflichten i.S.d. §§ 60 ff.
SGB I verletzt, denn er hat alle leistungserheblichen Tatsachen auf dem dafür vorgesehen Formular (§ 60 Abs. 2
SGB I) angegeben. Seine Weigerung, die Kontoauszüge der zurückliegenden Monate bzw. die Bankbescheinigung sowie die angeforderte Vermieterbescheinigung vorzulegen, ist unschädlich, denn entgegen der Auffassung des Antragsgegners sind diese Urkunden weder "leistungserheblich" noch „erforderlich" im Sinne des § 60 Abs. 1 Nr. 1
SGB I.
Der Antragsgegner selbst vermag nicht darzulegen, weshalb zurückliegende Kontobewegungen etwas an der aktuellen Bedarfslage des Antragstellers zu ändern vermögen, welche dieser in seinem Antrag unter Beifügung von Ausdrucken seines Online-Kontos dargestellt hatte. Ebenso wenig hat der Antraggegner konkrete Anhaltspunkte benannt, welche einen Verdacht auf einen beabsichtigten Leistungsmissbrauch und im Einzelfall vielleicht ein solches Ansinnen begründen könnten.“
Das Gericht stellt also klar, dass zum Antrag auf Alg II die Nachweise gehören, die im Antragsformular aufgeführt sind, nämlich Nachweise über das aktuelle Einkommen und Vermögen, und dass darüber hinaus gehende Nachweise nur verlangt werden könnten, wenn die Behörde einen auf konkrete und zu benennende Anhaltspunkte gestützten Verdacht des Leistungsmissbrauchs hegt. Es führt hierzu noch weiter aus: „Es steht aber nicht im Belieben der Verwaltung, Umfang und Reichweite der Mitwirkungspflichten von Antragstellern ohne konkrete rechtliche Grundlage festzulegen und bei deren Nichterfüllung sogar die Sanktion der Leistungsversagung zu verhängen.“ Nach Ansicht des Gerichts beruft sich der Betroffene „... zu Recht auf sein Sozialgeheimnis im Sinne des § 35
SGB I, dass nämlich die ihn betreffenden Sozialdaten im Sinne des § 67 Abs. 1
SGB X von den Leistungsträgern nicht unbefugt erhoben werden dürfen.“ Auch bei Kontobewegungen handelt es sich also um geschützte Sozialdaten.
Auch speziell im Hinblick auf die von der
Optionskommune geforderte, vom Vermieter auszufüllende Bescheinigung stellte das Landessozialgericht fest, dass der Antragsteller „... zu Recht eine Verletzung seines informationellen Selbstbestimmungsrechts geltend (mache), denn alle leistungserheblichen und damit i.S.d. 67 a Abs. 1
SGB X "erforderlichen" Tatsachen sind von ihm beigebracht und durch die Beweismittel Mietvertrag, Schreiben der Hausverwaltung nebst Abrechnungen sowie Kopie des Dauerauftrags nachgewiesen worden. Das Beharren des .. (Antragsgegners) auf einer Bescheinigung des Vermieters ist zudem mit § 67 a Abs. 2
SGB X, welcher im Grundsatz die Erhebung der Sozialdaten beim Betroffenen fordert, unvereinbar.“
Der Beschluss des Landessozialgerichts Hessen <
https://www.my-sozialberatung.de/cgi-bin/baseportal.pl?htx=/my-so zialberatung.de/entscheidungen&localparams=1&db=entscheidungen&cm d=list&range=0,100&cmd=all&Id=132> auf der Seite von Tacheles
link zum text:
https://www.alg-2.info/info_argumente/lsg-hessen-050609 wird es nicht anerkannt dann folgende möglichkeit:
Ja, das mag schon sein, aber in diesem Urteil beziehen die sich auf Paragraphen an die sich wohl auch eine
Optionskommune halten müßte, oder??
Z.B. diesen hier:
§ 67 Abs. 1
SGB X , das Sozialdaten von den Leistungsträgern nicht unbefugt erhoben werden dürfen.
UND HIER FÜR DIE BAYERN - ich bin franke *G
Gericht: Sozialgericht Nürnberg Aktenzeichen: S 13 AS 297/06
ER Datum der Entscheidung: 10.05.06 Paragraph: § 9
SGB II, §§ 60 ff
SGB I Entscheidungsart: Unbekannt Überschrift: Die §§ 60 ff
SGB I enthalten keine Ermächtigungsgrundlage zur Durchsicht der Kontoauszüge der letzten 3 Monate. Durch ein solches Verlangen wird die Mitwirkungspflicht überspannt. Eine eidesstattliche Versicherung über die Höhe des Vermögens, der letzte Steuerbescheid und ein aktueller Kontoauszug reichen aus, um die Bedürftigkeit glaubhaft zu machen. Instanz 1:
SG Nürnberg - S 13 AS 297/06
ER Instanz 2: Instanz 3: Redaktioneller Leitsatz: Entscheidung: Niederschrift
in dem Antragsverfahren
...
Antragsteller
gegen
Arbeitsgemeinschaft
SGB II, Landratsamt Roth, Hilpoltsteiner Straße 30a, 91154 Roth, vertreten durch die Geschäftsführerin - Az.: 75504
BG 0004690
Antragsgegnerin
Anwesend:
Vorsitzende: Herold-Tews, Richterin am Sozialgerichdt a.w.a.R.
Ehrenamtliche Richter: Helmut Wittner, Jürgen Haas
Als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle: Hoffmann M.
Nach Aufruf der Sache erscheinen:
der Antragstelle persönlich
für die Antragsgegnerin Frau Böttge
Die Vorsitzende stellt fest, dass die Beteiligten ordnungsgemäß geladen und vom Termin benachrichtigt worden sind.
Der Sachverhalt wird vorgetragen.
Sodann erhalten die Beteiligten das Wort.
Das Sach- und Streitverhältnis wird mit ihnen erörtert.
Der Kläger erklärt zu Protokoll, dass er den Antrag auf
ALG II für die Zeit ab 01.03.06 - 31.03.06 zurückzieht und Leistungen ab 01.04.06 begehrt.
Nach Besprechung der Sach- und Rechtslage schließen die Parteien folgenden
Vergleich:
I. Die Beklagte gewährt vorläufig für die Zeit ab 11.04.06 die Regelleistung in Höhe von 80 Prozent, sowie den Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Dauer von 6 Monaten.
II. Im Hinblick auf die übernommene Verpflichtung erklärt der Kläger, dass er nunmehr umgehend
1. seinen Kontostand, sowie Wertpapierdepotstand für die Zeit ab 01.04.06,
2. die Höhe seiner Lebensversicherung, inklusive dem Rückkaufswert
3. die Kosten der Unterkunft sowie Heizkosten- und Nebenkosten, durch entsprechende Bestätigung der Eltern,
nachweisen wird.
III. Im Übrigen wird der Rechtsstreit für erledigt erklärt.
- vorgelesen und genehmigt -
Herold-Tews, Vorsitzende
Hoffmann M., Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Beginn der Verhandlung: 13.25 Uhr
Ende der Verhandlung: 14.00 Uhr
Schlagwort: Kontoauszüge, Bedürftigkeit, eidesstattliche Versicherung, Steuerbescheid, Bankbestätigung Leistungssystem:
SGB II