Martin Behrsing
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Hier ein wenig über das Verfahrensrecht, Beweiserhebung, Amtsermittlungsprinzip, In Augenscheinnahme (Hausbesuch), Akteneinsicht, Bescheid (Form, Zustellung) fehlerhafte Bescheide. Wenn die Sachen verwendet werden bitte immer die richtige Zitierweise benutzen, sonst ist es rechtlich kaum etwas wert.
habe das ganze mal rausgeschrieben und sinnvoll gekürzt.
habe das ganze mal rausgeschrieben und sinnvoll gekürzt.
Verfahrensrecht bei Verwaltungsakten (Hier Hartz IV )
(aus Ambrost in LPK-SGB II , 2. Aufl.; Anhang Verfahren)
Sozialgesetzbuch II
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Lehr- und Praxiskommentar
2. Auflage
(Zahlen sind die Randziffern)
Zitierhinweis: z.B. vergl. Rz 11 Ambrost in LPK-SGB -II (2. Aufl), Anhang
Verlg. Rz
Amtsermittlungsprinzip
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Eine richtige Verwaltungsentscheidung setzt zunächst voraus, dass der Sachverhalt zutreffend ermittelt wird. Im Sozialverwaltungsverfahren gilt gemäß § 20 SGB X das Amtsermittlungsprinzip, d. h. die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Da das ganze Verwaltungsverfahren final auf eine Entscheidung gerichtet ist, muss die Behörde ihre Ermittlungen immer daran orientieren, welche Feststellungen erheblich sind (§ 20 Abs. 2 SBG X) Hierbei ist zu beachten, dass auch die für den Beteiligten günstigen Gesichtspunkte berücksichtigt werden und die sozialen Rechte möglichstweitgehend verwirklicht werden (vgl. § 2 Abs. 2 HS 2 SGB I).
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In welcher Weise und in welchem Umfang der Sachverhalt aufgeklärt wird, bestimmt die Behörde selbst, die hierbei zwar alles zur Kenntnis nehmen muss, was an sie heran- getragen wird, nicht aber an das Vorbringen oder die Beweisanträge der Beteiligten gebunden ist. Zu beachten ist allerdings die in jedem Falle bestehende Verpflichtung des Trägers der Grundsicherung, Erklärungen und Anträge entgegenzunehmen und zu dokumentieren (§ 20 Abs. 3 SGB X). Die Schwierigkeit der Sachverhaltsermittlung stellt gerade im Bereich der Grundsicherung mit häufig sehr komplexen und verwickelten Sachverhalten eine der größten Fehlerquellen dar. Da es für die Rechtmä- ßigkeit eines Verwaltungsakts im Grundsatz auf den tatsächlichen Sachverhalt ankommt und nicht auf den festgestellten, liegt hierin eine häufige Ursache für die Rechtswidrigkeit von Bescheiden. Auch in den Fällen, in denen die Träger der Grundsicherung Leistungen versagen, obwohl der Sachverhalt nicht ausermittelt oder der Antragsteller nicht zur entsprechenden Mitwirkung aufgefordert worden ist, kommt es für die Durchsetzung des Hilfeanspruches letztlich nur darauf an, ob materiell die Leistungsvoraussetzungen vorliegen. Liegen diese - etwa zur Überzeugung des angerufenen Gerichts - vor, ist die Leistung zu erbringen; eine darüber hinausgehende Sanktion erfolgt nicht. Es handelt sich bei einer unvollständigen Ermittlung des Sachverhalts zwar um einen Verfahrensfehler; dieser wirkt sich aber für den Antragsteller nur negativ (da verzögernd) aus. Er kann in einem Rechtsbehelfsverfahren nicht isoliert angegriffen (vgl. Meyer-Ladewig Rz. 8e zu § 54 unter Hinweis auf den Rechtsgedanken des § 44 a VwGO), seine Behebung auch nicht erzwungen werden. Liegen die Leistungsvoraussetzungen aber tatsächlich nicht vor, ist eine in der Sache abweichende Entscheidung natürlich aus diesem Grunde nicht zu erreichen.
Beweiserhebung
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Die Beweiserhebung im Verwaltungsverfahren erfolgt mangels entsprechender Vorschriften häufig formlos und ist deswegen als solche den Verfahrensbeteiligten mitunter gar nicht gegenwärtig. Zu den gängigsten Beweismitteln im Verwaltungsverfahrengehören die Auskunft, die Vernehmung von Zeugen sowie die Einholung des Gutachtens eines Sachverständigen (s. § 21 Absatz 1 SGB X).
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Auskünfte - vor allem anderer Behörden - können vom Träger der Grundsicherung eingeholt werden, soweit er sie nach pflichtgemäßem Ermessen für die Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält (§ 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X). Weitreichende Auskunftspflichten Dritter sind in den §§ 57 bis 61 normiert. Diese erstrecken sich
nicht allein auf die Verhältnisse der Leistungsberechtigten sondern auch auf diejenigen der Partner, deren Einkommen oder Vermögen zu berücksichtigen sind (§ 60 Abs. 4). Nötigenfalls muss der Antragsteller der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch dritte zustimmen (§ 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I). Die Einholung von Auskünften durch den Träger der Grundsicherung kann das Verfahren für den Antragsteller erheblich erleichtern. Damit verbunden ist aber stets die Übermittlung persönlicher Daten. Werden diese direkt zwischen dem Träger der Grundsicherung und der Auskunft erteilenden Stelle übermittelt, führt dies zu einem nur schwer zu kontrollierenden Datenfluss. Ausdrücklich im Gesetz aufgeführt ist die Verpflichtung der Finanzbehörden, Auskunft über die ihnen bekannten Einkommens- oder Vermögensverhältnisse des Antragstellers, Erstattungspflichtigen, Unterhaltsverpflichteten, Unterhaltsberechtigten oder der zum Haushalt zählenden Familienmitglieder zu erteilen (§ 21 Abs. 4 SGB X). Diese sehr weitgehende spezialgesetzliche Grundlage für die Übermittlung von solchen Auskünften wird nur durch das Kriterium der Erforderlichkeit im Hinblick auf die vom Träger der Grundsicherung zu treffende Entscheidung eingeschränkt.
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Für den Nachweis der Anspruchsvoraussetzungen haben die Auskünfte von Banken und anderen Geldinstituten (§ 60 Abs. 2, s. dazu § 60 Rz. 19) eine zentrale Bedeutung. Für das Nicht-Vorhandensein von Geld ist der Status vorhandener Bankkonten der sozialadäquate Nachweis. Der Fluss von Geldmitteln, die nicht über diesen Weg gehen, ist dagegen eher die Ausnahme und im Übrigen - da dann oft auch nicht dauerhaft dokumentiert - schwer nachprüfbar. Von daher bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Einholung von Bankauskünften bei der Erst-Antragstellung. Die Anforderung der Vorlage von Kontoauszügen aus der Zeit vor Antragstellung bedarf dabei einer Begründung, die die Relevanz dieser Unterlagen für die gegenwärtige Bedarfslage erschließt (s.a SG Bayreuth 27.2.2006 - S 8 AS 34/06 ER ; zur Frage der Ermittlung der Verhältnisse vor Antragstellung s.u. Rz. 21). Ähnliches gilt für die Zulässigkeit der Überprüfung des Kontenverlaufs. Hier muss das Gebot der Verhältnismäßigkeit beachtet werden, das für einen solchen Eingriff in geschützte Daten eine adäquate Begründung verlangt. Umstritten ist dabei allerdings, ob eine Verpflichtung besteht, sämtliche Vorgänge auf dem Konto offen zu legen (Hammel info also 2001, 131). Während des Zeitraums, für den der Träger Leistungen bewilligt hat, besteht für Überprüfungen nur dann Anlass, wenn er konkrete Erkenntnisse erlangt. Die Ermittlungen muss er in einem solchen Fall auf den betroffenen Bereich beschränken (s. a. SG Freiburg 12.10.2005 - S 4 AS 4006/05 ER ; VGH HE DVB1 1995, 702). In jedem Falle hat der Träger der Grundsicherung erkennbar zu machen, dass er eine neues Verwaltungsverfahren einleitet, das auch mit einer neuen Entscheidung enden soll. Ohne konkreten Anlass beschränkt sich das Recht zur Überprüfung auf das Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen zu Beginn des jeweiligen Bewilligungszeitraumes. Die Entscheidung, ob überprüft wird und der Umfang der Überprüfung, liegen im Ermessen des Trägers der Grundsicherung. Sie muss dem Gebot der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen und insbesondere von der Wahrhaftigkeit der Erklärungen ausgehen, wenn sich daran keine Zweifel aufdrängen. Bei einer regelmäßig bestehenden Verwaltungspraxis der Ämter ist das Ermessen im Rahmen des Gleichbehandlungsgrundsatzes dahin gebunden , sich grundsätzlich auf die allgemein abverlangten Erklärungen und Nachweise zu beschränken. Einer willkürlichen Ausdehnung der Ermittlungen werden hierdurch Grenzen gesetzt. Es bedürfte dann für eine abweichende Ermittlung durch die Einholung von Bankauskünften etwa für die Zeit seit der letztmaligen Überprüfung einer besonderen Begründung.
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Der Träger der Grundsicherung kann auch Zeugen vernehmen oder von diesen eine schriftliche Äußerung einholen (§ 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X). Diese sind vor allem dann zur Aussage verpflichtet, wenn die Aussage für die Entscheidung über die Entstehung, Erbringung, Fortsetzung, das Ruhen, die Entziehung oder den Wegfall einer Sozialleistung sowie deren Höhe unabweisbar ist (§ 21 Abs. 3 Satz 2 SGB X). Liegen diese Voraussetzungen vor und steht dem Zeugen auch kein Aussageverweigerungsrecht zu, kann der Träger der Grandsicherung eine Aussage nötigenfalls mit Hilfe des Sozialgerichts (hat dies seinen Sitz nicht am Wohn- oder Aufenthaltsort des Zeugen kann auch das zuständige Amtsgericht ersucht werden) erzwingen (§ 22 Abs. 1 SGB X). Hinsichtlich der Gründe, die ein Aussageverweigerungsrecht begründen, verweist § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB X auf die §§ 383 bis 385 ZPO. Häufigster Fall wird das Recht von Verwandten oder Verschwägerten zur Zeugnisverweigerung sein (§ 383 'Abs. 1 Nr. 3 ZPO). Ein Zeugnisverweigerungsrecht steht den Partnern einer eheähnlichen Gemeinschaft zu, soweit es sich um das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 7 Abs. 3 b) handelt (§ 384 Nr. 1 ZPO - es droht ein unmittelbarer vermögensrechtlicher Schaden, wenn der Zeuge unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Satz 4 ohne Antrag in die Position eines Leistungsbeziehers rückt), nicht aber wenn es sich um die Höhe des Leistungsanspruches des antragstellenden Partners handelt (§ 60 Abs. 4 Nr. 1). Bei der gerichtlichen Zeugenvernehmung dürfen die Verfahrensbeteiligten, die zu unterrichten sind, teilnehmen.
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Das Beweismittel der Augenscheinseinnahme umfasst einen der intensivsten Eingriffe in die Privatsphäre der Antragsteller auf Grundsicherung, den Hausbesuch. Hierbei besteht die erste Schwierigkeit in der Praxis darin, festzustellen, ob der Hausbesuch als Beweismittel in einem laufenden Verwaltungsverfahren dient oder anderen Zwecken (z. B. Beratung). Seine Zulässigkeit als Beweismittel ist vor dem Hintergrund der Erforderlichkeit für die Entscheidung über den Leistungsantrag zu sehen. Insoweit könnte der Hausbesuch relevante Erkenntnisse wohl nur hinsichtlich der Richtigkeit der Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse verschaffen. Das heißt, dass Zweifel über die Angaben hinsichtlich des Lebens in einer Haushaltsgemeinschaft oder bezüglich des Vorhandenseins von Vermögensgegenständen bestehen müssen. Eine generelle Verwaltungspraxis, bei allen Antragstellern einen Hausbesuch durchzuführen, um die Richtigkeit deren Angaben zu überprüfen, erscheint dabei nicht rechtmäßig (s. a. LSG HE 30.1.2006 -L 7 AS 1/06 ER ). Wie bei jeder anderen Beweiserhebung muss auch hier die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme dargelegt und im Hinblick auf die Belastung des Eindringens in die grundgesetzlich geschützte Privatsphäre der Wohnung sorgfältig gegenüber anderen Aufklärungsmöglichkeiten abgewogen werden. Eine Verpflichtung, einen Hausbesuch zuzulassen, findet seine Grundlage in der allgemeinen Mitwirkungspflicht der Verfahrensbeteiligten gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 SGB X (vgl. Rz. 18). Sie kann nur dann bestehen, wenn der Träger der Grundsicherung den Zweck des Hausbesuches deutlich definiert und - so weitere Aufklärungsmöglichkeiten zu Gebote stünden - er keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Privatsphäre darstellt. Anders als bei der Zeugenvernehmung hat der Träger der Grundsicherung allerdings keine Möglichkeit die Augenscheinseinnahme mit gerichtlicher Hilfe zu erzwingen. Die Folge der Verweigerung des Hausbesuches ist gesetzlich nicht normiert. Insbesondere gehört die Zustimmung zum Hausbesuch nicht zu den in den §§60 bis 65 a SGB I aufgezählten Mitwirkungspflichten, weshalb auch eine Leistungsversagung nach Maßgabe des § 66 SGB I nicht zulässig ist. Es verbleibt dem Träger der Grandsicherung daher nur die Möglichkeit, die Hilfe zu versagen, weil sich der Sachverhalt nicht aufklären und der fragliche Bedarf nicht feststellen lässt. Aufgrund der gebotenen Anhörung vor einer ablehnenden Entscheidung wird letztlich ein Vorgehen, wie es in § 66 Abs. 1 und 3 SGB I beschrieben ist, zu fordern sein. Für die Durchführung des Hausbesuches ist grundsätzlich zu verlangen, dass er um unverhältnismäßige Belastungen zu vermeiden - mit dem Antragsteller vereinbart oder diesem wenigstens zeitig angekündigt wird. Aus der Weigerung, einen unangemeldeten Hausbesuch zuzulassen, darf der Träger der Grundsicherung nur dann negative Konsequenzen ziehen, wenn die Tatsache, zu deren Feststellung der Hausbesuch dienen soll, eine andere Vorgehensweise nicht zulässt und die Hilfe ohne deren Feststellung versagt werden muss (BVerwG FEVS 34, 309).
Mitwirkungspflicht und Amtsermittlungsprinzip
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Die Mitwirkungspflichten nach den §§ 60ff. SGB I stehen in einem Spannungsverhältnis zum Amtsermittlungsprinzip. Dabei räumt § 20 Abs. 1 Satz 2 SGB X der Behörde die Rechtsmacht ein, hier nach pflichtgemäßem Ermessen Art und Umfang der Ermittlungen zu bestimmen. Ausgangspunkt muss dabei das Kriterium sein, in welcher Sphäre die jeweiligen Informationen verfügbar sind. Diese „Mitwirkungspflichten" sind in den §§ 56 und 61 Abs. 2 insbesondere aber in den §§ 60 ff. SGB I näher konkretisiert. So hat, wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind; außerdem hat er erhebliche Veränderungen unverzüglich mitzuteilen und Beweismittel beizubringen (§ 60 Abs. 1 SGB I). Darüberhinaus verlangt das Gesetz seine Zustimmung dazu, dass die Behörde von Amts wegen Informationen und Beweismittel, über die Dritte verfügen, hinzuzieht. Es handelt sich dabei zunächst um die Verpflichtung, diejenigen Tatsachen mitzuteilen, die für den Leistungsanspruch erheblich sind. Dazu gehört aber auch die Verpflichtung zur Vorlage von Nachweisen bzw. der Zustimmung zur Erhebung bei Dritten. Zu den Mitwirkungspflichten gehört ebenso - auf Verlangen des Trägers der Grundsicherung - das persönliche Erscheinen (§61 SGB I). Diese Pflicht besteht nur, wenn das persönliche Erscheinen nötig ist, um durch mündliche Erörterung des Antrages oder die Vornahme anderer Maßnahmen über die Leistung entscheiden zu können.
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Eine formale Einschränkung des Untersuchungsgrundsatzes kann der Träger der Grundsicherung dadurch bewirken, dass er die Mitwirkungspflicht eines Antragstellers konkretisiert. Voraussetzung hierfür ist, dass der erhebliche Sachverhalt nicht bekannt ist und ohne die Mitwirkung des Antragstellers dessen Aufklärung wenigstens erheblich erschwert wird (§ 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I). An dieser Schnittstelle von Mitwirkungspflicht auf der einen und Untersuchungsgrundsatz auf der anderen Seite kommt es regelmäßig zu Fragen hinsichtlich des Umfanges der Mitwirkungspflichten sowie der Frage, ob die Nichtmitwirkung die Aufklärung des maßgeblichen Sachverhalts erheblich erschwert. Der Ermessensspielraum des Trägers der Grundsicherung geht an dieser Stelle indessen nicht dahin, schon an dieser Stelle - wegen Unerweislichkeit der Anspruchsvoraussetzungen - die Leistung abzulehnen. Stets zu prüfen ist, ob nicht ein Fall vorliegt, in dem der Träger der Grundsicherung sich die erforderlichen Erkenntnisse durch einen geringeren Aufwand beschaffen kann, als der Antragsteller (§ 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB I). Diese Voraussetzungen dürften häufig dann vorliegen, wenn es sich um Informationen anderer Behörden desselben Rechtsträgers (Jugendamt, Amt für Wohnungswesen) oder einer nach § 50 zur Datenübermittlung befugten Stelle, aber auch dritter Stellen handelt. Hierbei ist allerdings stets zu prüfen, ob Vorschriften des Datenschutzes dem entgegenstehen.
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Formale Voraussetzung für eine auf § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I gestützte Leistungsversagung ist zunächst, dass der Leistungsberechtigte auf seine Mitwirkungspflicht so konkret hingewiesen worden ist, dass er zweifelsfrei weiß, was von ihm verlangt wird. Sodann muss der Träger der Grundsicherung eine angemessene Frist setzen, innerhalb derer er noch Gelegenheit hat, seiner Mitwirkungspflicht nachzukommen. Schließlich ist er noch schriftlich darüber zu belehren, dass die Leistung wegen fehlender Mitwirkung versagt werden darf, wenn er der so definierten Mitwirkungspflicht nicht nachkommt (§ 66 Abs. 3 SGB I). Liegen alle diese Voraussetzungen vor und kommt der Antragsteller gleichwohl seiner Mitwirkungspflicht nicht nach, muss der Träger der Grundsicherung eine Ermessensentscheidung treffen und entsprechend begründen (§ 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X). Erst diese Entscheidung stellt einen Verwaltungsakt dar, der mit dem Widerspruch angegriffen werden kann. Eine solche Entscheidung bedarf vor allem dann einer besonderen Begründung, wenn der Träger der Grundsicherung ihm zu Gebote stehende Möglichkeiten, den Sachverhalt selbst weiter aufzuklären, nicht genutzt hat. Wird die Hilfe wegen fehlender Mitwirkung gemäß § 66 SGB II versagt, kommt es darauf, ob die Anspruchsvoraussetzungen tatsächlich nicht vorgelegen haben, nicht an. Maßgeblich ist hier nur die Ursächlichkeit der unterbliebenen Mitwirkung für die Unmöglichkeit der Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen; auch eine Nachholung der Mitwirkung führt nicht zur Rechtswidrigkeit des Ablehnungsbescheides (BVerwG NDV 1985, 269) sondern nur dazu, dass der Träger der Grundsicherung eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen hat, ob die Leistungen nachträglich erbracht werden (§ 67 SGB I).
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Von den Möglichkeiten des § 66 SGB I macht die Praxis nur zurückhaltenden Gebrauch. Dies liegt zum einen an den einzuhaltenden Formerfordernissen und zum anderen daran, dass die materielle Beweislast'hinsichtlich des Vorliegens der Leistungsvoraussetzungen ohnehin den Antragsteller trifft. Verbleiben Unklarheiten oder können Zweifel nicht ausgeräumt werden, ist nämlich der Träger der Grundsicherung zur Ablehnung der Leistung berechtigt (vgl. Meyer-Ladewig Rz. 19 a zu § 103; BVerwG NJW 1983, 2954). Eine so begründete Ablehnung kann aber nur dann rechtmäßig sein, wenn der Träger der Grundsicherung gegenüber dem Antragsteller zuvor die aus dessen Mitwirkungspflicht resultierenden Obliegenheiten hinreichend konkretisiert hat (BVerfG 12.5.2005 - 1 BvR 569/05 - info also 2005, 166,168). Weiter muss verlangt werden, dass die offenen Fragen die Bedürftigkeit des Antragstellers in der Gegenwart betreffen; soweit sie sich auf die Vergangenheit beziehen, können sie nur dann berücksichtigt werden, wenn sie eindeutige Erkenntnisse über die gegenwärtige Bedarfslage vermitteln (BVerfG 12.5.2005 a. a. O.).
Verfahrensrechte
22 (Anhörung)
Grundsätzlich ist eine Verpflichtung zur Anhörung der Verfahrensbeteiligten gemäß § 24 Abs. 1 SGB X auf die Fälle beschränkt, in denen in bestehende Rechte eingegriffen wird. Das ist immer dann der Fall, wenn ein belastender Verwaltungsakt (z.B.Rücknahme eines Bewilligungsbescheides) erlassen wird. Soll aber ein Antrag auf Leistungen abgelehnt werden, entspricht es dem Gebot eines fairen Verfahrens, eine solche Entscheidung nicht überraschend zu treffen, sondern den Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu den relevanten Tatsachen zu äußern. Dies ist auch aus Gründen eines möglichst zügigen Verwaltungsverfahrens und der Vermeidung von Rechtsbehelfsverfahren geboten.
23 (Akteneinsicht)
Zu den wichtigsten Rechten der Verfahrensbeteiligten gehört das Recht zur Akteneinsicht (§ 25 SGB X). Der direkte Anspruch auf Akteneinsicht besteht dabei nur während des Verwaltungsverfahrens und nur hinsichtlich der Akten, die das Verfahren betreffen. Ob Akten das Verfahren betreffen, kann streitig sein. Für den Verfahrensbeteiligten ist es schwierig, die Relevanz ihm bekannter Akten zu beurteilen; ihm nicht bekannte Akten können ihm erst durch eine entsprechende Mitteilung der Behörde zugänglich werden. Er ist deswegen darauf angewiesen, vollständig über die relevanten Akten unterrichtet zu werden. Wird ihm die Akteneinsicht verweigert, kann er sie grundsätzlich nicht mit Gerichtshilfe erzwingen. Nur ausnahmsweise, wenn effektiver Rechtsschutz anders nicht möglich ist, kann unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Grundrechts aus Art. 19 Abs. 4 GG die gerichtliche Durchsetzung des Rechts auf Akteneinsicht in Betracht kommen (s. BVerfG NJW 1991, 415). Er ist vielmehr darauf beschränkt, sie als Verfahrensfehler im Rahmen eines gegen die Sachentscheidung gerichteten gerichtlichen Verfahrens zu rügen (Gedanke des § 44 a VwGO, vgl. Meyer-Ladewig § 120 Rz. 1 a). Abgesehen von der Frage, ob Akten das Verfahren
betreffen, können folgende weitere Gründe eine Ablehnung der Akteneinsicht tragen:
■ Die fehlende Erforderlichkeit der Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung der rechtlichen Interessen,
■ die Akte enthält Angaben über die gesundheitlichen Verhältnisse des Beteiligten. In diesem Fall steht es im Ermessen der Behörde, ob statt der Akteneinsicht die Vermittlung ihres Inhaltes durch einen Arzt gewährt wird. Dieses Verfahren ist in der Regel einzuhalten, wenn dem Beteiligten ein Nachteil (vor allem gesundheitlich) zu entstehen droht. Bestehen in diesen Fällen Zweifel an der Vollständigkeit der Auskunft, kann im Einzelfall die Einsichtnahme in die Akte durch einen Bevollmächtigten Abhilfe bringen.
■ Das berechtigte Interesse anderer Beteiligter oder Dritter an der Geheimhaltung überwiegt. In diese Kategorie fallen zunächst alle die Verfahren, in denen das Sozialgeheimnis nach § 35 SGB I tangiert ist. Fraglich ist, ob dies auch für so genannte „vertrauliche Informationen" gilt, die ein Tätigwerden der Behörde ausgelöst haben. Verwertet die Behörde solche Informationen nicht für ihre Entscheidung, fehlt es an einem rechtlichen Interesse des Verfahrensbeteiligten auf Akteneinsicht.
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Die Akteneinsicht erfolgt in der Regel bei der aktenführenden Behörde. Die Bereit schaft, die Akteneinsicht durch Übersendung an andere Behörden zu erleichtern, ist nicht sehr ausgeprägt. Dies führt teilweise zu Gerichtsverfahren, deren einziger Zweck ist, einfacher Akteneinsicht nehmen zu können (aus § 119 Abs. 1 SGG folgt, dass die Behörden zur Vorlage der vom Gericht angeforderten Akten verpflichtet sind, die die Beteiligten gemäß § 120 Abs. 1 SGG grundsätzlich einsehen können, wobei die Aktenbevollmächtigten Rechtsanwälten regelmäßig zur Einsichtnahme in der Kanzlei zu überlassen sind - Meyer-Ladewig, § 120 Rz. 4). Auch die Unterstützung der Behörden, wenn Kopien aus den Akten gefertigt werden sollen, ist sehr unterschiedlich ausgeprägt. Insbesondere bei der Frage, ob und in welcher Höhe Kosten für Kopien zu tragen sind, kann keine einheitliche Praxis festgestellt werden. Bei der Ausübung des den Trägern der Grundsicherung gemäß § 25 Abs. 5 SGB X eingeräumten Ermessens haben diese natürlich auch die Leistungsfähigkeit der Beteiligten zu berücksichtigen (s. dazu auch Giese/Krahmer § 25 SGB X Rz. 11; VG Düsseldorf 27.4.1983 - 7 K 571/ 83). Die Entscheidung über die Kosten gemäß § 25 Abs. 5 Satz 2 SGB X ergeht als Verwaltungsakt, der als solcher angegriffen werden kann.
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Außerhalb eines konkreten Verwaltungsverfahrens steht die Entscheidung über einen Antrag auf Akteneinsicht im Ermessen der Behörde; Voraussetzung ist in jedem Fall ein berechtigtes Interesse. Die Behörde hat bei ihrer Entscheidung das Interesse des Antragstellers gegen das Interesse dritter Personen an der Geheimhaltung sowie das allgemeine Interesse an der Geheimhaltung von Sozialdaten über den Schutzbereich der §§ 67 a SGB X hinaus abzuwägen (BVerwGE 61, 15,22; 69, 278; VGH BY NVwZ 99,!
Bescheid
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Regelung, die die Behörde im konkreten Fall trifft. Wegen der Entscheidend ist der Entscheidungstenor des Verwaltungsaktes, d. h. die Verbindlichkeit, die die Entscheidung der Behörde hat, wenn sie einen Einzelfall hoheitlich regelt, schreiben die §§31 bis 50 SGB X bestimmte Förmlichkeiten vor. Im Hinblick darauf, dass der Verwaltungsakt grundsätzlich das betreffende Verwaltungsverfahren abschließt, ist der Entscheidungstenor (Entscheidungsausspruch) daraufhin zu überprüfen, ob er die Sachverhalte, die Gegenstand des Verwaltungsverfahrens waren, auch tatsächlich ausschöpft. Werden - etwa bei umfangreicheren Anträgen - einzelne Gegenstände nicht mit geregelt (auch nicht konkludent/unausgesprochen), bleibt das Verwaltungsverfahren insoweit anhängig. Eine Bescheidung kann dann nötigenfalls durch Erhebung einer Untätigkeitsklage (§ 88 SGG) herbeigeführt werden. Vom Regelungsinhalt kann der Tenor begünstigend Leistungen bewilligen oder belastend Leistungen (z. B. zurück-)fordern, er kann aber auch im Rechtsverhältnis zum Adressaten Feststellungen treffen (z. B. zur Erwerbsfähigkeit).
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Erste Voraussetzung für einen wirksamen Verwaltungsakt ist, dass er eine eindeutige Regelung trifft (Bestimmtheit, § 33 Abs. 1 SGB X). Dabei reicht es allerdings aus, wenn sich der Regelungsgehalt aus den Umständen oder dem Zusammenhang ergibt. Ferner muss erkennbar sein, dass eine verbindliche Regelung gewollt ist und nicht etwa nur eine Auskunft erteilt werden soll. Zweifelhaft kann dies im Zusammenhang mit Arbeitsangeboten sein, die zwar nicht zwingend in der Gestalt von Verwaltungsakten erfolgen müssen, dann aber nicht die in § 31 beschriebenen Rechtsfolgen auslösen können (vgl. LSG HH 11.7.2005 - L 5 B 161/05 ER AS - info also 2005, 272). Grundsätzlich ist der Verwaltungsakt an keine bestimmte Form gebunden (s. § 33 Abs. 2 Satz 1 SGB X), Wegen seiner Verbindlichkeit ist aber die Schriftform die Regel. Ergeht ein Verwaltungsakt nur mündlich, besteht die Verpflichtung der Behörde, diesen schriftlich zu bestätigen, wenn der Betroffene dies unverzüglich verlangt und ein berechtigtes Interesse hat (§ 33 Abs. 2 Satz 2 SGB X). Der schriftliche Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen und - wenn es sich nicht um einen EDV-Bescheid handelt - den Namen oder die Unterschrift des Verantwortlichen.
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Außer dem Entscheidungstenor kann der Verwaltungsakt auch Nebenbestimmungen enthalten. Werden diese Nebenbestimmungen bestandskräftig, kann dies zu gravierenden Rechtsfolgen bis hin zum nachträglichen Wegfall des Verwaltungsaktes und der Verpflichtung zur Erstattung erhaltener Leistungen führen. Zu unterscheiden ist zwischen selbständigen und unselbständigen Nebenbestimmungen. Häufigster Fall einer selbständigen Nebenbestimmung ist die Auflage (§ 32 Abs. 2 Nr. 4 SGB X). Sie stellt eine eigenständige Regelung, einen eigenen Verwaltungsakt, dar, den der Träger der Grundsicherung erforderlichenfalls auch vollstrecken kann. Die wichtigsten unselbständigen Nebenbestimmungen sind die Befristung oder die Beifügung einer Bedingung (§ 32 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGB X), wobei letztere bei Bildungsmaßnahmen, die durch Verwaltungsakt gem. § 15 Abs. 1 Satz 6 bewilligt werden, die Schadensersatzpflicht gem. § 15 Abs. 3 begründen könnten.
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Für die rechtliche Überprüfung von Nebenbestimmungen ist zunächst zu beachten, dass diese nur wirksam sind, wenn sie dem jeweiligen Verwaltungsakt tatsächlich beigefügt sind; sie dürfen nicht nachgeschoben werden. Nebenbestimmungen zu Verwaltungsakten, auf die ein Anspruch besteht, sind nur zulässig, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen sind (für die Grundsicherung z.B. bei § 15 Abs. 3) oder wenn sie sicherstellen sollen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden (§ 32 Abs. 1 SGB X). Soll auf das letztgenannte Erfordernis eine Nebenbestimmung gestützt werden, muss der Träger der Grundsicherung zunächst die Erforderlichkeit der Nebenbestimmung begründen, weil er den Anspruch auf den Verwaltungsakt beschränkt. Sodann ist eine Ermessensentscheidung über das „ob" der Beifügung einer Nebenbestimmung zu treffen. Ermessen ist auch bei der Auswahl der Nebenbestimmung auszuüben. Ist eine selbständige Nebenbestimmung (z. B. Auflage) fehlerhaft, kann sie gesondert mit einem Rechtsbehelf angegriffen werden. Unselbständige Nebenbestimmungen können dagegen nur mit dem Verwaltungsakt angegriffen werden, dem sie beigefügt wurden.
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Zu den Regelungsinhalten eines Verwaltungsaktes, mit dem laufende Leistungen bewilligt werden, gehört auch der Zeitraum, für den eine Regelung getroffen wird (§ 41 Abs. 1 Satz 2, in der Regel 6 Monate). Trifft der Bescheid in dieser Hinsicht keine Aussage, ist das Gewollte im Wege der Auslegung zu ermitteln.
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Grundsätzlich ist ein schriftlicher Verwaltungsakt schriftlich zu begründen. Bei der Begründung muss die Behörde die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitteilen, die sie zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Besonders wichtig ist das Erfordernis bei Ermessensentscheidungen, die Gesichtspunkte erkennen zu lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist (§ 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X). Einer Begründung bedarf es dann nicht, wenn der Adressat die Begründung kennt oder der Bescheid aus sich selbst heraus verständlich ist. Die Bedeutung der Begründung liegt auch in ihrem Beitrag dazu, das Verwaltungshandeln transparent zu machen und Konflikte auf das in der Sache Unvermeidliche zu reduzieren. Fehlt eine Begründung, ist gem. § 41 Abs. 3 SGB X Wiedereinsetzung hinsichtlich der Widerspruchsfrist zu gewähren.
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Nicht immer ist klar zwischen Regelungsgehalt und Begründung eines Verwaltungsaktes zu unterscheiden. So gilt bei laufenden Leistungen der Grundsicherung regelmäßig der Ausspruch über die letztlich bewilligte Hilfe als Regelung, während die einzelnen Positionen bei der Bedarfs- (Regelleistung, Unterkunftskosten usw.) sowie der Einkommensermittlung lediglich Begründung. Soll der Verwaltungsakt Bindungswirkung hinsichtlich einer Einzelposition entwickeln, muss der Träger der Grundsicherung dies ausdrücklich klarstellen (Gebot der Bestimmtheit). Dies spielt beispielsweise bei den Unterkunftskosten dann eine Rolle, wenn der Träger der Sozialhilfe sich darauf beruft, die Höhe der angemessenen Unterkunftskosten mit Bindungswirkung für die Zukunft festgesetzt zu haben (VGH BY FEVS 45, 261).
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Ergeht ein Verwaltungsakt schriftlich oder wird ein solcher schriftlich bestätigt, ist ihm eine Rechtsbehelfsbelehrung beizufügen (§ 36 SGB X Fehlt es hieran, beginnt die Rechtsbehelfsfrist nicht zu laufen; ohne oder bei falscher Rechtsbehelfsbelehrung kann der Rechtsbehelf (Widerspruch ) binnen eines Jahres ab Bekanntgabe erfolgen (§ 66 Abs. 2 SGG).
34
Um wirksam zu werden, muss der Verwaltungsakt bekanntgegeben werden. Für die Bekanntgabe (§ 37 SGB X) ist keine bestimmte Form vorgeschrieben. In der Grundsicherung überwiegt die schriftliche Bekanntgabe; eine mündliche Bekanntgabe wird seltener von Bedeutung sein. Eine besondere Form der Bekanntgabe ist ein Verhalten des Trägers der Grundsicherung, aus dem auf eine Entscheidung durch Verwaltungsakt geschlossen werden kann (so genannte konkludente Bekanntgabe, etwa durch Auszahlung). Im Zweifel muss der Träger der Grundsicherung nachweisen, dass er den Verwaltungsakt bekanntgegeben hat und zu welchem Zeitpunkt dies geschehen ist (§ 37 Abs. 2 SGB X). Ist der Bescheid schriftlich bekanntgegeben, gilt die gesetzliche Fiktion, dass der Verwaltungsakt mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben gilt. Bestreitet der Adressat den Zugang des Schreibens oder den behaupteten Zeitpunkt, kommt der Dokumentation der Versendung durch einen datierten und paraphierten Abgangsvermerk in der Leistungsakte große Bedeutung zu. Liegt dieser vor, ist streitig, ob der Adressat mit einem schlichten Bestreiten des Zugangs die gesetzliche Vermutung entkräften kann, oder ob er die Zweifel am Zugang des Bescheides mit Tatsachen untermauern muss (z. B., dass in der Vergangenheit schon öfter Post abhanden gekommen ist). Nach im Sozialrecht herrschender Ansicht reicht aber das bloße Bestreiten aus (vgl. für alle Recht in Hauck/Noftz SGB X/l, 2, § 37 Rz. 18; zur Rechtslage nach dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht Stelkens in Stelkens/Bonk/Leonhardt § 41 Rz. 67; vgl. § 3 Rz. 4). Die mündliche Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes ist von der Sachbearbeiterin in der Akte zu vermerken. Bestehen Zweifel an der Richtigkeit eines solchen Vermerks, kann der Adressat regelmäßig nur dann durchdringen, wenn er Tatsachen vorbringen kann, die dies belegen (z.B. dass er am betreffenden Tag gar nicht vorgesprochen hat). Ein schlichtes Bestreiten reicht in solchen Fällen in der Praxis nicht aus, um „Zweifel" i. S. d. § 37 Abs. 2 SGB X zu begründen. Bei Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft wird sich die Vermutung des § 38 Satz 1 einer Bevollmächtigung auch auf die Bekanntgabe erstrecken, weil die Behörde gehalten ist, sich an den Bevollmächtigten zu halten (§ 13 Abs. 3 Satz 1 SGB X).
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Mit dem Verwaltungsakt wird das Rechtsverhältnis zwischen der Behörde und dem Adressaten bezüglich des Regelungsgegenstandes auf Dauer verbindlich geregelt (§77 SGG). Wie ein gerichtliches Urteil kann der Verwaltungsakt (sei er rechtsgestaltend, sei er feststellend), wenn er Bestandskraft erlangt hat (er in der Rechtsbehelfsfrist nicht angegriffen worden ist), für die Behörde Grundlage für ein Vollstreckungsverfahren sein, das darauf gerichtet ist, die Sachlage in Übereinstimmung mit der getroffenen Regelung zu bringen.
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Ein Verwaltungsakt, der nicht fristgerecht oder erfolglos mit einem Rechtsbehelf angegriffen wird, erlangt formelle Bestandskraft (Unanfechtbarkeit); er ist aber schon mit seinem Wirksamwerden für die Verwaltung, für den Betroffenen erst mit formeller Bestandskraft bindend (§ 77 SGG materielle Bestandskraft). Die Bestandskraft kann nur in den Fällen durchbrochen werden, die im Gesetz (hauptsächlich §§ 44-48 SGB X) ausdrücklich genannt sind. Hierzu bedarf es eines neuen Verwaltungsverfahrens, für das gemäß §§44 Abs. 3,45 Abs. 5, 46 Abs. 2, 47 Abs. 2, 48 Abs. 4 SGB X grundsätzlich die Behörde zuständig ist, die im Zeitpunkt der Aufnahme des Rücknahmeverfahrens für die Regelung zuständig wäre. Die Einleitung eines entsprechenden Verwaltungsverfahrens kann sowohl auf Antrag (s. z. B. § 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X) als auch von Amts wegen erfolgen.
Fehlerhafter Bescheid
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Grundsätzlich führen Fehler eines Verwaltungsaktes nicht zu dessen Unwirksamkeit. Nur dann, wenn ein Verwaltungsakt nichtig ist, ist er gemäß § 39 Abs. 3 SGB X unwirksam. Liegen die in § 40 Abs. 2 SGB X aufgeführten formalen und inhaltlichen Fehler, die zur Nichtigkeit führen, nicht vor, ist ein Verwaltungsakt nichtig, wenn er offensichtlich an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet (§ 40 Abs. 1 SGB X). Die Nichtigkeit wird von Amts wegen oder auf Antrag festgestellt, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht (§ 40 Abs. 5 SGB X).
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Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten kann die Behörde jederzeit berichtigen und kann auch die Vorlage des zu berichtigenden Schriftstücks verlangen (§ 38 SGB X). Sowohl bei der Prüfung der Nichtigkeit als auch der Berichtigung liegen die Schwierigkeiten im Einzelfall in der Feststellung der Offenkundigkeit der Fehler. Aus Gründen des Vertrauensschutzes ist hier als Maßstab auf die Erkenntnismöglichkeiten des Adressaten abzustellen.
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Andere Fehler sind heilbar, soweit es sich um Verfahrens- oder Formfehler handelt. Besonders differenziert ist die Frage nach der Heilbarkeit von Fehlern bei Verwaltungsakten zu beantworten, die auf einer Ermessensentscheidung beruhen. Handelt es sich um einen materiellen Ermessensfehler, d. h. das Ermessen ist gar nicht bzw. nicht dem Zweck der Ermächtigung entsprechend gebraucht worden, die Behörde ist von einem falschen oder in wesentlicher Hinsicht unvollständigen Sachverhalt ausgegangen, die abzuwägenden Gesichtspunkte sind falsch gewichtet worden, ist dieser Fehler nicht heilbar. Die Behörde muss über den Sachverhalt nochmals insgesamt neu entscheiden und einen neuen Verwaltungsakt erlassen (s. auch Meyer-Ladewig § 54 Rz. 29b; OVGNW 28.10.1980- 18 A 1211/79-NJW 1981, 936; Schoch 2001, 601).
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Anders verhält es sich bei formalen Fehlern, wie etwa dem Fehlen der gemäß § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X erforderlichen Begründung einer Ermessensentscheidung. Diese Begründung kann nachgeholt und der Formfehler damit geheilt werden (§ 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X). Nachholbar ist auch eine unterblieben Anhörung (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X). Allerdings indiziert das Fehlen einer erforderlichen Anhörung bei einer Ermessensentscheidung stets auch einen materiellen Fehler, der nur durch eine neue Ermessensentscheidung korrigiert werden kann.
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Das Fehlen der erforderlichen Begründung oder das Versäumnis der erforderlichen Anhörung stellen einen gesetzlichen Wiedereinsetzungsgrund in die Rechtsbehelfsfrist dar, wenn sie dafür ursächlich waren, dass diese Frist versäumt worden ist (§41 Abs. 3 SGB X). Im Übrigen führen formale Fehler nur dann zu einer Aufhebbarkeit eines Verwaltungsakts, wenn überhaupt eine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können oder die erforderliche Anhörung unterblieben und auch nicht wirksam nachgeholt worden ist (§ 42 SGB X).