Startbeitrag
- Mitglied seit
- 1 Sep 2014
- Beiträge
- 17
- Bewertungen
- 18
Ich habe in letzter Zeit hier viele nützliche und interessante Informationen gefunden und finde es sehr gut und wichtig, dass es so ein Forum gibt. Deshalb wollte ich unbedingt über meinen Fall berichten, wenn es Ergebnisse gibt. "Leider" ist jetzt meinem Widerspruch so schnell entsprochen worden, dass ich nicht weiß, woran es lag. Für mich ist das natürlich gut, aber eine gerichtliche Entscheidung wäre auch interessant gewesen.
Ich kann mir aber vorstellen, dass bei "Sofortangeboten" öfter, so wie in meinem Fall, die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls fehlt. In meinem JC scheint das gängige Praxis zu sein, weil die Mitarbeiterin mir die Zuweisung mit "das machen wir immer" bzw. "das müssen alle machen" o.ä. begründete und (entgegen dem Text der "Einladung") eben überhaupt nicht mit mir "über meine berufliche Situation" sprechen wollte, sondern mir nur die Maßnahme aufdrücken wollte. Auch der Titel der Maßnahme, "Neukundenberatungs- und Orientierungsseminar" deutet darauf hin, dass diese Neuantragstellern pauschal zugewiesen wird.
Und das ist meiner Meinung nach rechtswidrig.
Es ging um eine "Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung gemäß §16 Abs. 1 SGB II i.V.m. §45 SGB III". Dazu gab es eine Rechtsfolgenbelehrung, in der stand, dass die Zuweisung auf der Grundlage von §15a SGB II ("Sofortangebot") erfolgte und bei Weigerung eine 30-Prozent-Sanktion drohte. (Dabei war unter anderem merkwürdig, dass ich zu dem Zeitpunkt schon einen Bewilligungsbescheid hatte, "Sofortangebote" aber eigentlich schon direkt bei der Beantragung gemacht werden sollen.)
Wie ich in meinem Erstgespräch ca. 2 Wochen vorher schon gesagt hatte, habe ich in ein paar Monaten eine Stelle in Aussicht und verdiene auch während des Leistungsbezugs ein paar hundert Euro auf freiberuflicher Basis dazu. Deswegen versuchte ich im Gespräch, den Sinn dieser Maßnahme in Frage zu stellen. Ich verfolgte ja bereits eine klare und mit sehr hohen Erfolgsaussichten verbundene "Eingliederungsstrategie", und außerdem hätten die 40 Stunden der "Maßnahme" mich von meiner Arbeit abgehalten und für den betreffenden Monat mein Einkommen gesenkt. Der Sachbearbeiterin war das alles egal, es war nichts zu machen.
Ich ging nicht zu der Maßnahme hin und schrieb dem JC einen Brief, in dem ich ausführlich meine berufliche Situation darstellte, die sie dort ja nicht interessiert hatte, und begründete, warum mir die Maßnahme unter diesen Voraussetzungen nicht als sinnvoll erscheint.
Für rechtlich relevant hielt und halte ich dabei folgendes:
In den fachlichen Hinweisen der Arbeitsagentur zum § 15a SGB II heißt es in Abschnitt 2.3.1. Absatz (2): "Das Sofortangebot soll ‚unverzüglich‘ und sachgerecht ergehen", und in Absatz (3): "Die sachgerechte Auswahl eines passenden Leistungsangebotes lässt sich nur erreichen, wenn schon frühzeitig ein stärken- und potentialorientiertes Profiling durchgeführt wird. Erst durch ein qualifiziertes Erstgespräch i.S.d. 4-Phasen-Modells bei einer Integrationsfachkraft ist ein auf den Einzelfall angepasstes Sofortangebot möglich."
In meinem Fall war nichts dergleichen geschehen.
Laut denselben fachlichen Hinweisen zum § 15a SGB II ist in dessen Anwendung auch der § 3 SGB II zu beachten. Der verlangt, dass bei einer Maßnahmenzuweisung die Eignung, die individuelle Lebenssituation, die voraussichtliche Dauer der Hilfebedürftigkeit und die Dauerhaftigkeit der Eingliederung berücksichtigt werden müssen.
Und in den fachlichen Hinweisen zu § 16 führt die Arbeitsagentur aus: "Die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit erfordern eine Prognoseentscheidung, die unter Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls vorzunehmen ist. Es muss zu erwarten sein, dass die Eingliederungsleistungen die Chancen zur Eingliederung in Arbeit zumindest erhöhen".
All das kann ein/e SB nur behaupten, wenn er/sie sich mit dem Fall auseinandergesetzt hat.
Wie aus dem § 15a SGB II hervorgeht, handelt es sich um eine Soll-Norm, d.h. es soll, aber muss kein Sofortangebot zugewiesen werden. Über die Zuweisung ist nach Ermessen zu entscheiden. Nach Ermessen heißt aber eben nicht nach Belieben. In den fachlichen Hinweisen zu § 16 heißt es, "Das Ermessen ist fehlerfrei auszuüben" (Abschnitt 2.2.2), und zählt drei verschiedene "Ermessensfehler" auf, darunter auch den
Das beruht auf § 39 SGB I, wo es eindeutig heißt: "Auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens besteht ein Anspruch."
Wie gesagt, ich frage mich, wie es bei so einer Pauschalmaßnahme überhaupt möglich sein soll, diese ganzen Anforderungen der Anpassung einer Maßnahme an den Einzelfall zu erfüllen. Wenn eine SB sich mit dem individuellen Antragsteller nicht beschäftigt hat und höchstwahrscheinlich den Inhalt der Maßnahme auch nur oberflächlich kennt (da sie ja selbst nur vage, oberflächliche Informationen darüber hat), dürfte das regelmäßig nicht der Fall sein.
Naja, es kam dann (ohne Anhörung) ein Sanktionsbescheid über 30 Prozent. Darin sind sie mit drei Zeilen auf mein Schreiben eingegangen und haben witzigerweise behauptet, meine Argumente, dass meine Teilnahme an der Maßnahme meine Hilfebedürftigkeit in diesem Zeitraum erhöhen und meine Eigenbemühungen um berufliche Eingliederung erschweren würde, müssten als "persönliche Einzelinteressen" den "Interessen der Allgemeinheit" untergeordnet werden. Das wurde nicht weiter begründet oder erklärt. Es würde ja so einige Fragen aufwerfen, wenn meine Bemühung rund um Erwerbstätigkeit plötzlich nur mein "persönliches Einzelinteresse" sind, das nicht dem entspricht, was das Jobcenter als Vertreter der Allgemeinheit von mir will. Was will es denn dann von mir? Was hat die Allgemeinheit davon, wenn das JC öffentliches Geld dafür rauswirft, mich 40 Stunden in eine Beschäftigungstherapie zu setzen, und mir dann auch noch mehr zahlen muss, weil ich in der Zeit nicht arbeiten konnte?
Na ja, als Gewerkschaftsmitglied musste ich dann zum DGB Rechtsschutz, weil im Antrag auf Prozesskostenhilfe beim Sozialgericht abgefragt wurde, ob man solche Möglichkeiten hat, die man ggf. zuerst ausschöpfen soll. Aber entgegen einigen Berichten hier muss ich sagen, dass mir der DGB Rechtsschutz super geholfen hat. Der Kollege hat mich sofort angerufen, als meine Post mit den ganzen Unterlagen dort ankam, einen Termin für den nächsten Tag gemacht und dann gleich zwei Widersprüche ans JC geschickt - einen gegen die Sanktion und einen vorsorglich gegen die Maßnahmenzuweisung selbst. Gleichzeitig einen Antrag ans Sozialgericht, per einstweiliger Anordnung die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen. Zwei Wochen später erhielt ich vom DGB die Mitteilung, dass das JC darauf verzichtet hat, dem Sozialgericht den Vorgang zu übersenden, und dem Widerspruch in vollem Umfang entsprochen hat. Die Nachzahlung des gekürzten Betrags kam ein paar Tage später.
Der Rechtsschutzsekretär beim DGB hat mir übrigens zugestimmt, dass der Ermessensausfall das stärkste Argument war. Ich hatte vorher mit einem anderen Anwalt gesprochen, der wohl eher in die Richtung argumentiert hätte, dass eine Erwerbstätigkeit vorgeht. Aber das wollte ich nicht so gern. Es hätte natürlich gestimmt, dass ich in der Zeit nicht hätte arbeiten können, aber mich hat eher aufgeregt, dass ich 40 Stunden mit völligem Schwachsinn verbringen sollte. Für eine interessante Fortbildung hätte ich mir die Zeit schon nehmen können, ich lerne ja im Allgemeinen nicht ungern. Aber nicht für solchen Schwachsinn.
Ich hoffe, es hilft mal jemandem. Ich glaube eher nicht, dass eine ordentliche Ermessensausübung der Normalfall ist, besonders nicht bei "das müssen alle machen"-Sofortangeboten.
Ich kann mir aber vorstellen, dass bei "Sofortangeboten" öfter, so wie in meinem Fall, die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls fehlt. In meinem JC scheint das gängige Praxis zu sein, weil die Mitarbeiterin mir die Zuweisung mit "das machen wir immer" bzw. "das müssen alle machen" o.ä. begründete und (entgegen dem Text der "Einladung") eben überhaupt nicht mit mir "über meine berufliche Situation" sprechen wollte, sondern mir nur die Maßnahme aufdrücken wollte. Auch der Titel der Maßnahme, "Neukundenberatungs- und Orientierungsseminar" deutet darauf hin, dass diese Neuantragstellern pauschal zugewiesen wird.
Und das ist meiner Meinung nach rechtswidrig.
Es ging um eine "Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung gemäß §16 Abs. 1 SGB II i.V.m. §45 SGB III". Dazu gab es eine Rechtsfolgenbelehrung, in der stand, dass die Zuweisung auf der Grundlage von §15a SGB II ("Sofortangebot") erfolgte und bei Weigerung eine 30-Prozent-Sanktion drohte. (Dabei war unter anderem merkwürdig, dass ich zu dem Zeitpunkt schon einen Bewilligungsbescheid hatte, "Sofortangebote" aber eigentlich schon direkt bei der Beantragung gemacht werden sollen.)
Wie ich in meinem Erstgespräch ca. 2 Wochen vorher schon gesagt hatte, habe ich in ein paar Monaten eine Stelle in Aussicht und verdiene auch während des Leistungsbezugs ein paar hundert Euro auf freiberuflicher Basis dazu. Deswegen versuchte ich im Gespräch, den Sinn dieser Maßnahme in Frage zu stellen. Ich verfolgte ja bereits eine klare und mit sehr hohen Erfolgsaussichten verbundene "Eingliederungsstrategie", und außerdem hätten die 40 Stunden der "Maßnahme" mich von meiner Arbeit abgehalten und für den betreffenden Monat mein Einkommen gesenkt. Der Sachbearbeiterin war das alles egal, es war nichts zu machen.
Ich ging nicht zu der Maßnahme hin und schrieb dem JC einen Brief, in dem ich ausführlich meine berufliche Situation darstellte, die sie dort ja nicht interessiert hatte, und begründete, warum mir die Maßnahme unter diesen Voraussetzungen nicht als sinnvoll erscheint.
Für rechtlich relevant hielt und halte ich dabei folgendes:
In den fachlichen Hinweisen der Arbeitsagentur zum § 15a SGB II heißt es in Abschnitt 2.3.1. Absatz (2): "Das Sofortangebot soll ‚unverzüglich‘ und sachgerecht ergehen", und in Absatz (3): "Die sachgerechte Auswahl eines passenden Leistungsangebotes lässt sich nur erreichen, wenn schon frühzeitig ein stärken- und potentialorientiertes Profiling durchgeführt wird. Erst durch ein qualifiziertes Erstgespräch i.S.d. 4-Phasen-Modells bei einer Integrationsfachkraft ist ein auf den Einzelfall angepasstes Sofortangebot möglich."
In meinem Fall war nichts dergleichen geschehen.
Laut denselben fachlichen Hinweisen zum § 15a SGB II ist in dessen Anwendung auch der § 3 SGB II zu beachten. Der verlangt, dass bei einer Maßnahmenzuweisung die Eignung, die individuelle Lebenssituation, die voraussichtliche Dauer der Hilfebedürftigkeit und die Dauerhaftigkeit der Eingliederung berücksichtigt werden müssen.
Und in den fachlichen Hinweisen zu § 16 führt die Arbeitsagentur aus: "Die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit erfordern eine Prognoseentscheidung, die unter Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls vorzunehmen ist. Es muss zu erwarten sein, dass die Eingliederungsleistungen die Chancen zur Eingliederung in Arbeit zumindest erhöhen".
All das kann ein/e SB nur behaupten, wenn er/sie sich mit dem Fall auseinandergesetzt hat.
Wie aus dem § 15a SGB II hervorgeht, handelt es sich um eine Soll-Norm, d.h. es soll, aber muss kein Sofortangebot zugewiesen werden. Über die Zuweisung ist nach Ermessen zu entscheiden. Nach Ermessen heißt aber eben nicht nach Belieben. In den fachlichen Hinweisen zu § 16 heißt es, "Das Ermessen ist fehlerfrei auszuüben" (Abschnitt 2.2.2), und zählt drei verschiedene "Ermessensfehler" auf, darunter auch den
Ermessensnichtgebrauch (= Ermessensunterschreitung bzw. -ausfall; z.B. wenn das Jobcenter bei einer Ermessensleistung kein Ermessen ausübt; auch bei einer Ablehnung muss das ausgeübte Ermessen nachvollzogen werden können)
Das beruht auf § 39 SGB I, wo es eindeutig heißt: "Auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens besteht ein Anspruch."
Wie gesagt, ich frage mich, wie es bei so einer Pauschalmaßnahme überhaupt möglich sein soll, diese ganzen Anforderungen der Anpassung einer Maßnahme an den Einzelfall zu erfüllen. Wenn eine SB sich mit dem individuellen Antragsteller nicht beschäftigt hat und höchstwahrscheinlich den Inhalt der Maßnahme auch nur oberflächlich kennt (da sie ja selbst nur vage, oberflächliche Informationen darüber hat), dürfte das regelmäßig nicht der Fall sein.
Naja, es kam dann (ohne Anhörung) ein Sanktionsbescheid über 30 Prozent. Darin sind sie mit drei Zeilen auf mein Schreiben eingegangen und haben witzigerweise behauptet, meine Argumente, dass meine Teilnahme an der Maßnahme meine Hilfebedürftigkeit in diesem Zeitraum erhöhen und meine Eigenbemühungen um berufliche Eingliederung erschweren würde, müssten als "persönliche Einzelinteressen" den "Interessen der Allgemeinheit" untergeordnet werden. Das wurde nicht weiter begründet oder erklärt. Es würde ja so einige Fragen aufwerfen, wenn meine Bemühung rund um Erwerbstätigkeit plötzlich nur mein "persönliches Einzelinteresse" sind, das nicht dem entspricht, was das Jobcenter als Vertreter der Allgemeinheit von mir will. Was will es denn dann von mir? Was hat die Allgemeinheit davon, wenn das JC öffentliches Geld dafür rauswirft, mich 40 Stunden in eine Beschäftigungstherapie zu setzen, und mir dann auch noch mehr zahlen muss, weil ich in der Zeit nicht arbeiten konnte?
Na ja, als Gewerkschaftsmitglied musste ich dann zum DGB Rechtsschutz, weil im Antrag auf Prozesskostenhilfe beim Sozialgericht abgefragt wurde, ob man solche Möglichkeiten hat, die man ggf. zuerst ausschöpfen soll. Aber entgegen einigen Berichten hier muss ich sagen, dass mir der DGB Rechtsschutz super geholfen hat. Der Kollege hat mich sofort angerufen, als meine Post mit den ganzen Unterlagen dort ankam, einen Termin für den nächsten Tag gemacht und dann gleich zwei Widersprüche ans JC geschickt - einen gegen die Sanktion und einen vorsorglich gegen die Maßnahmenzuweisung selbst. Gleichzeitig einen Antrag ans Sozialgericht, per einstweiliger Anordnung die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen. Zwei Wochen später erhielt ich vom DGB die Mitteilung, dass das JC darauf verzichtet hat, dem Sozialgericht den Vorgang zu übersenden, und dem Widerspruch in vollem Umfang entsprochen hat. Die Nachzahlung des gekürzten Betrags kam ein paar Tage später.
Der Rechtsschutzsekretär beim DGB hat mir übrigens zugestimmt, dass der Ermessensausfall das stärkste Argument war. Ich hatte vorher mit einem anderen Anwalt gesprochen, der wohl eher in die Richtung argumentiert hätte, dass eine Erwerbstätigkeit vorgeht. Aber das wollte ich nicht so gern. Es hätte natürlich gestimmt, dass ich in der Zeit nicht hätte arbeiten können, aber mich hat eher aufgeregt, dass ich 40 Stunden mit völligem Schwachsinn verbringen sollte. Für eine interessante Fortbildung hätte ich mir die Zeit schon nehmen können, ich lerne ja im Allgemeinen nicht ungern. Aber nicht für solchen Schwachsinn.
Ich hoffe, es hilft mal jemandem. Ich glaube eher nicht, dass eine ordentliche Ermessensausübung der Normalfall ist, besonders nicht bei "das müssen alle machen"-Sofortangeboten.