SG Mainz: Angemessenheitsregelungen der Kosten der Unterkunft (KdU) verfassungswidrig

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„Zu den Kosten der Unterkunft bei Hartz IV und der Grundsicherung im Alter hat das Sozialgericht Mainz ein bemerkenswertes Urteil gefällt. Nach Auffassung der Mainzer Richter ist der sogenannte Angemessenheitsbegriff zu den Kosten der Unterkunft (KdU) nach § 22 Absatz 1 S 1 SGB II und die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum "schlüssigen Konzept" nicht mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Artikel 20 Absatz 1 Grundgesetzes vereinbar.

In seiner Urteilsbegründung (AZ: S 17 AS 1452/09) kommt das Sozialgericht zu dem Ergebnis, dass die Kosten der Unterkunft im SGB II und SGB XII „die nicht evident unangemessen hoch sind, stets als angemessen anzusehen sind“. Das Gericht hat damit in einer richtungsweisenden Entscheidung geprüft, ob § 22 Abs. 1 SGB II – hier die Beschränkung der Leistungen für die Unterkunft auf das "angemessene" Maß – den Anforderungen genügt, die das Bundesverfassungsgericht im sog. "Hartz-IV-Urteil" vom 9. Febr. 2010 (1 BvL 1/09) formuliert hat. Das Ergebnis war eindeutig: „§ 22 Abs. 1 SGB II genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Anspruch auf wirtschaftliche Grundsicherung nicht. Deshalb sind Kosten der Unterkunft, die nicht evident unangemessen hoch sind, stets als angemessen anzusehen.“

Quelle: Hartz IV und Grundsicherung im Alter


Auszüge von N.H.


Entscheidungsgründe II

3.

„ ... Nach Überzeugung der Kammer sind die Kosten der Unterkunft auf Grund des Angemessenheitsvorbehalts jedoch nur dann nicht in tatsächlicher Höhe zu übernehmen, wenn die Kosten deutlich über den üblichen Unterkunftskosten für der Größe und Struktur nach vergleichbare Haushalte im geografischen Vergleichsraum liegen. Die Kammer weicht hiermit von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ab, ...“

5.

„ ... Für eine Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums durch am einfachen Wohnstandard orientierte Mietobergrenzen fehlt es an einer den prozeduralen Anforderungen des BVerfG genügenden und hinreichend bestimmten parlamentsgesetzlichen Grundlage. Die Kammer konkretisiert den Angemessenheitsbegriff deshalb nach Maßgabe des Grundsatzes der verfassungskonformen Auslegung in der Weise, dass unangemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II lediglich Kosten der Unterkunft sind, die deutlich über den üblichen Unterkunftskosten für der Größe und Struktur nach vergleichbarer Haushalte im geografischen Vergleichsraum liegen. ...“

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Das vollständige Urteil steht hier als pdf (41 Seiten, 320 kb):

ftp://w009d228:UEzJi73WH2NmyxJHedyj@juergen-jht.de/inhalte-al/1343035396_E120264.pdf


Aktenzeichen: S I7AS 1452/09
Verkündet am: 8.6.2012

Justizbeschaftigte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

SOZIALGERICHT MAINZ
IM NAMEN DES VOLKES – URTEIL

In dem Rechtsstreit
- Kläger -
gegen
Jobcenter Worms, Schänauer Stra1e 2, 67547 Worms
- Beklagter -
Beigeladen:
Stadt Worms, Stadtverwaltung, Dezernat 02 - Fachbereich 05 - Soziales, Jugend und Wohnen, vertreten durch den Oberburgermeister der Stadt Worms, Marktplatz 2, 67547 Worms
hat die 17. Kammer des Sozialgerichts Mainz auf die mündliche Verhandlung vom 8. Juni 2012 durch
den Richter Baar
sowie die ehrenamtlichen Richter Herr Jager und Herr Reez für Recht erkannt:

1. Der Beklagte wird unter Abanderung des Bescheids vom 30.7.2009 in der Fassung der Anderungsbescheide vom 8.9.2009 und vom 7.1.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.11.2009 verurteilt, den Klägern Leistungen für Unterkunft und Heizung in Hähe von weiteren 65,93 € monatlich für den Zeitraum vom 1.9.2009 bis zum 28.2.2010 zu zahlen.
2. Im Ubrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Der Beklagte erstattet den Klägern 2/3 der notwendigen au1ergerichtlichen Kosten.
4. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Hähe der von dem Beklagten zu gewahrenden Leistungen für Unterkunft und Heizung.
Die am 1954 geborene Klägerin und der am 1951 geborene Kläger sind miteinander verheiratet. Sie beziehen seit März 2007 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Beklagten. Im Zuge der Erstantragsstellung legten die Kläger eine Mietbescheinigung des Vermieters vor, nach der sie für ihre 63 qm gro1e Wohnung, welche sie seit dem 1.2.2000 bewohnen, eine Kaltmiete von 358,13 € monatlich zu entrichten haben.
Mit Bescheid vom 13.3.2007 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen nach dem SGB II in Hähe von insgesamt 241,93 € monatlich für den Zeitraum vom 1.3.2007 bis zum 31.8.2007 unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung in Hähe von 465,52 € und unter Anrechnung von Erwerbseinkommen des Klägers.
Mit Schreiben vom 13.3.2007 wies der Beklagte darauf hin, dass für einen Zweipersonenhaushalt eine Kaltmiete in Hähe von 277,20 € als angemessen angesehen werde, forderte die Kläger zur Kostensenkung auf und kündigte eine entsprechende Kürzung für den folgenden Bewilligungszeitraum ab dem 1.9.2007 an. In der Folgezeit wurden den Klägern Leistungen lediglich auf Grundlage der jeweils als angemessen angesehenen Kaltmiete bewilligt.

Mit Bescheid vom 30.7.2009 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.9.2009 bis zum 28.2.2010 in Hähe von insgesamt 1.079,47 €, worm insgesamt 433,47 € an Kosten der Unterkunft und Heizung und jeweils 323 € Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts enthalten waren. Der Beklagte Iegte der Leistungsberechnung an Stelle der tatsächlichen Kaitmiete von 358,13 € den nunmehr als angemessen angesehenen Betrag von 292,20 € zu Grunde. Die Bewilligung erfolgte als Vorschuss unter Berufung auf § 42 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I). Die Klägerin und der Kläger erzielten jeweils em Einkommen von 100 € monatlich aus Erwerbstatigkeit, weiches auf Grund des Freibetrags nach § 11 Abs. 2 S. 2 SGB II a.F. nicht bedarfsmindernd angerechnet wurde.
Gegen den Bewilligungsbescheid Iegten die Kläger mit Schreiben vom 18.8.2009 Widerspruch em und wandten sich u.a. gegen die Hähe der anerkannten Kosten für Unterkunft und Heizung. Zur Begründung trugen sie vor, dass ihre Wohnung mit 62 qm und einer vertraglichen Kaitmiete von 358,13 € weder zu gro1 noch zu teuer sei, und entsprechend der Tabelle 2 des Mietspiegels Worms, weiche eine 2/3-Spannweite von 4,83 € bis 6,61 € pro qm aufweise, angemessen sei. Die Kläger bemängelten weiter, dass unbekannt sei, auf weicher Grundlage der Beklagte die durchschnittlichen Mietpreise des Mietspiegels reduziert habe.
Mit Schreiben vom 26.8.2009 Iegten die Kläger eine neue Mietbescheinigung vom 17.8.2009 vor, nach der weiterhin eine Kaitmiete von 358,13 € zu entrichten sei, zuzüglich 136,87 € Nebenkosten und 55 € Heizkosten, insgesamt 550 €. Die Wohnfläche wurde nunmehr genauer mit 62,51 qm angegeben.
Auf Grund dessen bewilligte der Beklagte mit Anderungsbescheid vom 8.9.2009 Leistungen in Hähe von insgesamt 1.130,07 € monatlich für den Zeitraum vom 1.9.2009 bis zum 28.2.2010. Hierbei berücksichtigte der Beklagte eine als angemessen angesehene Kaitmiete von 292,20 €, die in der Mietbescheinigung angegebenen tatsächlichen Nebenkosten in Hähe von 136,87 € sowie Heizkosten in Hähe von 55 € monatlich. Die Bewilligung erfolgte nicht mehr als Vorschuss nach § 42 Abs. I SGB I.

Mit Widerspruchsbescheid vom 5.11.2009 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begrundung führte er aus, dass Leistungen für die Unterkunft und Heizung gem. § 22 Abs. I S. I SGB II in Hähe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht würden, soweit sie angemessen seien. Ob eine Unterkunft angemessen sei, richte sich nach der Grä1e der Wohnung, der Anzahl der darin wohnenden Personen und der zu zahienden Kaitmiete. Bezüglich der Wohnungsgra1e sei festgelegt, dass bei einem Zweipersonenhaushalt eine Wohnfläche von 60 qm als angemessen gelte. Hinsichtlich der angemessenen Mieten seien die ärtlichen Gegebenheiten und Ma1stäbe zu berücksichtigen. Die Stadt Worms habe aus alien unteren Werten der 213-Spannweite des Mietspiegels für 2008 eine Tabelle entwickelt, nach der sie sich hinsichtlich der Angemessenheit der Unterkunft richte. Nach dieser Tabelle gelte bei einem Quadratmeterpreis von 4,87 € und einer Wohnungsgra1e von 60 qm bei einem Zweipersonenhaushalt eine Kaitmiete von 292,20 € als angemessen. Die unangemessene Kaitmiete von 358,13 € sei bereits vom 1.3.2007 bis zum 31 .8.2007 für sechs Monate gewahrt worden. Die Kläger seien aufgefordert worden, ihre Mietkosten z.B. durch Wohnungswechsel, durch Vermietung oder auf andere Weise zu senken. Die Hähe der bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1.9.2009 bis zum 28.2.1010 von monatlich 484,07 € sei nicht zu beanstanden.
Hiergegen richtet sich die am 25.11.2009 eingegangene Kiage.
Zu Begründung führen die Kläger aus, dass ihre Mietwohnung im Sinne des § 22 Abs. I S. I SGB II angemessen sei. Nach dem Mietspiegel Worms 2008 Tabelle 2 liege der Medianpreis für ihre Wohnung bei 6,11 €. Die Kaitmiete in Hähe von 5,96 € pro Quadratmeter (358,13 € : 60 qm) liege im unteren Bereich des Mietspiegels. In dem angefochtenen Bescheid werde nur eine Kaitmiete von 292,20 € berücksichtigt. Hieraus folge eine Regelleistungskürzung von monatlich 65,93 €. Die von dem Beklagten verwendete Tabelle sei den Klägern unbekannt. Die Kläger hätten Warmwasser in Hähe von monatlich 41,50 € beantragt. In den Bescheiden sei kein Warmwasser bewilligt worden. Hieraus folge eine Regelleistungskürzung in Hähe von monatlich 41,50 €.

Die Kläger beantragen sinngema1,
den Beklagten unter Anderung des Bescheids vom 30.7.2009 in der Fassung der Anderungsbescheide vom 8.9.2009 und vom 7.1.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.11.2009 zu verurteilen, den Klägern Kosten der Unterkunft und Heizung in Hähe von weiteren 107,43 € monatlich für den Zeitraum vom 1.9.2009 bis zum 28.2.2010 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er zunächst auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid und tragt erganzend vor, dass Kosten für Warmwasser in der Regelleistung erhalten seien und deshalb nicht separat übernommen würden. Zur Berechnung der angemessenen Kaltmiete führt der Beklagte aus, dass die durch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG ) entwickelten Grundsätze zum Sozialhilferecht heranzuziehen seien. Die Orientierung an einem Niveau unterhalb des Durchschnitts halte sich im Rahmen des Vertretbaren, soweit der Hilfebedürftige mit denjenigen finanziellen Mitteln ausgestattet werde, die er zu einer bescheidenen, am Lebensstandard wirtschaftlich schwächerer Bevalkerungskreise orientierten Lebensführung benatige. Bei der Beurtei lung der Angemessenheit des Mietzinses je Quadratmeter sei nicht auf den jeweiligen ärtlichen Durchschnitt aller gezahlten Mietpreise, sondern auf die Betrage abzustellen, die im unteren Bereich des Wohnungsmarkts für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Leistungsempfangers marktüblich seien. In Betracht kämen auch Wohnungen mit zumindest mittlerer Qualität im unteren Bereich bzw. mittlerer Wohnlage bei einfacher Ausstattung. Ma1geblich sei die Spannbreite vereinbarter Mieten für einfache Wohnungen älterer Bauart, jedoch nicht die unterste Grenze, d.h. nicht der Mindestbetrag, zu dem noch Wohnraum vermietet

werde. Die angemessenen Kosten für die Unterkunft (Nettokaitmiete) würden nach der aus dem Mietspiegel der Stadt Worms entwickelten Tabelle ermittelt.
Auf Aufforderung des Gerichts machte der Beklagte genauere Angaben über sein von der Beigeladenen übernommenes Konzept zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenzen und Iegte den Mietspiegel 2008 der Stadt Worms vor.
Das Konzept der Bestimmung der Angemessenheitsgrenze der Stadt Worms war demnach im streitgegenständlichen Zeitraum wie folgt gestaltet:
Zu Grunde gelegt wird der Mietspiegel Worms von 2008, der eine Fortschreibung des Mietspiegels von 2006 darstellt. Dieser ist em qualifizierter Mietspiegel im Sinne des § 558d Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Es wird nur die Nettokaitmiete abgebildet. Der Mietspiegel enthält zwei Tabellen. Tabelle I bildet Wohnungen "mittlerer Ausstattung" (mit Bad oder Sammeiheizung) über alle Baujahre ab, Tabelle 2 Wohnungen mit "guter Ausstattung" (mit Bad und Sammeiheizung) gestaffelt in fünf Bauperioden (vor 1949, 1949 bis 1965, 1966 bis 1977, 1978 bis 1989 und ab 1990). Weiter differenziert der Mietspiegel nach vier Wohnungsgra1enkategorien (bis 50 qm, über 50 bis 70 qm, über 70 bis 90 qm und über 90 qm). An Quadratmetermietpreisen ausgewiesen wurden jeweils der Median und die unteren und oberen Werte der 2/3-Spannweite.
Die beigeladene Stadt Worms hat aus der Tabelle 2 (Wohnungen mit Bad und Sammeiheizung) differenziert nach Wohnungsgra1en die jeweiligen unteren Spannenwerte herangezogen und aus diesen Werten aus den fünf Baualtersklassen das arithmetische Mittel gebildet. Der hieraus gewonnene Wed stelit die durch den Beklagten verwendete Angemessenheitsgrenze dar. Bezogen auf Zweipersonenhaushalte (Wohnungsgra1e 60 qm; Mietspiegel kategorie über 50 bis 70 qm) ergibt dies einen Quadratmetermietpreis von 4,87 €. Multipliziert mit der als angemessen angesehenen Wohnungsgra1e von 60 qm ergibt sich nach Ma1gabe der so genannten Produkttheorie eine angemessene Nettokaitmiete von 292,20 €.

Die Kläger Iegten zwischenzeitlich eine neue Mietbescheinigung vom 8.12.2009 vor, nach der die Neben- und Heizkosten Ieicht gesunken waren. Mit Anderungsbescheid vom 7.1.2010 berucksichtigte der Beklagte die neuen Angaben und bewilligte Leistungen unter Berucksichtigung von Kosten der Unterkunft und Heizung in Hähe von 459,36 € für den Zeitraum vom 1.2.2010 bis zum 28.2.2010. Von der tatsächlichen Kaitmiete von 358,13 € wurde weiterhin em
Betrag in Hähe von lediglich 292,20 € berücksichtigt.
Mit Bescheid vom 10.6.2011 bewilligte der Beklagte den Klägern eine Nebenkostennachzahlung in Hähe von 70,19 € für das Jahr 2009.
Em erster Termin zur mündlichen Verhandlung fand am 23.8.2011 stall. Der Rechtsstreit wurde vertagt. AnschIie1end erfolgte die Beiladung der Stadt Worms nach § 75 Abs. I S. I Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Nach Anforderung durch das Gericht Iegte die Beigeladene die Dokumentation und Auswertung zum Mietspiegel 2006 vor. Die dem Mietspiegel zu Grunde liegenden Daten wurden demnach im November und Dezember 2006 erhoben. Hierzu wurden 1080 Interviews geführt. Die Daten wurden durch Mitarbeiter der Stadt Worms erhoben und durch das Institut für Wirtschaftsgeographie der Universität Mannhei m ausgewertet. In die Mietspiegelberechnung flossen Daten aus 1067 Haushalten em. Hiervon besa1en 111 eine "mittlere Ausstattung" mit Bad oder Sammeiheizung und 956 eine "gute Ausstattung" mit Bad und Sammeiheizung. Wohnungen mit "einfacher Ausstattung" (weder Bad noch Sammeiheizung) wurden auf Grund der geringen Stichprobengra1e nicht berücksichtigt. Nach Auswertung der Erhebungsbagen wurde zwischen den einzelnen Ortsteilen kein M ietpreisunterschied festgestellt. Eine U nterscheidung nach Wohnlage wurde daher nicht getroffen.
Auf Nachfrage des Gerichts teilte die Beigeladene mit, dass
- es zum 31.12.2009 in Worms 38.989 Wohnungen gegeben habe, - die Stadt Worms im Jahr 2009 81.784 Einwohner gehabt habe,
- im Jahr 2009 130 Haushalte Sozialhilfe nach dem SGB XII bezogen hätten,

- im Jahr 2009 861 Haushalte Grundsicherung nach dem SGB XII erhalten hätten,
- im Jahr 2009 177 Antragsteller Leistungen nach dem BAföG erhalten hätten,
- im Jahr 2009 1.378 Haushalte Leistungen nach dem W0GG bezogen hätten,
- im Jahr 2009 102 Haushalte Leistungen nach dem AsyIbLG bezogen hätten,
- im Jahr 2006 2.238 gefarderte Wohnungen vorhanden gewesen seien, weiche nicht in den Mietspiegel 2006 eingeflossen seien.
Die Mietpreise der gefarderten Wohnungen seien der Beigeladenen nicht bekannt.
Die Beigeladene tragt darüber hinaus vor, dass im Hinblick auf die Wohnungsgra1e das Rundschreiben des rhei nland-pfälzischen Mi nisteriums der Finanzen vom 8.2.2007 zum Volizug der Bindung gefarderter Wohnungen nach § 10 Abs. I Nr. I W0FG herangezogen werde. Zur Berechnung der angemessenen Hähe sei auf den Durchschnitt aus den unteren Werten der 2/3-Spannweite zuruckgegriffen worden. Somit sei nicht der jeweils geringste noch magliche Mietzins zu Grunde gelegt worden, da eine Reihe von Wohnungen auch zu noch niedrigeren Kaitmieten angeboten würden. Für die Berechnung seien nur Wohnungen mit guter Ausstattung, also mit Bad und Sammelheizung herangezogen worden. Dies basiere auf der Rechtsprechung in Rheinland-Pfalz, im Bund und in anderen Bundesländern, wonach bei der Beurteilung der Angemessenheit des Mietzinses die Verhältnisse des ärtlichen Wohnungsmarktes zu Grunde zu legen seien, wobei gerade nicht auf den Durchschnitt aller am Wohnort gezahlter Mietpreise abzustellen sei, sondern auf die im unteren Bereich für vergleichbare Wohnungen ortsüblichen Durchschnittsmieten, da Aufwendungen für eine Wohnung nur dann als angemessen anzusehen seien, wenn diese nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprächen und kei nen gehobenen Wohnstandard

aufwiesen. Anhand einer Wohnungsdatei werde von der Beigeladenen regeIma1ig überprüft, ob Wohnungen in diesem Preissegment tatsächlich zur Verfugung stehen. Hierzu würden Marktbeobachtungen durch Auswertung privater Vermieter in den Publikationen "Wormser Zeitung" und "Nibelungenkurier" durchgefuhrt. Unberucksichtigt blieben hier Angebote von Makiern, Anbietern und Unternehmen, weiche nicht in diesen Zeitungen veräffentlichen sowie Sozialwohnungen. Die Wohnungsbau GmbH Worms verfuge als Tochtergesellschaft der Stadt Worms über soiche Wohnungen, weiche insbesondere für einkommensschwache und sozial benachteiligte Gruppen gedacht seien.
Der Beklagte teilte auf Frage des Gerichts mit, dass es nicht maglich sei, für die Jahre 2009 und 2010 zu klären, in wie vielen Fallen eine oberhaib der Angemessenheitsgrenze liegende M iete durch Leistungsberechtigte selbst getragen werden musste. Zum Statistiktag 14.10.2011 hätten 3.688 Bedarfsgemeinschaften Kosten der Unterkunft und Heizung erhalten. In 1.136 Fallen (30,8 %) habe die tatsächliche Miete über der anerkannten Miete gelegen.
Nach den durch den Beklagten vorgelegten Statistiken der Bundesagentur für Arbeit betrug die Anzahl der Bedarfsgemeinschaften im Rechtskreis SGB II in der Stadt Worms im streitgegenstandlichen Zeitraum zwischen 4.007 (September 2009) und 4.222 (Februar 2010).
Eine zwischenzeitlich erhobene Untatigkeitsbeschwerde der Klager sowie Beschwerde gegen die Beiladung der Stadt Worms wurde durch das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz (Beschl. v. 30.1.2012 - L 6 AS 663/11 B) als unzulassig verworfen.
Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgange des Beklagten verwiesen. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung, Beratung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgrunde
I.
Obwohl die Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung am 8.6.2012 nicht erschienen sind, konnte die Kammer verhandein und entscheiden, da die Kläger mit der Terminsladung auf diese Maglichkeit hingewiesen worden sind. Die Kammer hat die ordnungsgema1e Ladung im Termin zur mündlichen Verhandlung festgestellt; auf das Protokoll wird Bezug genommen. Die ursprungliche Anordnung des persänhichen Erscheinens der Klägerin wurde durch Beschluss der Kammer in der mündlichen Verhandlung aufgehoben.
Die Kiage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gem. § 54 Abs. I S. I Alt. I i.V.m. Abs. 4 SGG statthaft und auch im Ubrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben. Die Kläger haben den Streitgegenstand erkennbar und zulässigerweise auf die Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. I S. I SGB II beschränkt. Bei der Bewilligung von Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. I S. I SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung handelt es sich um eine abtrennbare Verfugung (BSG Urt. v. 27.2.2008 - B 14/lib AS 15/07 R - Rn. 17; alle Entscheidungen der Bundesgerichte zitiert nach furls). Soweit durch die Kläger eine "Regelleistungskurzung" gerugt wird, kommt hiermit lediglich der Effekt der Nichtberucksichtigung der vollen tatsächlichen Kosten der Unterkunft zum Ausdruck. Die Hähe der Regelleistung an sich wird nicht angegriffen.
Die Klage richtet sich gegen den Bewilligungsbescheid vom 30.7.2009 in der Fassung des Anderungsbescheids vom 8.9.2009, welcher gem. § 86 SGG Gegenstand des Vorverfahrens geworden ist, in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.11.2009 in der Fassung des Anderungsbescheids vom 7.1.2010, welcher wiederum gem. § 96 Abs. I SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist. Der Bescheid vom 10.6.2011 ist nicht gem. § 96 Abs I SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden, weil die hierdurch bewilligte Nachzahlung für Heiz- und Betriebskosten für das Jahr 2009 als

gegenwartiger Unterkunftsbedarf zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Nachforderung zu betrachten ist (BSG Urt. v. 22.3.2010 - B 4 AS 62/09 R - Rn. 13).
II.
1. Die Kiage ist teilweise begrundet. Die Kläger haben einen Anspruch auf Ubernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft, so dass die vertraglich geschuldete Kaitmiete von 358,13 € zu berucksichtigen ist. Der angefochtene Bescheid vom 30.7.2009 in der Fassung der Anderungsbescheide vom 8.9.2009 und vom 7.1.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.11.2009 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit bei der Leistungsbewilligung die Kaltmiete lediglich in Hähe von 292,20 € berucksichtigt wird. Die Klage ist unbegrundet, soweit die Kläger darüber hinaus die Berucksichtigung von Kosten für Warmwasserbereitung als Kosten der Unterkunft begehren.
2. Die Kläger haben im streitigen Zeitraum dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 19 SGB II a.F.. Hiernach erhalten erwerbsfahige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschlie1lich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung, wobei das zu berücksichtigende Einkommen und Vermagen die Geldleistungen minded. Die Kläger sind erwerbsfahige Hilfebedürftige in diesem Sinne, weil sie ihren gewahnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben ( 7 Abs. I S. I Nr. 4 SGB II), zwischen 15 und 65 Jahre alt sind ( 7 Abs. I S. I Nr. 1 SGB II) und Erwerbsfahigkeit vorliegt
( 7 Abs. I S. I Nr. 2 SGB II), d.h. es ist mangels entgegenstehender Anhaltspunkte davon auszugehen, dass sie nicht wegen Krankheit oder Behinderung au1erstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstatig zu sein
( 8 Abs. 1 SGB II). Die Kläger sind auch hilfebedürftig im Sinne des § 7 Abs. I S. I Nr. 3 SGB II, was gema1 § 9 Abs. 1 SGB II der Fall ist, wenn jemand semen eigenen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in

einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mittein, insbesondere aus dem zu berucksichtigenden Einkommen und Vermagen ( 9 Abs. I Nr. 2 SGB II), sichern kann und die natige Hilfe auch nicht von anderen erhält. Dies triffi vorliegend zu, weil dem Bedarf der Kläger zum Lebensunterhalt im streitigen Zeitraum nur em Erwerbseinkommen in Hähe von monatlich je 100 € gegenubersteht, weiches gema1 der Pauschalabsetzungsregelung nach § 11 Abs. 2 S. 2 SGB II a.F. nicht anzurechnen ist.
3. Leistungen für Unterkunft und Heizung werden gem. § 22 Abs. I S. I SGB II in Hähe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Erfasst sind alle Zahlungsverpflichtungen, die sich aus dem Mietvertrag für die Unterkunft ergeben (BSG Urt. v. 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R - Rn. 15). Hierzu gehart insbesondere die durch die Kläger geschuldete Nettokaitmiete in Hähe von 358,13 €.
Der Anspruch auf Leistungen für Kosten der Unterkunft und Kosten für Heizung (Ietztere wurden durch den Beklagten in tatsächlicher Hähe der Vorauszahlungen berücksichtigt) besteht gem. § 22 Abs. I 5. 1 SGB II nur, soweit die Kosten angemessen sind. Der Leistungsbemessung sind daher nicht in jedem Fall die tatsächlichen Aufwendungen zu Grunde zu legen. Nach Uberzeugung der Kammer sind die Kosten der Unterkunft auf Grund des Angemessenheitsvorbehalts jedoch nur dann nicht in tatsächlicher Hähe zu übernehmen, wenn die Kosten deutlich über den üblichen Unterkunftskosten für der Grä1e und Struktur nach vergleichbare Haushalte im geografischen Vergleichsraum liegen. Die Kammer weicht hiermit von der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts (BSG) ab, weiches zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze das Produkt aus (angemessener) Wohnfläche und (angemessenem) Quadratmetermietpreis heranzieht, zur Bestimmung der angemessenen Wohnfläche (wenn auch unter Vorbehalt, vgl. BSG Urt. v. 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R) auf Iandesrechtliche Vorschriften zur Wohnraumfarderung zurückgreift und zur Bestimmung des angemessenen

Quadratmetermietpreises die Orientierung an nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen im Rahmen eines ,,schlussigen Konzepts" verlangt (grundlegend BSG Urt. v. 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R; erstmals zum "schlussigen Konzept" BSG Urt. v. 18.6.2008 - B 14/lib AS 44/06 R). Die Kammer weicht auch von bisherigen, den Beklagten betreffenden Entscheidungen des Sozialgerichts Mainz (u.a. Beschl. v. 15.9.2009 - 5 4 AS 905/09 ER und Beschl. v. 4.5.2010 - 5 8 AS 487/10 ER ) und des LSG Rheinland-Pfalz (Beschl. v. 5.4.2011 - L 3 AS 94/11 B) ab.
4. a) Das BSG hat den Begriff der "Angemessenheit" im vorliegenden Zusammenhang in zahireichen Entscheidungen konkretisiert (u.a. BSG Urt. v. 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R; BSG Urt. v. 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R; BSG Urt. v. 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R; BSG Urt. v. 18.6.2008 - B 14/lib AS 44/06 R; BSG Urt. v. 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R; BSG Urt. v. 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R; BSG Urt. v. 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R; BSG Urt. v. 22.9.2009 - B 4 AS 70/08 R; BSG Urt. v. 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R; BSG Urt. v. 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R; BSG Urt. v. 18.2.2010 - B 14 AS 74/08 R; BSG Urt. v. 18.2.2010 - B 14 AS 73/08 R; BSG Urt. v. 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R; BSG Urt. v. 19.10.2010 - B 14 AS 15/09 R; BSG Urt. v. 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R; BSG Urt. v. 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R). Es geht in semen Entscheidungen zunächst davon aus, der Begriff der "Angemessenheit" unterliege als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschrankten richterlichen Kontrolle. Em Beurteilungsspielraum wird dem Leistungstrager nicht zugebilligt (BSG Urt. v. 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R). Der Begriff der Angemessenheit soil nach dem BSG in einem mehrstufigen Verfahren weiter konkretisiert werden, wonach in einem ersten Schritt eine abstrakt angemessene Wohnungsgra1e und em angemessener Wohnungsstandard festzustellen sei, in einem zweiten Schritt em räumlicher Vergleichsma1stab zu bilden sei, in einem weiteren Schritt mit Hilfe eines "schlussigen Konzepts" des Leistungstragers die Hähe der Kosten für eine angemessene Wohnung auf dem für den Hilfebedürftigen ma1geblichen Wohnungsmarkt zu ermittein sei und abschlie1end zu prüfen sei, ob eine abstrakt angemessene Wohnung durch den Hilfesuchenden konkret hätte angemietet werden kännen (BSG Urt. v. 20.8.2009 -

B 14 AS 41/08 R). Im Streitfall sei das der Bestimmung der Kosten zu Grunde liegende Konzept von den Gerichten in vollem Umfang zu überprüfen und ggf. em soiches Konzept durch eigene Ermittlungen zu erganzen (BSG Urt. v. 19.10.2010 - B 14A52/10 R).
b) Das BSG bestimmt die angemessene Wohnungsgra1e typisierend (mit der Maglichkeit von Ausnahmen) anhand der jeweiligen Ausfuhrungsbestimmungen über die Farderung des sozialen Mietwohnungsbaus, weiche die Lander auf Grund des § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumfarderung (W0FG) festgesetzt haben (BSG Urt. v. 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R; sehr kritisch jedoch BSG Urt. v. 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R und BSG Urt. v. 22.9.2009 - B 4 AS 70/08R). Nach § 10 W0FG kännen die Lander im gefarderten Wohnungsbau Grenzen für Wohnungsgra1en festlegen, bis zu denen eine Farderung in Betracht kommt. Dabei muss die Grä1e der zu färdernden Wohnung gem. § 10 Abs. I Nr. I W0FG entsprechend ihrer Zweckbestimmung angemessen sein. Die nach den jeweiligen Verwaltungsvorschriften angemessene Wohnungsgra1e richtet sich nach der Anzahl der im Haushalt lebenden Mitglieder der Bedarfsgemei nschaft.
In Rheinland-Pfalz sind nach dem Rundschreiben des Ministeriums der Finanzen vom 9.2.2007 zum Volizug der Bindungen gefarderter Wohnungen (Az.: 490-04/1-1-4511) für Zweipersonenhaushalte Wohnungen mit einer Wohnfläche von bis zu 60 qm farderungswürdig (LSG Rheinland-Pfalz Urt. v. 21.4.2009 - L 3 AS 80/07; Boerner in Läns/Herold-Tews SGB II § 22 Rn.25, 3. Aufi. 2011).
b) Als ma1gebIicher Vergleichsraum ist nach dem BSG im Grundsatz vom Wohnort des Leistungsberechtigten auszugehen (BSG Urt. v. 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R -Rn. 20), im vorliegenden Fall mithin vom Stadtgebiet der Beigeladenen.
c) Der angemessene Wohnungsstandard wird durch das BSG dahingehend weiter konkretisiert, dass lediglich em einfacher und im unteren Marktsegment liegender Ausstattungsgrad der Wohnung vorliegen soil (BSG Urt. v. 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R) bzw. dass die Aufwendungen für die Wohnung nur dann angemessen seien, wenn diese nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und

grundlegenden Bedürfnissen genuge und keinen gehobenen Wohnstandard aufweise und es sich urn eine Wohnung rnit bescheidenern Zuschnitt handle (BSG Urt. v. 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R). Diese an sich qualitativen Voraussetzungen werden vorn BSG durch die Annahrne quantifizierend näher bestirnrnt, dass sich der Wohnstandard irn Quadratrneterrnietpreis niederschlagen soil, welcher gerneinsarn rnit der angernessenen Wohnungsgra1e einen der beiden Faktoren für die abstrakte Angernessenheitsgrenze bilde (BSG Urt. v. 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R). Die "Errnittlung" des angernessenen Quadratrneterrnietpreises ist der eigentliche Gegenstand der Rechtsprechung zurn "schlüssigen Konzept" (vgl. BSG Urt. v. 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R). Hierdurch soil unter Berücksichtigung der ärtlichen Verhältnisse em gleichrna1iges Verwaltungshandeln innerhalb eines Vergleichsraurns gewährleistet werden (BSG Urt. v. 18.6.2008 - B 14/lib AS 44/06 R).
Für die konkrete Bestirnrnung der Angernessenheitsgrenze seien auf Grundlage eines "schlüssigen Konzepts" Daten über den ärtlichen Wohnungsrnarkt zu erheben. Em qualifizierter Mietspiegel känne hierfür die Grundlage sein. Hierbei stellt das BSG zahlreiche qualitative Anforderungen und verlangt "Angaben über die gezogenen Schlüsse" (vgl. Berlit in LPK-SGB II § 22 Rn. 55, 4. AufI. 2011; Boerner in Läns/Herold-Tews SGB II Rn. 34, 3. AufI. 2011). Unter dern "schlüssigen Konzept" versteht das BSG em planrna1iges Vorgehen des Grundsicherungstragers irn Sinne der systernatischen Errnittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für särntliche Anwendungsfalle irn rna1geblichen Vergleichsraurn und nicht nur em punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall (BSG Urt. v. 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R). Zur Bestirnrnung des rna1geblichen Vergleichsraurns sei grundsätzlich vorn Wohnort des Leistungsberechtigten auszugehen (BSG Urt. v. 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R). Schlüssig sei das Konzept, wenn es rnindestens die folgenden Voraussetzungen erfülle (BSG Urt. v. 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R):
- Die Datenerhebung darf ausschlie1lich in dern genau eingegrenzten und rnuss über den gesarnten Vergleichsraurn erfolgen (keine Ghettobildung),

- es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z.B. weiche Art von Wohnungen - Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete <Vergleichbarkeit>, Differenzierung nach Wohnungsgra1e,
- Angaben über den Beobachtungszeitraum,
- Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel),
- Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,
- Validität der Datenerhebung,
- Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und
- Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze).
Die Verwaltung sei mangels normativer Vorgaben durch den Gesetz- und Verordnungsgeber nicht auf eine bestimmte Vorgehensweise festgelegt (BSG Urt. v. 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R). Em schlussiges Konzept, weiches vorrangig der Grundsicherungstrager vorzulegen habe, müsse bereits im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung vorliegen (BSG Urt. v. 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R, Rn. 21). Ausgangsdaten seien allerdings zu korrigieren, soweit sich in Verwaltungs- und Gerichtsverfahren herausstelle, dass es zu nicht vorhersehbaren Preissprungen gekommen sei (BSG Urt. v. 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R).
d) Das Produkt aus angemessenem Quadratmetermietpreis und angemessener Wohnungsgra1e ergibt nach der Rechtsprechung des BSG die für die Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten ma1gebIiche M ietobergrenze.
e) Das BSG hat sich mit der grundsätzlichen Ausrichtung des Angemessenheitsbegriffs auf einfache, grundlegende, i m unteren Marktsegment liegende Wohnstandards zunächst ausdrücklich auf die frühere Rechtsprechung des BVerwG zum § 12 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) bezogen (BSG Urt. v.

7.11.2006 - Az. B 7b AS 18/06 R), im Ubrigen aber keine weitergehende Begrundung hierfür gegeben. In späteren Entscheidungen wurde deutlicher herausgearbeitet, dass die Bestimmung der "Mietobergrenze" unter Berucksichtigung der Bedingungen eines existenzsichernden Leistungssystems festzulegen sei (BSG Urt. v. 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R), womit in systematischer und teleologischer Hinsicht eine wesentliche Funktion des SGB II, die Existenzsicherung bei Bedurftigkeit, angesprochen wurde. Die zahireichen zwischenzeitlich ergangen Entscheidungen des BSG zur Frage der Angemessenheitsgrenze beschaftigen sich im Wesentlichen mit der zuverlässigen Bestimmung der zur Erhaltung dieses einfachen Wohnstandards notwendigen Aufwendungen mittels des durch den Leistungstrager zu erstellenden "schlussigen Konzepts" (grundlegend BSG Urt. v. 18.6.2008 - B 14/11 b AS 44/06 R).
5. Die derart vorgenommene Konkretisierung der Regelung des § 22 Abs. I S. I SGB II durch das BSG in den o.g. Entscheidungen ist nach Auffassung der Kammer nicht mit dem Grundrecht auf Gewahrleistung eines menschenwurdigen Existenzminimums aus Art. I Abs. I Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. I GG vereinbar, wie es im Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 9.2.2010 (Az. I BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09) näher bestimmt worden ist. Für eine Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums durch am einfachen Wohnstandard orientierte Mietobergrenzen fehit es an einer den prozeduralen Anforderungen des BVerfG genügenden und hinreichend bestimmten parlamentsgesetzlichen Grundlage. Die Kammer konkretisiert den Angemessenheitsbegriff deshaib nach Ma1gabe des Grundsatzes der verfassungskonformen Auslegung in der Weise, dass unangemessen im Sinne des § 22 Abs. I S. 1 SGB II lediglich Kosten der Unterkunft sind, die deutlich über den üblichen Unterkunftskosten für der Grä1,e und Struktur nach vergleichbarer Haushalte im geografischen Vergleichsraum liegen.
a) Mit den Leistungen für die Aufwendungen für die Unterkunft nach § 22 Abs. I S. 1 SGB II wird das Grundbedürfnis "Wohnen" gedeckt (BSG Urt. v.

7.11.2006 - B 7bAS 10/06 R; BSG Urt. v. 17.12.2009 - B 4AS 50/09 R), weiches Teil des durch den Staat zu gewährleistenden Existenzminimums ist (BVerfG Urt. v. 9.2.2010 - I BvL 1/09 Rn. 135; Piepenstock in jurisPK-SGB II, § 22 Rn. 31, 3. AufI. 2012; Berlitin LPK-SGB II, § 22 Rn. 16,4. AufI. 2011; ders. info also 2010, S. 195; Knickrehm SozSich 2010, S. 191; Klerks info also 2011, S. 196; Putz SozSich 2011, S. 233; KofnerWuM 2011, S. 72). Im Unterschied zu den in § 20 SGB II pauschalierten Regelleistungen (seit 1.1.2011: Regelbedarfen) werden die Kosten der Unterkunft gem. § 22 Abs. I S. I SGB II grundsätzlich in tatsächlicher Hähe übernommen (seit 1.1.2011: als Bedarf anerkannt), gem. § 22 Abs. I 5. 1 2. Halbs. SGB II, jedoch nur, soweit sie angemessen sind.

b) Der Begriff "angemessen" wird vom BSG zu Recht als "unbestimmter Rechtsbegriff' qualifiziert, welcher der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegt (am ausführlichsten in BSG Urt. v. 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R). Damit ist zunächst nur ausgedruckt, dass es für die Verwaltung keinen eigenen, der gerichtlichen Kontrolle entzogenen Spielraum gibt. Die zunächst durch die Verwaltung vorgenommene Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs ist damit in methodischer Hinsicht durch die Gerichte überprüfbar und vollständig ersetzbar. Allein aus der Vagheit der im Normtext verwendeten Sprache lässt sich eine Einschrankung des Anspruchs des Rechtsuchenden auf gerichtliche Uberprüfung von Exekutiventscheidungen nicht begründen (vgl. auch MUller/Christensen, Juristische Methodik, S. 89f., 10. AufI.).
c) Der Begriff der Angemessenheit hat im vorliegenden Kontext eine leistungsbeschränkende Funktion (vgl. BSG Urt. v. 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R Rn. 19: "lhm wohnt der Gedanke der Begrenzung inne"). Die Begrenzungsfunktion ergibt sich aus dem semantischen Kontext (".. .erbracht, soweit..."). § 22 Abs. I 5. 1 2. Halbsatz SGB II gibt den zustandigen Behärden somit das Recht - und die Pflicht - Leistungsberechtigten die Leistungen der Unterkunft in näher zu bestimmenden Fallen nicht in tatsächlicher Hähe zu erbringen, bzw. nicht in tatsächlicher Hähe der Bedarfsberechnung zu Grunde zu legen.

Nähere Bestimmungen zur Angemessenheit der Aufwendungen sind im Normtext und im unmittelbaren Textzusammenhang nicht enthalten. Aus dem Wortlaut des § 22 Abs. I S. 3 SGB II ("Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen (...y') kann lediglich geschlossen werden, dass zur Konkretisierung der Angemessenheit eine Einzelfallprüfung erfolgen soil, wobei die besonderen Umstände in der Person des Leistungsberechtigten zu berücksichtigen sind ("Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit", vgl. BSG Urt. v. 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R; Piepenstock in jurisPK-SGB ii § 22 Rn. 32, 3. Aufi. 2012; vgl. auch BT-Drucks. 17/3404, 5. 98). Von der Verordnungsermächtigung des § 27 SGB ii a.F. für das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wurde Zeit seiner Geltung kein Gebrauch gemacht.
d) Nach dem Gesetzentwurf der damaligen Bundesregierung zum Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BT-Drucks. 15/1516, 5. 57) solite der Anspruch auf Kosten der Unterkunft und Heizung am Ma1stab der vormaligen Sozialhilfepraxis ausgerichtet werden. Für die Bestimmung der Leistungen für Unterkunft nach dem BSHG war bis zum 31.12.2004 § 3 Abs. 1 5. 1, 5. 2 Regelsatzverordnung (RegelsatzVO) in der Fassung des Gesetzes vom 14.11.2003 Anspruchsgrundlage. Dieser lautete:
"Laufende Leistungen für die Unterkunft werden in Hähe der tatsächlichen Aufwendungen gewährt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf der Personen, deren Einkommen und Vermägen nach § 11 Abs. I des Gesetzes zu berücksichtigen sind, so lange anzuerkennen, als es diesen Personen nicht mäglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken."
Nach der ständigen Rechtsprechung des bis zum 31.12.2004 für Sozialhilfe zuständigen BVerwG bestimmte sich die Angemessenheit der Aufwendungen für die Unterkunft nach dem Bedarf des Hilfebedürftigen, weicher sich nach den Besonderheiten des Einzelfalles richten solite, insbesondere nach Umständen in der Person des Hilfebedürftigen, in der Art seines Bedarfs und nach den ärtlichen Verhältnissen. Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Mietaufwendungen für

eine Unterkunft waren die ärtlichen Verhältnisse ma1gebIich. Hierbei wurde auf die im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Hilfebedürftigen marktüblichen Wohnungsmieten abgestellt und auf dieser tatsächlichen Grundlage die sozialhilferechtlich ma1gebIiche Mietpreisspanne ermittelt. Erschienen dem Sozialhilfetrager die Unterkunftskosten im Einzelfall als zu hoch, durfte er die Angemessenheitsprüfung nicht darauf beschränken, ausgehend vom Bedarf des Hilfebedürftigen mit Buck auf die ärtlichen Verhältnisse zu bestimmen, weicher Kostenaufwand für die Unterkunft sozialhilferechtlich an sich (abstrakt) angemessen gewesen ware. Der Sozialhilfetrager hatte die Angemessenheitsprüfung in einem soichen Fall auch auf die Frage zu erstrecken, ob dem Hilfeempfanger im Bedarfszeitraum eine andere bedarfsgerechte, kostengünstigere Wohnung konkret verfügbar und zuganglich war. Bestand eine derartige Unterkunftsalternative nicht, waren die Aufwendungen in voller Hähe weiter zu übernehmen (BVerwG Urt. v. 28.4.2005 - 5 C 15/04 m.w.N.). Dass bei der Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für die Unterkunft nicht auf die jeweiligen ärtlichen durchschnittlichen Mietpreise, sondern auf die im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Hilfeempfangers marktüblichen Wohnungsmieten abzustellen war, ergab sich aus der Aufgabe der Hilfe zum Lebensunterhalt, nur den "notwendigen" Bedarf abzudecken (BVerwG Urt. v. 17.11.1994 - 5 C 11/93 - Rn. 11; BVerwG Beschl. v. 2.8.1994 - 5 PKH 32/94 - Rn. 2). Hierbei verweist das BVerwG auf § 12 Abs. I S. I BSHG, weicher in der zuletzt ma1gebIichen Fassung vom 23.7.1996 lautete:
"Der notwendige Lebensu nterhalt umfa1t besonders Ernährung, Unterkunft, Kleidung, Kärperpflege, Hausrat, Heizung und persänhiche Bedürfnisse des täglichen Lebens."
e) Weitere Hinweise finden sich in den ma1gebIichen Gesetzgebungsmaterialien nicht. Im (für das vorliegende Verfahren noch nicht ma1gebIichen) Regierungsentwurf zum Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Anderung des Zweiten und Zwälften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 mit Wirkung vom 1.1.2011, welcher in § 22 Abs. I S. I SGB II lediglich die Anderung

gebracht hat, dass nunmehr "Bedarfe anerkannt" und nicht mehr "Leistungen erbracht" werden, finden sich folgende Ausfuhrungen:
"Die PrUfung, weicher Betrag als Bedarl für Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen ist, erfolgt wie die Ermittlung der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach bisherigem Recht: Zunächst werden die Aufwendungen ermittelt und auf ihre Angemessenheit geprUft. Sind sie angemessen, werden sie in der Folge als Bedarf für Unterkunft und Heizung berücksichtigt. Bei abstrakt unangemesssenen Aufwendungen erfolgt wie bisher eine Einzelfallprüfung" (BT-Drucks. 17/3404, S. 98).
In den durch dieses Gesetz mit Wirkung vom 1.1.2011 neu eingefuhrten § 22a bis 22c SGB II wird den Landesgesetzgebern ermaglicht, Kommunen per Landesgesetz zu ermächtigen oder zu verpflichten, zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenzen im Rahmen näher bestimmter Kriterien Satzungen zu erlassen. Das Land Rheinland-Pfalz hat hiervon bislang keinen Gebrauch gemacht.
f) Mit dem Urteil vom 9.2.2010 hat das BVerfG die auf Art. I Abs. I GG i. V. m. Art. 20 Abs. I GG (Sozialstaatsprinzip) gestutzte staatliche Pflicht zur Existenzsicherung subjektivrechtlich fundiert und em Recht auf
parlamentsgesetzliche Konkretisierung in strikten einfachgesetzlichen Anspruchspositionen konstituiert (Rixen SGb 2010, S. 240). Das BVerfG stelit somit nicht nur prozedurale Anforderungen an die Bestimmung des menschenwurdigen Existenzminimums an einen beliebigen (staatlichen) Akteur, sondern weist die Bestimmung des Anspruchsinhalts einem konkreten Adressaten, dem (Bundes-)Gesetzgeber zu. Der Bundesgesetzgeber steht demnach in der Verantwortung, das Sozialstaatsprinzip selbst durch em Gesetz hinreichend zu konkretisieren und zu gewährleisten, dass auf die zur Sicherung des menschenwurdigen Existenzminimums erforderlichen Leistungen auch em
entsprechender Rechtsanspruch besteht (Berlit in LPK-SGB II § 22a Rn. 6, 4. Aufi.).
Das BVerfG entwickelt das Grundrecht auf Gewahrleistung eines menschenwurdigen Existenzminimums aus Art. I Abs. I GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. I GG. Art. I Abs. I GG wird dabei als eigentliche

Anspruchsgrundlage herangezogen, während das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. I GG eher im Sinne eines Gestaltungsgebots mit erheblichem Wertungsspielraum verstanden wird. Das auf dieser Grundlage bestimmte Grundrecht aus Art. I Abs. I GG hat in Verbindung mit Art. 20 Abs. I GG demnach neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Art. I Abs. I GG auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung. Es ist dem Grunde nach unverfugbar und muss eingelast werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten hat. Dabei steht ihm em
Gestaltungsspielraum zu (BVerfG Urt. v. 9.2.2010 - I BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - Rn. 133).
Der unmittel bare verfassungsrechtliche Leistungsanspruch auf Gewahrleistung eines menschenwurdigen Existenzminimums erstreckt sich nach den Ausfuhrungen des BVerfG nur auf diejenigen Mittel, die zur Aufrechterhaltung eines menschenwurdigen Daseins unbedingt erforderlich sind. Er gewährleiste hierbei das gesamte Existenzminimum durch eine einheitliche grundrechtliche Garantie, die sowohi die physische Existenz des Menschen, also Nahrung, Kleidung, Hausrat, Unterkunft, Heizung, Hygiene und Gesundheit als auch die Sicherung der Maglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestma1 an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben umfasse, denn der Mensch als Person existiere notwendig in sozialen Bezugen (BVerfG a.a.O. Rn. 135).
Die verfassungsrechtliche Gewahrleistung ei nes menschenwurdigen Existenzminimums müsse durch em Parlamentsgesetz erfolgen, welches einen konkreten Leistungsanspruch des Burgers gegenuber dem zuständigen Leistungsträger enthalte. Aus dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip ergebe sich die Pflicht des Gesetzgebers, die für die Grundrechtsverwirklichung ma1geblichen Regelungen selbst zu treffen. Dies gelte in besonderem Ma1e, wenn und soweit es um die Sicherung der Menschenwürde und der menschlichen

Existenz gehe. Zudem känne sich der von Verfassungs wegen bestehende Gestaltungsspielraum des Parlaments nur im Rahmen eines Gesetzes entfalten und konkretisieren. SchIie1Iich sei die Begrundung von Geldleistungsanspruchen auch mit erheblichen finanziellen Auswirkungen für die äffentlichen Haushalte verbunden. Derartige Entscheidungen seien dem Gesetzgeber vorbehalten (BVerfG a.a.O. Rn. 136). Wenn der Gesetzgeber seiner verfassungsma1igen Pflicht zur Bestimmung des Existenzminimums nicht hinreichend nachkomme, sei das einfache Recht im Umfang seiner defizitären Gestaltung verfassungswidrig (BVerfG a.a.O. Rn. 137). Der Umfang des Anspruchs känne im Hinblick auf die Arten des Bedarfs und die dafür erforderlichen Mittel nicht unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet werden. Er hange von den gesellschaftlichen Anschauungen über das für em menschenwürdiges Dasein Erforderliche, der konkreten Lebenssituation des Hilfebedürftigen sowie den jeweiligen wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten ab und sei danach vom Gesetzgeber konkret zu bestimmen. Das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. I GG halte den Gesetzgeber an, die soziale Wirklichkeit zeit- und realitätsgerecht im Hinblick auf die Gewahrleistung des menschenwürdigen Existenzminimums zu erfassen. Die hierbei erforderlichen Wertungen kämen dem parlamentarischen Gesetzgeber zu. Ihm obliege es, den Leistungsanspruch in Tatbestand und Rechtsfolge zu konkretisieren. Ihm komme Gestaltungsspielraum bei der Bestimmung des Umfangs der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums zu. Dieser umfasse die Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ebenso wie die wertende Einschatzung des notwendigen Bedarfs und sei zudem von unterschiedlicher Weite: Er sei enger, soweit der Gesetzgeber das zur Sicherung der physischen Existenz eines Menschen Notwendige konkretisiert, und weiter, wo es um Art und Umfang der Maglichkeit zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gehe (BVerfG a.a.O. Rn. 138).
Zur Konkretisierung des Anspruchs habe der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf, also realitätsgerecht, zu bemessen. Hierzu habe er zunächst die Bedarfsarten sowie die dafür

aufzuwendenden Kosten zu ermittein und auf dieser Basis die Hähe des Gesamtbedarfs zu bestimmen. Das Grundgesetz schreibe ihm dafür keine bestimmte Methode vor (BVerfG a.a.O. Rn. 139).
g) Diese Ausfuhrungen betreffen nicht nur die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, weiche in Regelleistungen bzw. Regelbedarfen zusammengefasst sind, sondern auch die Bedarfe der Unterkunft und Heizung. Diese geharen, wie das BVerfG ausdrücklich festhält, zur Gewahrleistung eines menschenwurdigen Existenzminimums (BVerfG a.a.O. Rn. 135; Berlit in LPK-SGB II §22a Rn. 6, 4. AufI. 2011; ders. info also 2011, S.. 195; Piepenstock in jurisPKSGB II § 22 Rn. 31,3. AufI. 2012; MutschlerNZS 2011, S. 481; KofnerWuM 2011, S. 72; Knickrehm SozSich 2010, S. 191; Putz SozSich 2011, S. 233, Klerks info also 2011, S. 196). Dementsprechend hat die Bestimmung der Leistungen bzw. der Bedarfe für Unterkunft ebenso wie die Bedarfe, die Bestandteil der Regelleistung sind, mit einer Methode zu erfolgen, die gewährleistet, dass die existenznotwendigen Aufwendungen realitätsgerecht und nachvollziehbar in einem transparenten und sachgerechten Verfahren ermittelt werden (Knickrehm SozSich 2010, 5. 193; Piepenstock in jurisPK-SGB II, § 22 Rn 31, 3. Aufi. 2012). Es dürfen keine Schatzungen bzw. Abschläge ,,ins Blaue hinein" vorgenommen werden, Richtwerte dürfen nicht freihandig geschätzt werden und müssen auf empirisch ermittelten Daten beruhen (Piepenstock ebd.). Besondere Begründungsanforderungen sind auch an die gesetzlichen und untergesetzlichen Normen zu stellen, die die Hähe der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung betreffen (Mutschler NZS 2011, 481).
6. Der in § 22 Abs. I S. I SGB II verwendete "unbestimmte Rechtsbegriff' der "Angemessenheit", welcher der alleinige normtextliche Anknüpfungspunkt für die Beschrankung der Ubernahme der Kosten der Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. I S. I SGB II ist, genügt den im Urteil vom 9.2.2010 gestellten Anforderungen des BVerfG nicht. Indem das BSG in Fortführung der Rechtsprechung des BVerwG zum Sozialhilferecht den Angemessenheitsbegriff ausgehend von einem einfachen, grundlegenden, im unteren Marktsegment liegenden Wohnstandard im

Sinne einer aligemein anzuwendenden Mietobergrenze konkretisiert, bestimmt es den Umfang der zur Sicherung des menschenwurdigen Existenzminimums erforderlichen Leistungen im Wesentlichen selbst bzw. gibt der Verwaltung die Rahmenbedingungen hierfür vor. Dies betriffi den vom Existenzminimum umfassten Unterkunftsbedarf unmittelbar und - wenn nicht die vollen Unterkunftskosten übernommen werden - mittelbar auch die durch die Regelleistung bzw. durch die Regelbedarfspauschale gedeckten Kosten. Das BSG verwendet den Angemessenheitsbegriff somit als normtextlichen Ausgangspunkt und Rechtfertigungsgrund für die Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums. Auf Grund seiner Entstehungsgeschichte und seiner Unbestimmtheit ist der Angemessenheitsbegriff des § 22 Abs. I S. I SGB II hierzu jedoch angesichts der verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht geeignet.
a) Die Gesetzesbegründung zur ursprünglichen Fassung enthält lediglich den Verweis auf die sozialhilferechtliche Praxis, an die angeknüpft werden soil (BTDrucks. 15/1516 Teil B Art. I Zu § 22 Abs. 1). Es ist aus den Gesetzgebungsmaterialien im Ubrigen nicht ersichtlich, dass Anstrengungen unternommen wurden, Unterkunftsbedarfe zu erfassen. Dies widerspricht der Anforderung des BVerfG, dass der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen in einem transparenten und sachgerechten Verfahren realitätsgerecht sowie nachvollziehbar auf der Grundlage verlässlicher Zahien und schlüssiger Berechnungsverfahren ermittein (BVerfG a.a.O. Rn. 139) und seinem sozialstaatlichen Gestaltungsauftrag (BVerfG a.a.O. Rn. 134) nachkommen muss. Die genannten Anforderungen gelten auch für die Unterkunftsbedarfe (Berlit info also 2010, S. 195; Knickrehm SozSich 2010, S. 193).
Auch die im Normtext vorgesehene Begrenzung der nach § 22 Abs. I S. I SGB II zu erbringenden bzw. anzuerkennenden Aufwendungen für die Unterkunft auf das "Angemessene" ist nicht hinreichend konkret, um eine Wertungsentscheidung über die Ausgestaltung des unterkunftsbezogenen menschenwürdigen Existenzminimums erkennen zu lassen (vgl. Mutschler NZS 2011, 5. 481: ,,Eine [mit den Satzungsregelungen der § 22b SGB II if. n.F.] vergleichbare

unmittelbare gesetzliche Ausgestaltung oder Begrundung gibt es für den Begriff des Angemessenen in § 2211 SGB II nicht; dieser Begriff ist unbestimmt und allein durch die Rechtsprechung konkretisiert worden.").
b) Die prozeduralen Anforderungen an den Gesetzgeber kännen nicht dadurch ersetzt werden, dass sie mit Hilfe eines "unbestimmten Rechtsbegriffs" zur näheren Bestimmung der Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis überantwortet werden. Der methodologische Topos "unbestimmter Rechtsbegriff' bietet dem BSG zunächst zwar methodisch die Maglichkeit, eigene Wertma1stäbe zur Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzmi nimums zu entwickeln und dennoch entsprechend seiner verfassungsrechtlichen Pflicht Gesetzesbindung herzustellen. Die Frage des (juristisch-)methodisch Maglichen ist jedoch nicht identisch mit der des verfassungsrechtlich Zulässigen. Die Verpflichtung zur unei ngeschrankten gerichtlichen Kontrolle der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe durch die Verwaltung ist Ietztendlich im Anspruch auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG begründet. Wann und mit weichem Grad der Gesetzgeber "unbestimmte Rechtsbegriffe" verwenden darf (und weiche Folgen eine Au1erachtIassung dieser Voraussetzungen hat), ist jedoch ggf. anhand anderer Verfassungsnormen und -prinzipien zu entwickeln. Das BVerfG setzt semen prozeduralen KontroIIma1stab bereits im Verfahren zur Herstellung des Normtextes (Gesetzgebung) em, nicht erst im Verfahren zur Konkretisierung des Normtextes zur Entscheidungsnorm (Verwaltung und Rechtsprechung). Deshaib kann das BSG - auch mit den Grundsätzen zum "schlüssigen Konzept" - die Ma1stäbe des BVerfG schon zuständigkeitshalber nicht umsetzen.
c) Das BSG mag somit zwar mit seiner Rechtsprechung zum "schlüssigen Konzept" den materiellen Anforderungen im Hi nblick auf Real itatsgerechtigkeit, Nachvollziehbarkeit, Transparenz und Sachgerechtigkeit des Verfahrens (oder "Folgerichtigkeit"; vgl. Rixen SGb 2010, S. 240ff., vgl. auch Knickrehm SozSich 2010, S. 193) genügen. Das BVerfG hat jedoch nicht nur materielle Anforderungen an die Bestimmung des Existenzminimums gestellt, sondern auch die Zustandigkeit für dessen Bestimmung beim Gesetzgeber verortet. Die

verfassungsrechtliche Gewahrleistung eines menschenwurdigen Existenzminimums muss demnach durch em Parlamentsgesetz erfolgen, das einen konkreten Leistungsanspruch des Burgers gegenuber dem zustandigen Leistungstrager enthält (BVerfG a.a.O. Rn. 136). Im Urteil vom 9.2.2010 heillt es weiter:
"Aus dern Rechtsstaats- und Demokratieprinzip ergibt sich die Pflicht des Gesetzgebers, die für die Grundrechtsverwirklichung maFgebIichen Regelungen selbst zu treffen (...). Dies gilt in besonderem MaFe, wenn und soweit es urn die Sicherung der Menschenwürde und der rnenschlichen Existenz geht (...). Zudern kann sich der von Verfassungs wegen bestehende Gestaltungsspielraurn des Parlarnents nur irn Rahrnen eines Gesetzes entfalten und konkretisieren

(...). I'

Die ausdrückliche Verpflichtung des Bundesgesetzgebers beruht demnach nicht lediglich darauf, dass die zur Uberprufung stehende Regelleistung "zufallig" durch em formelles Bundesgesetz geregelt wurde, sondern auf der im Demokratie- und Rechtsstaatspri nzi p fu1enden Gestaltungsverpfl ichtung der Legislative. Hiermit wird insbesondere die auf dem Demokratieprinzip beruhende Wesentlichkeitstheorie angesprochen, nach der die fur die Grundrechtsausubung wesentlichen Fragen vom Parlament selbst zu regeln sind, da ausschlielllich dieses durch Wahlen unmittelbar demokratisch legitimiert ist (vgl. auch Rixen SGb 2010, S. 241; Putz SozSich 2011, S. 233). Der anzuerkennende Bedarf fur die Unterkunftskosten gehart bereits auf Grund der wirtschaftlichen Bedeutung fur die Leistungsberechtigten zum Kern des Gewahrleistungsanspruchs und somit zu den wesentlich durch den Gesetzgeber zu regelnden Materien. Durch die Verschiebung der Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums in die Sphäre der Verwaltungs- und Gerichtspraxis ist die Gestaltung dieses elementaren Bestandteils der Existenzsicherung dem äffentlichen demokratischparlamentarischen Diskurs weitgehend entzogen. Besonders anschaulich wird dies im Vergleich zu den äffentlichen - auch parlamentarischen - Debatten über viele Einzelheiten der Bestimmung des Regelbedarfs (z.B. Herausrechnung von Alkoholika aus der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe) im Zuge der Beratung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Anderung des

SGB II und SGB XII (vgl. Mutschler NZS 2011, S. 481). Vergleichbare Auseinandersetzungen sowohi auf bundespolitischer als auch
kommunalpolitischer Ebene in Bezug auf die Bestimmung der unterkunftsbezogenen Angemessenheitsgrenzen sind hingegen kaum wahrnehmbar, obwohl ihre quantitative Bedeutung für viele Leistungsberechtigte enorm ist. Dies wird nicht zuletzt am Beispiel der Praxis des Beklagten deutlich, weiche - ohne dass die Gründe näher bestimmt werden kännten - dazu führt, dass nach Angaben des Beklagten zum Stichtag 14.10.2011 bei gut 30 % der Bedarfsgemei nschaften in seinem Zustandigkeitsbereich der Leistungsbewilligung nicht die tatsächlichen Kosten der Unterkunft zu Grunde gelegt werden. Durch die Verpflichtung des parlamentarischen Gesetzgebers auf semen Gestaltungsauftrag wird hingegen die Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums in die äffentliche, parlamentarische Debatte gezwungen (vgl. auch Rixen SGb 2010 S. 244). Hierdurch wird vor allem gewährleistet, dass die wesentlichen Eingangsdaten für konkrete Verwaltungsentscheidungen zur Gewahrung existenzsichernder Leistungen durch demokratisch unmittelbar gewählte Entscheidungstrager zu verantworten sind. Die zur Bestimmung des Existenzminimums ma1gebI ichen "gesellschaftlichen Anschauungen über das für em menschenwürdiges Dasein Erforderliche" (BVerfG a.a.O. Rn. 138) kännen in einer repräsentativen Demokratie nur durch das Parlament zum Ausdruck gebracht werden. Eine faktische Ubertragung der Entscheidungsverantwortung auf nur mittelbar demokratisch legitimierte Verwaltung und Judikative durch "Unterlassung" bzw. "Unterbestimmung" verstä1t daher gegen das Demokratieprinzip aus Art. 20 Abs. I GG, weiches im Grundrecht auf
Gewahrleistung des menschenwürdigen Existenzmi ni mums als
Gestaltungsauftrag an den Gesetzgeber konkretisiert ist.
d) Die Verfassungsma1igkeit der Regelung zur Sicherung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums hangt daher von der Folgerichtigkeit und Transparenz des Gesetzgebungsverfahrens einerseits und vom Grad der Bestimmbarkeit des Normtextes andererseits ab. Denn die gesetzgeberischen Wertungen kännen nur in dem Ma1e ihrer Bestimmbarkeit durch die

Rechtsanwender die soziale Wirklichkeit pragen. Dessen ungeachtet unterläge auch em den Kriterien des BVerfG entsprechendes Gesetz notwendigerweise der Konkretisierung durch Verwaltung und Rechtsprechung und kann die Einzelfallentscheidung nicht vollständig determinieren.
e) Die Kritik an dem Urteil des BVerfG, das Gericht stärke den Grundrechtsschutz durch das Verfahren (im Sinne von Kontrolle des Gesetzgebungsverfahrens) und konstituiere eine Begrundungspflicht des Gesetzgebers, ohne dass eine soiche in den organisationsrechtlichen Bestimmungen des Grundgesetzes vorgesehen sei (Groth NZS 2011, 5. 571 m.w.N.), teilt die Kammer nicht (vgl. auch SG Berlin Beschl. v. 24.4.2012 - 5 55 AS 9238/12 - juris). Durch die Verlagerung wesentlicher Aspekte der verfassungsrechtlichen Kontrolle auf das Gesetzgebungsverfahren wird dem rechtsstaatlichen Transparenzgebot deutlich besser entsprochen, als mit einer reinen Ergebniskontrolle. Die Kontrolle des Verfahrens ist notwendige Konsequenz der Einräumung eines nach dem Demokratieprinzip gebotenen gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums ohne die verfassungsrechtliche Uberprüfbarkeit und den effektiven Rechtsschutz zu gefahrden. Weil das Grundrecht auf Gewahrleistung des menschenwurdigen Existenzminimums auf die Konkretisierung durch den Gesetzgeber angewiesen ist, muss es prozedural stark abgestutzt sein (Rixen SGb 2010, 5. 243f.).
f) Das BSG hat - soweit erkennbar - das Urteil des BVerfG vom 9.2.2010 im Zuge der Weiterentwicklung seiner Rechtsprechung zum § 22 Abs. 1 5. 1 SGB II bislang nicht rezipiert. In den Entscheidungen, weiche nach dem 9.2.2010 zum Angemessenheitsbegriff nach § 22 Abs. 1 5. 1 SGB II ergangen sind, findet eine Auseinandersetzung mit dem Urteil des BVerfG nicht statt (BSG Urt. v. 18.2.2010 - B 14 AS 74/08 R; BSG Urt. v. 18.2.2010 - B 14 AS 73/08 R; BSG Urt. v. 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R; BSG Urt. v. 19.10.2010 - B 14 AS 15/09 R; BSG Urt. v. 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R; BSG Urt. v. 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R; BSGUrt. v. 6.4.2011 - B4AS 119/10 R; BSG Urt. v.13.4.2011 - B 14A5 106/10 R; BSG Urt. v. 13.4.2011 - B 14 AS 32/09 R; BSG Urt. v. 13.4.2011 - B 14 AS 85/09 R; BSG Urt. v. 26.5.2011 - B 14 AS 86/09 R; BSG Urt. v. 26.5.2011 - B 14

AS 132/10 R; BSG Urt. v. 23.8.2011 - B I4AS 91/10 R; BSG Urt. v.6.10.2011 - B 14 AS 131/10 R; BSG Urt. v. 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R). Erwähnung (ohne inhaitliche Auseinandersetzung) findet es lediglich im Urteil vom 13.4.2011 (B 14 AS 106/10 R - Rn. 40):
"Aus der in dieses Verfahren eingefuhrten Begrundung in dem noch anhängigen Revisionsverfahren B 14 AS 107/10 R und die Bezugnahme auf die Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 (- I BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175) folgt nichts Anderes, weil es keinen festgestellten individuellen Grund in der Person der Klägerin gibt, aus dem eine andere Bemessung der Leistung für die Unterkunft folgt oder der einer Kostensenkung nach § 22 Abs. I Satz 3 SGB II entgegensteht."
Das BSG stelit mithin nicht ausdrücklich heraus, dass es mit seiner Judikatur den Anspruch auf Gewahrleistung des menschenwurdigen Existenzmini mums konkretisiert (vgl. allerdings Knickrehm SozSich 2010, 5. 193). Durch die "Berucksichtigung der Bedingungen eines existenzsichernden Leistungssystems" (BSG Urt. v. 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R), durch die Anknupfung an die Rechtsprechung des BVerwG , durch die Ausrichtung am einfachen Wohnstandard des unteren Marktsegments und vor allem durch die Anwendung der Mietobergrenzen in der Praxis wird jedoch deutlich, dass im Wege der Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs eine Bestimmung und Begrenzung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums erfolgt.
g) Soweit in der Literatur das Urteil des BVerfG und die Frage der Angemessenheit der Unterkunftskosten in Beziehung gesetzt wird, werden die materiellen Anforderungen des BVerfG uberwiegend lediglich im Hinblick auf magliche Satzungsermachtigungen (Berlit in LPK-SGB II § 22a Rn. 6, 4. AufI. 2011; Kofner WuM 2011, 5. 72; Piepenbrock in jurisPK-SGB II § 22 Rn. 32 u. § 22a Rn. 24, 4. AufI. 2012) und Pauschalierungen (Knickrehm SozSich 2010, 5. 193; Putz SozSich 2011, 5. 236) diskutiert. Ausnahmen hierzu bestehen bei Mutschler (NZS 2011, 5. 484), der feststellt, dass die Satzungslasung nach §
22a bis 22c SGB II n.F. den Forderungen des BVerfG "eher' entspreche als das "schlussige Konzept", sowie Piepenbrock (in jurisPK-SGB II § 22 Rn. 31f., 3. AufI. 2012), die den Angemessenheitsbegriff des § 22 Abs. I 5. 1 SGB II mit dem Urteil

des BVerfG in Beziehung setzt, die bestehende Regelung allerdings durch Berufung auf das "Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit" für gerechtfertigt halt.
Die Orientierung am "Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit" (vgl. BSG Urt. v. 20.9.2009 - B 4 AS 18/09 R) rechtfertigt indes keine Abweichung vom verfassungsrechtlichen Ma1stab. Hiermit wird lediglich zum Ausdruck gebracht, dass der Gesetzgeber in der Tradition des Bedarfsdeckungsprinzips auf eine Pauschalierung verzichtet und die grundsatzliche Gewahrung der tatsächlich anfallenden Kosten der Unterkunft angeordnet hat. Sofern eine Angemessenheitsgrenze die Funktion einnimmt, die Leistungen auf das menschenwürdig Existenznotwendige zu beschränken, gibt es jedoch keinen Anlass von den Anforderungen des BVerfG abzuweichen. Die Deckelung der Leistungen für die Unterkunft durch eine (regional differenzierte) Angemessenheitsgrenze wirkt genauso begrenzend und ggf. das
Existenzminimum konkretisierend wie eine Pauschale. Hat eine leistungsberechtigte Person hähere Kosten der Unterkunft zu tragen, als anerkannt sind, hat dies denselben Effekt, wie wenn diese Person mit dem Regelbedarf nicht auskommt und Mehrausgaben hat. Em Unterschied besteht lediglich darin, dass eine leistungsberechtigte Person nicht (bzw. nur unter Vernachlassigung mietvertraglicher Verpflichtungen) durch Einsparungen beim Unterkunftsbedarf Mehrausgaben in anderen Bedarfsbereichen kompensieren kan n.
h) Der "unbestimmte Rechtsbegriff' der Angemessenheit kann auch nicht deshalb zur Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums herangezogen werden, weil regionale Eigenheiten des Wohnungsmarkts besser berücksichtigt werden kännten. Denn es besteht kein Grund zur Annahme, dass der Gesetzgeber solche Besonderheiten nicht im Gesetz selbst oder auf Grund des Gesetzes im Rahmen hinreichend bestimmter Vorgaben beispielsweise durch Ermachtigung der Kommunen regeln kännte. So hat das BSG an den Gesetz- und Verordnungsgeber appelliert, bundesweite Regelungen für als angemessen

anzuerkennende Wohnungsgra1en sowie zur Bestimmung der Vergleichsräume zu schaffen (BSG Urt. v. 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - Rn. 18f.).
i) Die (verfassungsrechtliche) Notwendigkeit der näheren Bestimmung durch den Gesetzgeber ergibt sich im Ubrigen daraus, dass die Unterkunftskosten mit den Regelleistungen bzw. -bedarfen in einem wechselseitigen Zusammenhang stehen. Bei Leistungsberechtigten ohne anrechnungsfreies Ei nkommen oder Schonvermagen wirkt sich die unvollständige Ubernahme der Kosten der Unterkunft praktisch regelbedarfsmindernd aus, da die ubersteigenden Unterkunftskosten aus der Regelleistung bzw. aus dem Regelbedarf bestritten werden müssen (vgl. KofnerWuM 2011, 5. 76). Eine den Vorgaben des BVerfG genugende Gestaltung der Regelbedarfe durch den Gesetzgeber würde durch eine unzureichende Bemessung des Unterkunftsbedarfs somit konterkariert und entwertet. Die Bedarfe für die Kosten der Unterkunft müssen daher durch den Gesetzgeber selbst zumindest so genau bestimmt sein, dass bei Betrachtung des Gesamtanspruchs auf Existenzsicherung die Folgerichtigkeit gewahrt bleibt.
7. Nach Uberzeugung der Kammer verstä1t eine Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. I 5. 1 SGB II im Sinne einer Begrenzung und Ausgestaltung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums aus den genannten Gründen gegen das Grundrecht auf Gewahrleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. I Abs. I GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. I GG. Der Angemessenheitsbegriff des § 22 Abs. I 5. 1 SGB II selbst ist jedoch einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich. Die Kammer konkretisiert den Angemessenheitsbegriff deshaib nach Ma1gabe des Grundsatzes der verfassungskonformen Auslegung in der Weise, dass unangemessen im Sinne des § 22 Abs. I S. 1 SGB II lediglich Kosten der Unterkunft sind, die deutlich über den üblichen Unterkunftskosten für der Grä1,e und Struktur nach vergleichbarer Haushalte im geografischen Vergleichsraum liegen.
a) Im Unterschied zur Regelleistung bzw. zum Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 SGB II werden die Unterkunftskosten nach geltendem

Recht nach § 22 Abs. I S. I SGB II nicht als Pauschalleistung, sondern grundsätzlich in tatsächlicher Hähe übernommen. Soweit die Ieistungsberechtigte Person tatsächlich eine menschenwurdige Unterkunft bewohnt, ist mit Ubernahme der tatsächlichen Kosten das Existenzminimum im Hinblick auf den Unterkunftsbedarf ohne Weiteres gedeckt, ohne dass es einer weiteren Konkretisierung durch den Gesetzgeber bedürfte. Im Hinblick auf das Grundrecht auf Gewahrleistung des menschenwurdigen Existenzminimums ist somit nur die Begrenzung auf die angemessenen Aufwendungen von Relevanz.
b) Das Gebot verfassungskonformer Auslegung verlangt, von mehreren maglichen Normdeutungen, die teils zu einem verfassungswidrigen, teils zu einem verfassungsma1igen Ergebnis führen, diejenige vorzuziehen, die mit dem Grundgesetz im Einklang steht (BVerfG Urt. v. 19.9.2007 - 2 BvF 3/02 - Rn. 92). Die verfassungskonforme Auslegung ist demzufolge keine Auslegungsmethode im engeren Sinne, sondern eine Vorzugsregel, nach weicher bestimmte nach methodisch korrekter Konkretisierungsarbeit gefundene Ergebnisse gegenuber anderen zu bevorzugen sind. Dass der Gesetzgeber die Ubernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung ausdrücklich unter einen Angemessenheitsvorbehalt stelit, darf demzufolge nicht zum Zwecke der Erhaltung eines verfassungsgema1en Zustands ubergangen, sondern muss einer Konkretisierung zugefuhrt werden, weiche dem Grundrecht auf Gewahrleistung des menschenwurdigen Existenzminimums mit semen prozeduralen Implikationen nicht widerspricht.
c) Eine verfassungskonforme Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs setzt daher voraus, dass sie mit Wortlaut und Systematik des § 22 Abs. I S. SGB II vereinbar ist. Dazu muss berucksichtigt werden, dass der Gestaltungsauftrag an den Gesetzgeber zur Bestimmung des Umfangs des Anspruchs auf das unterkunftsbezogene Existenzminimums nicht unterlaufen wird. Demzufolge muss der Angemessenheitsbegriff so konkretisiert werden, dass er eine andere Funktion einnimmt, als die der Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums. In semantischer Hinsicht ist hierbei zu berucksichtigten, dass Angemessenheit em

relationaler Begriff ist, d.h. die Angemessenheit einer Leistung, einer Regelung, einer Handlung immer an einem Bezugspunkt zu messen ist. Dieser Bezugspunkt kann wegen einer hiermit einhergehenden Verletzung der Zuständigkeitsverantwortlichkeit des Gesetzgebers nicht das Existenzmi ni mum sein, d.h. nicht "das nach den gesellschaftlichen Anschauungen für em
menschenwürdiges Dasein Erforderliche" (vgl. BVerfG Urt. v. 9.2.2010 - I BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - Rn. 138). Im semantischen und systematischen Kontext hat der Angemessenheitsbegriff des § 22 Abs. I S. I SGB II dennoch eine Begrenzungsfunktion "nach oben". Diese Begrenzung muss jenseits (im Sinne von oberhaib) des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums für die Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums liegen. Da dem Gesetzgeber in dem Bereich, der über die physische Existenzsicherung hinausgeht, em weiter Gestaltungsspielraum (beispielsweise anhand der Frage, weiches Ma1 an Gleichheit in den Lebensverhältnissen angestrebt wird) zusteht, kann die Angemessenheitsgrenze funktionell nur im Sinne der Missbrauchsverhütung verstanden werden. Eine systematische und dauerhafte Besserstellung von Hilfeempfangern gegenüber Personen ohne Hilfeanspruch im Hinblick auf ware jedenfalls gleichheitsrechtl ich problematisch. Ei ne sinnvol le und
verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Funktion des Angemessenheitsbegriffs kann demzufolge sein, die staatliche Leistungspflicht nur in Einzelfällen zu begrenzen, in denen Leistungsberechtigte hinsichtlich ihrer Unterkunft deutlich erkennbar über den (orts-)üblichen Verhältnissen leben.
Dass eine soiche Interpretation mit Wortlaut und Systematik des Normtextes vereinbar ist, zeigt sich auch daran, dass das BSG im gleichen semantischen Kontext die Angemessenheit der Heizungskosten ganz ähnlich definiert (BSG Urt. v. 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R: "Anhaltspunkte dafür, dass die Heizkosten unangemessen hoch sind, kännen sich insbesondere dadurch ergeben, dass die tatsächlich anfallenden Kosten die durchschnittlich aufgewandten Kosten aller Verbraucher für eine Wohnung der den abstrakten Angemessenheitskriterien entsprechenden Grä1e signifikant übersteigen.").

d) Die verfassungswidrige Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs durch das BSG ist demgegenuber methodisch nicht zwingend. Das BSG hat sich mit der Ausrichtung des Angemessenheitsbegriffs auf einfache, grundlegende Wohnstandards zunächst auf die frühere Rechtsprechung des BVerwG zum § 12 BSHG bezogen (BSG Urt. v. 7.11.2006 -Az. B 7b AS 18/06 R). Bestatigung findet die Auffassung des BSG im Gesetzentwurf der damaligen Bundesregierung (BT�
Drucks. 15/1516 Teil B Art. I Zu § 22 Abs. 1), wonach der Anspruch auf Kosten der Unterkunft und Heizung am Ma1stab der Sozialhilfepraxis ausgerichtet werden solite. Als Nichtnormtext hat die Gesetzesbegrundung für die Normkonkretisierung keine absol ut begrenzende Funktion. Der Verfassungskonformitat ist gegenüber dem entstehungsgeschichtlichen Argument der Vorzug zu geben, da nur der Normtext selbst em für die Rechtsprechung im Sinne der Gesetzesbindung verbindliches Eingangsdatum im Entscheidungsprozess darstelit.
Das BVerwG hat in seiner Rechtsprechung im Ubrigen darauf abgestellt, dass (u.a.) nach § 12 Abs. I S. I BSHG ausschIie1Iich der "notwendige" Lebensunterhalt geleistet werden müsse, was ausdrücklich auch die Unterkunft umschloss. Die Hilfen zur Sicherung des Lebensunterhalts des BSHG standen damit insgesamt unter einem im Normtext zum Ausdruck gebrachten Notwendigkeitsvorbehalt, weicher in den Regelungen des SGB II nicht enthalten ist. Mit Einführung des SGB II sind auch weitere signifikante Veranderungen gegenüber dem BSHG vorgenommen worden. Neben der stärkeren Pauschalierung der Leistungen in weitgehender Abkehr vom
I ndividualisierungsgrundsatz, weiche eine Kompensation von Bedarfsunterdeckungen durch Ei nzelfallleistungen quasi unmaglich machte, ist insbesondere der Arbeitsfarderungsaspekt deutlicher hinzugetreten. In diesem Zusammenhang stehen die gro1zügigeren Regelungen im Hinblick auf Schonvermagen und Einkommensanrechnung. Insbesondere ist em selbst genutztes angemessenes Hausgrundstück oder eine entsprechende
Eigentumswohnung nicht als Vermagen zu berücksichtigen
( 12 Abs. 3 5. 1 Nr. 4 SGB II), obwohl im Falle einer Verwertung ohne Gefahrdung des Existenzminimums erhebliche Einsparungen maglich wären. Die

Regelungen zum Vermagen sind auch vor dem Hintergrund zu verstehen, dass die Leistungen des SGB II dem gesetzgeberischen Ideal entsprechend nur vorubergehend erbracht werden, der Zustand der Arbeitslosigkeit schnell überwunden werden soil. Deshaib würde es als Härte empfunden, wenn beispielsweise nach inzwischen auf in der Regel auf 12 Monate begrenzte Arbeitslosengeldbezugsdauer sofort die Verwertung des I mmobilieneigentums folgen würde. Der Verlust einer seit langem bewohnten Mietwohnung mag allerdings ebenso als Härte empfunden werden. Auch in diesem systematischen Kontext ist es daher vertretbar, dem Erhalt der zu Beginn des Leistungsbezugs bewohnten Wohnung eine hohe Priorität einzuräumen, in dem die Kosten auch unabhangig von kostengunstigeren Alternativen grundsätzlich in voller Hähe berucksichtigt werden (vgl. auch BSG Urt. v. 18.6.2008 - B 14/lib AS 67/06 R: "Der Gesetzgeber räumt dem Erhalt der Wohnung aligemein einen hohen Stellenwert em, ohne Rücksicht darauf, ob diese gemietet ist oder im Eigentum des Hilfebedurftigen steht"). Em gewisser Schutz vor Missbrauch bzw. Optimierung kann durch Anwendung des § 22 Abs. 1 5. 2 SGB II erreicht werden. Die durch die Kammer vorgenommene Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs ist somit mit Systematik und Teleologie des SGB II in Einklang zu bringen.
8. Der Angemessenheitsbegriff ist mithin nicht im Sinne einer stets zu prüfenden an lediglich grundlegenden Bedürfnissen orientierten Angemessenheitsgrenze mit regional und anhand der Zahi der Haushaltsmitglieder festgelegter Hähe zu konkretisieren, sondern als Angemessenheitsvorbehalt, weicher dem Leistungstrager (wiederum unter voller gerichtlicher Kontrolle) ermaglicht, den Leistungsanspruch in Fallen offenkundiger Missverhältnisse zu reduzieren. Dies ist anhand der Besonderheiten des Einzelfalls ( 22 Abs. 1 5. 2 SGB II a.F.; § 22 Abs. 1 5. 3 SGB II n.F.) durchzuführen. Unangemessen im Sinne des § 22 Abs. I 5. 1 SGB II sind die Aufwendungen für eine Unterkunft daher erst dann, wenn die Kosten deutlich über den üblichen Unterkunftskosten für der Grä1e und Struktur nach vergleichbare Haushalte im geografischen Vergleichsraum liegen.

9. a) Für das vorliegende Verfahren ist die exakte Bezifferung einer soichen Unangemessenheitsgrenze nicht erforderlich, da sich die Aufwendungen der Kläger für die Unterkunft nach dem oben erarbeiteten Ma1stab im Rahmen der ortsüblichen Verhältnisse befinden und daher you in die Bedarfsberechnung einzubeziehen sind.
b) Zur Frage der Angemessenheit der Wohnfläche kann zur groben Orientierung auf die Iandesrechtlichen Bestimmungen nach § 10 Abs. I Nr. I W0FG zurückgegriffen werden, wobei es in Grenzfällen sachnäher ware, Ermittlungen über die für Haushalte verschiedener Grä1,en (orts-)üblichen Wohnflächen durchzuführen. Im Hinblick auf die ortsübliche Wohnungsgra1e kann vorliegend davon ausgegangen werden, dass die Wohnung der Klager mit einer Wohnfläche von 62,51 qm im Rahmen des Ublichen für einen Zweipersonenhaushalt bleibt, da die Iandesrechtlichen Vorschriften über die Wohnungsbaufarderung nur geringfügig überschritten werden.
c) In Gemeinden mit qualifiziertem Mietspiegel ist es jedenfalls ausreichend, und die ortsübliche Vergleichsmiete im Sinne des Mietspiegels nicht wesentlich überschritten wird. Im Mietspiegel 2008 der Stadt Worms wird die ortsübliche Vergleichsmiete durch eine Spannbreite ausgedrückt. Als im mietrechtlichen Sinne ortsüblich ist daher em Quadratmetermietpreis, weicher unterhaib oder gleich des oberen Spannenwerts ist. Würde man von einer 60 qm gro1en Wohnung der Klager ausgehen ergabe sich em Quadratmeterkaltmietpreis von 5,97 € (358,13 €
60 qm = Ca. 5,97 €Iqm). Hiermit Iiegt die Wohnung der Klager bezogen auf sämtliche Baualtersklassen für Wohnungen mit Bad und Sammeiheizung nach dem Mietspiegel 2008 unterhalb der oberen Spannenwerte für Wohnungen von über 50 bis 70 qm, weiche von 6,16 €Iqm bis 6,92 €Iqm reichen. Bei Zugrundelegung der neuesten Baualtersklasse ab 1990 lage der Quadratmetermietpreis auch unterhaib des Medians von 6,11 €.
d) Die Wohnung der Kiager befindet sich daher sowohi im Hinblick auf Quadratmetermietpreis als auch auf die Grä1e und in Folge dessen auch bezogen auf das sich hieraus ergebende Produkt im ortsüblichen Bereich. Die Kosten der

Unterkunft sind demzufolge in voller Hähe zu übernehmen und bei der Klägerin und dem Klägerjeweils zur Hälfte zu berucksichtigen (BSG Urt. v. 15.4.2008 - B 1417b AS 58/06 R). Der Beklagte war demnach dazu zu verurteilen, den Klägerin unter Abanderung der streitgegenständlichen Bescheide weitere Kosten der Unterkunft in Hähe von 65,93 € monatlich zu zahien.
10. Ob das Konzept des Beklagten zur Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten nach Ma1gabe der Rechtsprechung des BSG hinreichend "schlussig" ware, kann aus den o.g. Gründen offen bleiben. Allerdings bestehen auch diesbezuglich erhebliche Bedenken.
a) Der Beklagte hat in Ausfuhrung der Vorgaben des Beigeladenen als kommunalem Trager em Konzept zur Bestimmung der Mietobergrenzen aus dem im Sinne des § 558c BGB qualifizierten Mietspiegel der Stadt Worms von 2008 entwickelt. Dieser Mietspiegel wurde auf Grundlage der für den Mietspiegel 2006 erhobenen Daten nach Verbraucherindizes auf das Jahr 2008 hochgerechnet. Ausgehend von der Tabelle 2 (Wohnungen "guter Ausstattung", d.h. mit Bad und Sammeiheizung) hat der Beigeladene differenziert nach Wohnungsgra1en aus den unteren 2/3-Spannenwerten der fünf Baualtersklassen das arithmetische Mittel gebildet. Der hieraus gewonnene Wed stelit den vom Beklagten als angemessen angesehenen Quadratmetermietpreis dar. Für Zweipersonenhaushalte wurde hierbei auf die Wohnungsgra1enkategorie 50 bis 70 qm zurückgegriffen, sodass sich em Quadratmetermietpreis von 4,87 € Kaitmiete ergibt.
b) Das Produkt aus angemessenem Quadratmetermietpreis und angemessener Wohnungsgra1e ergibt nach der Rechtsprechung des BSG die für die Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten die ma1gebIiche Mietobergrenze. Der Beklagte geht in Folge dessen für den streitgegenstandlichen Zeitraum von einer angemessenen Kaitmiete für einen Zweipersonenhaushalt in Hähe von 292,20 € (60 qm x 4,87 €/qm) monatlich aus. Der so ermittelte Betrag wurde den Kiagerin im streitgegenstandlichen Zeitraum zuzüglich der Nebenkosten und der Heizkosten (ohne Kosten für die Warmwasserbereitung)

bewilligt. Tatsächlich lag die Kaltmiete im streitgegenständlichen Zeitraum bei 358,13 €, sodass eine Unterdeckung von 65,93 € monatlich bestand.
c) Nicht zu beanstanden ware nach den Ma1stäben des BSG der Ruckgriff auf die Wohnraumfarderungsbestimmungen des Landes Rheinland-Pfalz zur Bemessung der angemessenen Wohnungsgra1e sowie die WahI des gesamten Stadtgebiets Worms als Vergleichsraum. Auch die Verwendung des qualifizierten Mietspiegels der Stadt Worms zur Datenerhebung entspricht der Rechtsprechung des BSG.
d) Die Heranziehung des arithmetischen Mittels des unteren Spannenwertes der fünf Baualtersklassen uberzeugt jedoch nicht. Hiermit werden den Leistungsberechtigten idealiter lediglich Wohnungen zugestanden, welche sich im unteren Sechstel des Spektrums des Mietspiegels befinden. In der Terminologie des Mietspiegels sind dies Wohnungen, welche unterhalb des ortsüblichen Standards liegen. Angesichts der durch den Beklagten und durch den Beigeladenen vorgelegten Daten über die Anzahl der Leistungsberechtigten nach dem SGB II, dem SGB XII, dem AsyIbLG, dem BAfäG und dem W0GG welche - grob geschatzt - insgesamt 10 bis 20 % der Einwohner der Stadt Worms ausmachen dürften, erscheint der Kammer die Festlegung auf die unteren knapp 17 % des im Mietspiegel repräsentierten Wohnraums deutlich zu niedrig. Für etwaige Ungenauigkeiten und Unsicherheiten im Hinblick auf den verfügbaren Wohnungsbestand wurde kein Sicherheitszuschlag berücksichtigt. Die Quote von im Jahr 2011 gut 30 % Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II, bei denen tatsächlich nicht die vollen Kosten der Unterkunft berücksichtigt werden, spricht dafür, dass der Lage auf dem ärtlichen Wohnungsmarkt nicht hinreichend Rechnung getragen wurde.
Die Kammer halt es aus den oben genannten grundsatzlichen Erwagungen allerdings nicht für erforderlich, weitere Ermittlungen anzustellen oder die Wertungen des Beigeladenen durch eigene zu ersetzen.
11. Die Klager haben keinen Anspruch auf Ubernahme der Kosten für die Warmwasserbereitung aus § 22 Abs. I S. 1 SGB II. Diese Kosten waren im streitgegenstandlichen Zeitraum vom 1.9.2009 bis zum 28.2.2010 gema1

§ 20 SGB II in der hier ma1gebIichen Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (BGBI I S. 1706) von der Regelleistung umfasst war (BSG Urt. v. 27.2.2008 - B 14/1 lb AS 15/07 R - Rn. 21). Demnach umfasste die Regelleistung auch die "Haushaitsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile". Hierzu geharen auch die Kosten der Warmwasserbereitung, die deshaib nicht noch einmal als Unterkunftskosten nach § 22 Abs. I 5. 1 SGB II berücksichtigt werden kännen (BSG a.a.O.).
Die Kiage war insoweit abzuweisen.
12. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Hierbei war zu berücksichtigen, dass die Kläger insgesamt den Betrag von 107,43 € monatlich geltend gemacht haben und in Hähe von 65,93 € monatlich, also zu knapp zwei Dritteln, obsiegt haben.
Die Berufung war gem. § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG zuzulassen, weil das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz (Beschl. v. 5.4.2011 - L 3 AS 94/Il B) und von Entscheidungen des Bundessozialgerichts abweicht und die Rechtssache gem. § 144 Abs. 2 Nr. I SGG grundsätzliche Bedeutung hat.

Rechtsmittelbelehrung
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhaib eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Emst-Ludwig-Platz 1, 55116 Mainz, schriftlich, in elektronischer Form oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die elektronische Form wird durch eine qualifizierte signierte Datei gewahrt, die nach den Ma1gaben der Landesverordnung über den elektronischen Rechtsverkehr mit den äffentlichrechtlichen Fachgerichtsbarkeiten vom 09. Januar 2008 (GVBI. S. 33) in der jeweils geltenden Fassung zu übermitteln ist.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhaib der Monatsfrist bei dem Sozialgericht Mainz, Ernst-Ludwig-Platz 1, 55116 Mainz, schriftlich in elektronischer Form oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Die Berufungsschrift muss innerhaib der Monatsfrist bei einem der vorgenannten Gerichte eingehen. Sie soil das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur BegrUndung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Auf Antrag kann von dem Sozialgericht durch Beschluss die Revision zu dem Bundessozialgericht zugelassen werden, wenn der Gegner schriftlich zustimmt. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhaib eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Mainz schriftlich oder in elektronischer Form zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufugen.
Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestelit und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefugt war.
Bei Zustellungen im Ausland gilt anstelle der oben genannten Monatsfristen eine Frist von drei Monaten.
Der Berufungsschrift und alien folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Nähere Einzelheiten zum elektronischen Rechtsverkehr sind der Internetseite des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz (www.lsgrp.justiz.rlp.de) zu entnehmen.
Mz S 550 - Rechtsmittelbelehrung bei zulassiger oder zugelassener Berufung gegen Urteil ohne zugelassene Revision (87Abs. 1 Satz2, l36Abs. 1 Nr. 7,143, l44Abs. 1,151,153,161 SGG)






 
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