SG Hannover S46AS531/05 ER Einmalige Leistungen für Schulbed

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2. Entscheidung zum Schulbedarf
SOZIALGERICHT HANNOVER
S 46 AS 531/05eR
BESCHLUSS
In dem Rechtsstreit
A.,
B.,
Antragsteller,
g e g e n
C.,
Antragsgegnerin,
hat das Sozialgericht Hannover - 46. Kammer -
am 31. August 2005
durch den Vorsitzenden, Richter am Sozialgericht D.,
beschlossen:
1. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet,
den Antragstellern darlehensweise 101,40 € für die Beschaffung von Lernmitteln
für die Schule zu zahlen.
2. Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern deren notwendige außergerichtliche
Kosten zu erstatten.
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Gründe
I.
Die Antragsteller (ASt) begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung
der Antragsgegnerin (AG) zur Übernahme der Kosten für die Anschaffung von
Lehrmitteln für die Schule.
Die ASt sind Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft, bestehend aus den Kindern E. (Antragsteller
zu 1), F. (Antragsteller zu 2), Luca sowie deren Eltern. Die Bedarfsgemeinschaft
bezieht seit dem 1.1.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach
dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeit Suchende (SGB II) – in
Höhe von monatlich ca. 1300 €.
Die Eltern der ASt beantragten am 05.07.2005 bei der AG die Kostenübernahme für die
Beschaffung von Schul- und Arbeitsmaterial für die ASt. Die Höhe der beantragten Leistungen
ergibt sich aus folgender Aufstellung:
E.:
Deutsch Arbeitsheft 6, 95 €
Deutsch Lese-Lern-Maschine 8,75 €
English workbook 7,80 €
Französisch Ensemble 18,70 €
Cahier d’activité 8,30 € insg. 48,50 €
F.:
Deutsch Arbeitsheft 6,95 €
Lese-Lern-Maschine 8,75 €
English workbook 7,80 €
WUK Westermann 20,50 €
Religion Bibel 8,90 € insg. 52,90 €
Insg. 101,40 €
Mit Bescheid vom 06. Juli 2005 lehnte die AG den Antrag ab.
Die Eltern der ASt erhoben rechtzeitig am 07. August 2005 Widerspruch und beantragten
am 09. August 2005 beim Sozialgericht Hannover den Erlass einer einstweiligen Anordnung
gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG.
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Sie wiesen darauf hin, die Materialien seien von den Eltern anzuschaffen ohne dass die
Möglichkeit bestehe, diese zu leihen. Zudem sei die Höhe der Regelleistung nach dem
SGB II viel zu gering bemessen. Sie richte sich nach den Bedürfnissen eines Erwachsenen,
so dass ein Schulbedarf nicht pauschaliert worden sei. Diese materielle Ausgrenzung
von Schülern sei diskriminierend.
Die ASt beantragen schriftsätzlich sinngemäß,
die AG im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen Leistungen
zur Anschaffung von Lernmitteln in Höhe von insgesamt 101,40 € zu zahlen.
Die Antragsgegnerin beantragt schriftsätzlich,
den Antrag abzulehnen.
Die Regelleistungen nach § 20 SGB II umfassen die weiteren Bedarfe des täglichen Lebens,
mithin auch die Beschaffung der für den Schulbesuch notwendigen Lernmittel. Mit
der Zahlung des Regelsatzes ist der Bedarf des täglichen Lebens abgegolten. Für größere
Anschaffungen könne eine Ansparung erwartet werden.
Die AG habe die ASt am 15.08.2005 auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht, ein Darlehen
gem. § 23 SGB II zu beantragen. Hierauf haben die ASt jedoch bislang nicht reagiert,
weshalb ein Anordnungsgrund entfalle.
II.
Der zulässige Antrag ist begründet.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine
einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes im Bezug auf ein
streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher
Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Voraussetzung für den Erlass
einer solchen Anordnung ist stets, dass sowohl ein Anordnungsgrund als auch ein
Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht worden sind (§ 86b Absatz 2 Satz 4 i. V. m. §
920 Abs. 2 ZPO). Dabei betrifft der Anordnungsgrund die Eilbedürftigkeit der Regelung
zur Abwendung wesentlicher Nachteile, während der Anordnungsanspruch die hinreichende
Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs
betrifft. Vorläufiger Rechtschutz ist nur dann zu gewähren, wenn ohne ihn
schwere und unzumutbare, anders nicht abzuwendende Nachteile entstünden, zu deren
Beseitigung eine spätere Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre
(vgl. BVerfGE 79, 69, 74 m. w. N.).
Die ASt haben sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund hinreichend
glaubhaft gemacht.
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Der Anordnungsanspruch ergibt sich aus § 23 Abs. 1 SGB II. Ziel der Vorschrift ist es,
aus der Regelleistung nicht zu deckende Bedarfslagen darlehensweise zu befriedigen
(vgl. Kalhorn in Hauck/Noftz, SGG, K § 23 Rdnr. 3). Diese Norm fängt damit die Fälle des
weitergehenden Bedarfs des Hilfebedürftigen auf und tritt damit dem Argument der ASt
entgegen, Schüler würden aufgrund der eng umrissenen Regelleistung des § 20 SGB II
materiell ausgegrenzt.
Kann danach eine im Einzelfall von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen
unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts weder durch das
Vermögen nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 noch auf andere Weise gedeckt werden, erbringt die
Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als
Geldleistung und gewährt dem Hilfebedürftigen ein entsprechendes Darlehen. Das Darlehen
wird durch monatliche Aufrechnung in Höhe von bis zu 10 von Hundert der an den
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Angehörigen
jeweils zu zahlenden Regelleistung getilgt.
Nach dieser Konstruktion soll der erwerbsfähige Hilfebedürftige seinen Lebensunterhalt
außerhalb seines Bedarfs an Unterkunft und Heizung aus der Regelleistung nach § 20,
den Leistungen für Mehrbedarf nach § 21 und einmaligen Leistungen nach § 23 Abs. 3
SGB II vollständig decken. Ein weitergehender Bedarf wird nur nach Maßgabe von § 23
Abs. 1 SGB II gedeckt. Die abweichende Erbringung von Leistungen nach dieser Vorschrift
kommt hingegen nur in Betracht, wenn der Bedarf von der Regelleistung umfasst
ist. Der Bedarf muss nach den Umständen des Einzelfalls unabweisbar sein, die Bedarfsdeckung
mithin unaufschiebbar sein. Eine Deckung des Bedarfs darf ferner weder
aus dem Vermögen noch auf andere Weise möglich sein.
Diese Voraussetzungen liegen vor. Bei der Beschaffung von Lernmitteln für den Unterricht
handelt es sich grundsätzlich um einen von der Regelleistung umfassten Bedarf.
Dieser ist zum jetzigen Zeitpunkt auch unabweisbar, da die ASt überzeugend dargelegt
haben, dass sie anlässlich des gerade begonnenen Schuljahres die aufgelisteten Unterrichtsmaterialien
benötigen. Es drängt sich auf, dass ohne diese Materialien der Schulalltag
nicht sachgerecht zu bewältigen ist.
Nach summarischer Prüfung haben die ASt auch keine Möglichkeit, diesen Bedarf aus
dem Vermögen oder auf andere Weise zu decken.
Soweit die AG darauf verweist, die ASt hätten die Möglichkeit nicht genutzt, die Lernmaterialien
unentgeltlich zu leihen, ist den ASt diese Möglichkeit nach summarischer Prüfung
der Verwaltungsakten nicht gegeben gewesen. Die hier streitbefangen Unterrichtsmaterialien
mussten von den Eltern selbst käuflich erworben werden.
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Ein Anordnungsgrund liegt ebenfalls vor. Dieser wird auch nicht dadurch beseitigt, dass
die AG im Zuge dieses Verfahrens die ASt auf die Möglichkeit hingewiesen haben, ein
Darlehen zu beantragen. Ob und inwieweit die ASt von dieser Möglichkeit Gebrauch machen,
ob die AG den Antrag ablehnt oder ihm stattgibt - der Ausgang des u.U. kommenden
Verfahrens ist für dieses Verfahren zunächst unerheblich. Es ist den ASt auch nicht
zumutbar, das Widerspruchsverfahren bzw. die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten,
denn die Schule hat gerade begonnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG entsprechend.
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Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss findet die Beschwerde zum Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-
Bremen statt. Sie ist binnen eines Monats nach Zustellung des Beschlusses bei
dem Sozialgericht (SG) Hannover, Calenberger Esplanade 8, 30169 Hannover, schriftlich
oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerdefrist
ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Landessozialgericht
Niedersachsen-Bremen, Georg-Wilhelm-Straße 1, 29223 Celle oder bei
der Zweigstelle des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen, Am Wall 201, 28195
Bremen oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Hilft das Sozialgericht der Beschwerde nicht ab, legt es sie dem Landessozialgericht Niedersachsen-
Bremen zur Entscheidung vor.
D.
https://www.landessozialgericht.niedersachsen.de/master/C13262241_N6074864_L20_D0_l5210490.html


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