Schwerbehinderter (gleichgestellter) soll entlassen werden, muss er sich jetzt schon beim Arbeitsamt melden und kann jemand einen guten Ratschlag geben darüber hinaus?

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Thani

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Hallo zusammen,

ich weiß hier ist das ELO Forum und kein Arbeitsrecht Forum, aber ich habe in meiner Zeit als ELO so viel freundliche und kompetente HIlfe von hier erhalten, dass ich die Frage gern mal hierhin "weiterreichen" möchte.

Ein guter Freund von mir hatte wohl gestern ein Personalgespräch in der Firma. Sein Chef hat ihm eröffnet, dass die Firma beabsichtigt sich von ihm zu trennen. Als Gründe wurden wohl diverse Performance Indikatoren genannt und die Tatsache, dass die "Quartalszahlen" nicht stimmen, die Firma also sparen muss. Anscheinend gab es schon diverse Streichungen, Büros wurden geschlossen/zusammengelegt etc und nun soll auch am Personal gespart werden.

Mein Freund hatte mich um Rat gefragt hinsichtlich des Arbeitsamtes, da ich ihm damals (er arbeitet jetzt etwas über zwei Jahre bei der Firma) bei Fragen mit dem Arbeitsamt immer etwas ausgeholfen habe (meistens hab ich einfach nur weitergegeben, was ich hier im Forum gefunden habe :D)

In seinem Fall wollte mir aber nun kein guter Ratschlag einfallen, darum wollte ich mal bei euch nachfragen:

1. Er hat noch nichts schriftlich, es war einfach nur das Gespräch, ich nehme an, an das Arbeitsamt muss er sich erst wenden, wenn er schriftlich gekündigt wurde?
2. Er ist Schwerbehindert bzw. gleichgestellt, was bei mir die Frage aufwirft, ob er überhaupt einfach so gekündigt werden kann bzw. aus welchen Gründen die Kündigung hier überhaupt zulässig wäre? Google hat nur kurz ausgespuckt, dass hierfür wohl das Integrationsamt ebenfalls zustimmen und die Stellungnahmen von Betriebsrat, Schwerbehindertenvertretung etc. einholen muss. Allerdings stand dann in den Details dann auch irgendwie, dass wenn die Stellungnahmen nicht vorliegen, as Verfahren trotzdem weiter läuft, sprich am Ende braucht man die doch nicht ?!?! Ein wirkliches Bild konnte ich mir jedenfalls daraus nicht machen.
2.1 Was wäre denn, wenn er jetzt eine Kündigung erhält, und das Integrationsamt garnicht gefragt wurde?
3. Falls ihr sonst noch einen guten Rat für ihn habt oder Erfahrung in solcher Situation, gebe ich natürlich auch das gerne weiter.

Danke und beste Grüße!
Thani
 
Er hat noch nichts schriftlich, es war einfach nur das Gespräch, ich nehme an, an das Arbeitsamt muss er sich erst wenden, wenn er schriftlich gekündigt wurde?
Ja, stimmt.
Er ist Schwerbehindert bzw. gleichgestellt, was bei mir die Frage aufwirft, ob er überhaupt einfach so gekündigt werden kann bzw. aus welchen Gründen die Kündigung hier überhaupt zulässig wäre?
Fazit. Schwerbehinderte sind nicht unkündbar, aber durch ein formales Verfahren vor Ausspruch einer Kündigung besonders geschützt. Der besondere Kündigungsschutz gilt für Schwerbehinderte und ihnen gleichgestellten Personen. Der Arbeitgeber muss das Integrationsamt vor Ausspruch der Kündigung um Zustimmung bitten.21.01.2022
Allerdings stand dann in den Details dann auch irgendwie, dass wenn die Stellungnahmen nicht vorliegen, as Verfahren trotzdem weiter läuft, sprich am Ende braucht man die doch nicht ?!?!
Mit dem Verfahren ist das formale Verfahren vor Ausspruch der Kündigung gemeint. Das heißt, daß das Integrationsamt dem AG erst mitteilen muß, ob es die Zustimmung zur Kündigung erteilt oder nicht.
Falls vorhanden, muß auch der Betriebsrat bzw. die Schwerbehindertenvertretung vorher gehört werden.
Erst nach deren positiven Stellungnahme kann der AN gekündigt werden.
[Dieses Verfahren ist vielen AGs zu aufwendig und das ist einer der vielen Gründe, weswegen AGs nicht gern Schwerbehinderte einstellen.]
Was wäre denn, wenn er jetzt eine Kündigung erhält, und das Integrationsamt garnicht gefragt wurde?
Dann kann er Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einreichen. Bitte beachten: Die Klage muß binnen 3 Wochen eingereicht werden.
 
Dann kann er Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einreichen. Bitte beachten: Die Klage muß binnen 3 Wochen eingereicht werden.
Danke für den Hinweis!

Reicht bei der Klage denn in dem skizzierten Fall der Hinweis darauf, dass das Integrationsamt nicht befragt wurde?
 
Reicht bei der Klage denn in dem skizzierten Fall der Hinweis darauf, dass das Integrationsamt nicht befragt wurde?
Es wäre zumindest mal ein Teil der Begründung.
Für Näheres müßte man wissen, wie die Kündigung begründet ist. Diese liegt aber noch nicht vor. Da müßtest Du abwarten, ob überhaupt gekündigt wird, denn noch ist es nur im Gespräch.
 
Ich gehe davon aus dass dein Freund länger als sechs Monate beim selben Arbeitgeber beschäftigt ist und noch nicht älter als 58 Jahre alt ist.
1. Er hat noch nichts schriftlich, es war einfach nur das Gespräch, ich nehme an, an das Arbeitsamt muss er sich erst wenden, wenn er schriftlich gekündigt wurde?
Er muss sich erst melden wenn er von der Kündigung weiß, dies also schon gesichert ist. Im SV hört sich das noch nicht hinreichend sicher an, wenn du schreibst dass "beabsichtigt" wird ihm zu kündigen. Er muss also noch nicht tätig werden.
2. Er ist Schwerbehindert bzw. gleichgestellt, was bei mir die Frage aufwirft, ob er überhaupt einfach so gekündigt werden kann bzw. aus welchen Gründen die Kündigung hier überhaupt zulässig wäre? Google hat nur kurz ausgespuckt, dass hierfür wohl das Integrationsamt ebenfalls zustimmen und die Stellungnahmen von Betriebsrat, Schwerbehindertenvertretung etc. einholen muss. Allerdings stand dann in den Details dann auch irgendwie, dass wenn die Stellungnahmen nicht vorliegen, as Verfahren trotzdem weiter läuft, sprich am Ende braucht man die doch nicht ?!?! Ein wirkliches Bild konnte ich mir jedenfalls daraus nicht machen.
Natürlich kann Schwerbehinderten gekündigt werden. Die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ist dabei absolut unverzichtbar; unterbleibt sie, ist die Kündigung unwirksam (§ 178 II 3 SGB IX). Ebenso, wenn der Betriebsrat nicht gehört wurde (§ 102 I 3 Betriebsverfassungsgesetz).

Was dich verwirrt ist vielleicht die Zustimmungsfiktion: wenn SBV und BR gehört werden und sich nicht rechtzeitig äußern, gilt dies als Zustimmung zur Kündigung (etwa § 102 II 2 Betriebsverfassungsgesetz).
2.1 Was wäre denn, wenn er jetzt eine Kündigung erhält, und das Integrationsamt garnicht gefragt wurde?
Dann wäre die Kündigung unwirksam (steht so leider nicht ausdrücklich im Gesetz, die hM sieht es aber als Fall des § 134 BGB). Ich kann aber nur davor warnen, sich zu viele Hoffnungen zur Stellungnahme des Integrationsamtes zu machen. Die prüfen nämlich nicht die gesamte Rechtmäßigkeit der Kündigung, sondern nur ob und wieweit die Kündigung mit den besonderen Leiden des Schwerbehinderten bedingt ist. Das ist bei betriebsbedingten Kündigungen - wie hier offenbar beabsichtigt - in der Regel keine hohe Hürde.
3. Falls ihr sonst noch einen guten Rat für ihn habt oder Erfahrung in solcher Situation, gebe ich natürlich auch das gerne weiter.
Unbedingt klagen. Bei betriebsbedingten Kündigungen können Arbeitgeber bei der Sozialauswahl kaum alles richtig machen und die Schwerbehinderung macht es auch nicht leichter.
 
Hallo alle zusammen,

ich hatte eure Informationen einmal weiter gegeben, vielen Dank an dieser Stelle dafür!

Der Fall hat sich jetzt dahingehend entwickelt, dass in einem weiteren Personalgespräch eine einvernehmliche Einigung angeboten wurde in Form eines Aufhebungsvertrages.
Ich habe da schon zu bedenken gegeben, dass bei einem Aufhebungsvertrag im Zweifelsfall eine dreimonatige Sperre beim Arbeitsamt auf ihn wartet. Es gibt zwar Formulierungen, die wohl manche Arbeitsämter anerkennen, aber sicher ist man da nie.

Ich halte das Angebot mit dem Aufhebungsvertrag allerdings für sehr knifflig. Denn im Falle einer Kündigung wäre der Weg klar gewesen in Richtung Klage.
Nun muss irgendwie abgewogen werden, ob man mit einem Aufhebungsvertrag nicht ein besseres Ergebnis erzielen kann.

Das wiederum setzt voraus, dass man grob einschätzen kann, was mit einer Kündigungsschutzklage erreichen könnte.
Der Optimalfall wäre hier wohl, dass im Rahmen einer Kündigungsschutzklage festgestellt wird, dass die Kündigung unwirksam ist und besagter Kollege dann einfach unbehelligt weiter bei der Firma arbeiten könnte, wobei das realistisch wohl hieße, dass er dort noch ein bis drei Jahre verbringt. Laut seiner Einschätzung wären ihm die Berufserfahrung und das sichere Gehalt in der Zeit mehr wert, als jede (realistisch zu erwartende) Abfindung.

Ich teile da seine Einschätzung, da die meisten Schwerbehinderten es ja am Arbeitsmarkt nicht unbedingt leicht haben. Ich habe zum Thema Kündigungsschutzklage allerdings auch mal ein wenig recherchiert und mein Eindruck war, dass die eigentlich selten so ausgehen, dass die betroffene Person einfach weiter beim bisherigen Arbeitgeber arbeiten kann.

1. Erwartet das Gericht so weit mir bekannt ist, dass beide Seiten auf eine gütliche Einigung hinwirken und sich zum Beispiel im Rahmen eines solchen Aufhebungsvertrages einigt. Das klingt im ersten Moment natürlich fair, aber wenn man sich das mal auf der Zunge zergehen lässt, bedeutet das, dass der AG eine gewisse Summe Geld und andere Zugeständnisse macht um letztlich aber sein eigentliches Ziel zu erreichen, während das Zugeständnis des hier schwerbehinderten ANs darin besteht, dass er seine Stelle und seinen Lebensunterhalt aufgibt.

Ich fand das beim recherchieren sehr skurril. Denn mir hat sich irgendwann die Frage gestellt, was die ganzen Arbeitnehmer-Rechte und die Rechte für Schwerbehinderte eigentlich bringen, wenn vor Gericht dann erwartet wird, dass der AN gegen mal mehr, mal weniger Geld von diesen Rechten abweicht und dann einer Aufhebung seines Vertrages zustimmt? Oder habe ich da bei der Recherche irgendwie ein falsches Bild erhalten?

2. Selbst wenn das Gericht entscheiden würde, dass die Kündigung einfach ungültig ist, kann ich mir nicht vorstellen, dass sich der Arbeitsalltag des Arbeitnehmers im Unternehmen einfach wie bisher fortsetzt. Es ist davon auszugehen, das der Arbeitnehmer nur noch für Tätigkeiten eingesetzt wird, die ihm gerade noch so zumutbar sind und Gehaltsanpassungen oder Weiterbildungen sind dann sicher auch kein Thema mehr. Sprich irgendwie ist das dann ja auch eine Sackgasse und eine belastende noch dazu.

Es kann natürlich sein, dass eine Klage dennoch die bestmögliche Wahl ist, einfach weil hierdurch das Unternehmen am Ende des Tages vielleicht doch nochmal mehr Zugeständnisse macht, als ohne einen Prozess.

Aber das kann ich ohne Erfahrung in diesen Dingen nicht einschätzen.
Darum wollte ich euch nochmal meine Gedanken dazu mitteilen und wäre dankbar für euren Input!
 
Ich habe zum Thema Kündigungsschutzklage allerdings auch mal ein wenig recherchiert und mein Eindruck war, dass die eigentlich selten so ausgehen, dass die betroffene Person einfach weiter beim bisherigen Arbeitgeber arbeiten kann.
Das stimmt.
1. Erwartet das Gericht so weit mir bekannt ist, dass beide Seiten auf eine gütliche Einigung hinwirken und sich zum Beispiel im Rahmen eines solchen Aufhebungsvertrages einigt. Das klingt im ersten Moment natürlich fair, aber wenn man sich das mal auf der Zunge zergehen lässt, bedeutet das, dass der AG eine gewisse Summe Geld und andere Zugeständnisse macht um letztlich aber sein eigentliches Ziel zu erreichen, während das Zugeständnis des hier schwerbehinderten ANs darin besteht, dass er seine Stelle und seinen Lebensunterhalt aufgibt.
Deine Gedanken dazu sind nicht ganz falsch, aber die Gründe dafür, dass es fast immer auf eine "gütliche" Einigung hinausläuft, sind vielfältig.

Zunächst hat die Medaille ja zwei Seiten: es ist ja auch für Arbeitgeber sehr schwer, eigentlich rechtmäßige Kündigungen "voll" (also ohne Abfindung oder andere Form eines Deals) durchzudrücken, selbst wenn Arbeitnehmer sich schwer danebenbenommen hatten. In Zweifelsfällen stellen sich die Gerichte lieber auf die Seite von Arbeitnehmern, da diese ja tendenziell die schwächere Partei darstellen. So sind die gütigen Einigungen meist für mindestens eine Seite ein äußerst fauler Kompromiss, mal für die eine, mal für die andere Partei.

Ferner sind die Fälle vorm Arbeitsgericht fast nie eindeutig bzw. selten gut beweisbar. Während es im Strafrecht mit der Unschuldsvermutung ja eine klare Richtlinie - im Zweifel für den Angeklagten gibt - fehlt so eine Standardlösung beim Arbeitsgericht. Es muss zwischen zwei in der Regel unversöhnlich zerstrittenen Parteien vermittelt werden und da ist selten alles schwarz oder weiß.

Zu guter Letzt kommt noch dazu, was du schon selbst angesprochen hast:

Selbst wenn das Gericht entscheiden würde, dass die Kündigung einfach ungültig ist, kann ich mir nicht vorstellen, dass sich der Arbeitsalltag des Arbeitnehmers im Unternehmen einfach wie bisher fortsetzt. Es ist davon auszugehen, das der Arbeitnehmer nur noch für Tätigkeiten eingesetzt wird, die ihm gerade noch so zumutbar sind und Gehaltsanpassungen oder Weiterbildungen sind dann sicher auch kein Thema mehr. Sprich irgendwie ist das dann ja auch eine Sackgasse und eine belastende noch dazu.
Bei einer Weiterbeschäftigung gegen den Willen des Arbeitgebers ist bei lebensnaher Betrachtung immer davon auszugehen, dass der Arbeitsalltag äußerst unangenehm verlaufen wird. Wenn ein Arbeitnehmer wirklich nicht erwünscht ist, sind auch ganz erstaunliche Schikanen möglich ohne den Bereich der Rechtmäßigkeit zu verlassen. Das führt in der Praxis mitunter dazu, dass der Arbeitnehmer erfolgreich "zur Eigenkündigung motiviert" werden kann und am Ende leer ausgeht.

Auch das haben Arbeitsgerichte im Hinterkopf, wenn sie einen Vergleich anstreben.

Ich fand das beim recherchieren sehr skurril. Denn mir hat sich irgendwann die Frage gestellt, was die ganzen Arbeitnehmer-Rechte und die Rechte für Schwerbehinderte eigentlich bringen, wenn vor Gericht dann erwartet wird, dass der AN gegen mal mehr, mal weniger Geld von diesen Rechten abweicht und dann einer Aufhebung seines Vertrages zustimmt? Oder habe ich da bei der Recherche irgendwie ein falsches Bild erhalten?
Schwerbehinderte haben bei Kündigungen ja "nur" die o. g. besonderen Rechte, als das die SBV und der Integrationsrat mit ins Boot müssen. Wenn dies korrekt abläuft, können sie genauso gekündigt werden wie nicht-schwerbehinderte Arbeitnehmer. Einen wirklich starken, besonderen Kündigungsschutz wie Schwangere oder "Unkündbare" (gewisse, öffentliche Tarifverträge) haben Schwerbehinderte nicht. Das ist also kein Fall für die Gerichte, sondern für den Gesetzgeber, wenn daran etwas geändert werden soll.

Es kann natürlich sein, dass eine Klage dennoch die bestmögliche Wahl ist, einfach weil hierdurch das Unternehmen am Ende des Tages vielleicht doch nochmal mehr Zugeständnisse macht, als ohne einen Prozess.
Das kann sehr gut sein. Aber eine abschließende Beurteilung dazu geht leider über die Grenzen dieses Threads hinaus.
 
Hallo @bebes
erst mal vielen Dank, dass du dir nochmal Zeit genommen hast und so ausführlich auf alle meine Punkte eingegangen bist.

Zu folgendem muss ich aber nochmal nachhaken, wenn du erlaubst:

Schwerbehinderte haben bei Kündigungen ja "nur" die o. g. besonderen Rechte, als das die SBV und der Integrationsrat mit ins Boot müssen. Wenn dies korrekt abläuft, können sie genauso gekündigt werden wie nicht-schwerbehinderte Arbeitnehmer. Einen wirklich starken, besonderen Kündigungsschutz wie Schwangere oder "Unkündbare" (gewisse, öffentliche Tarifverträge) haben Schwerbehinderte nicht. Das ist also kein Fall für die Gerichte, sondern für den Gesetzgeber, wenn daran etwas geändert werden soll.

Gerade den letzten Satz sehe ich nach dem, was ich so gelesen habe, genau anders herum. Weil mein Eindruck ist, das Gesetz versucht Arbeitnehmer und insbesondere Menschen mit Nachteilen ja davor zu schützen, gekündigt zu werden, indem es für die Kündigung bestimmte Regeln aufstellt. Und für die Kündigung von (schwer)behinderten Menschen sind diese Regeln nochmal enger. Wenn diese Regelungen nicht eingehalten werden ergibt sich aus dem Gesetz nur, dass eine Kündigung ungültig ist und in dem Fall bleibt der Arbeitsvertrag bestehen. Das macht aus meiner persönlichen Sicht auch Sinn, denn (schwer)behinderte Menschen haben es ja unter anderem am Arbeitsmarkt schwerer eine Stelle zu finden, weshalb der Gesetzgeber ihr bestehendes Arbeitsverhältnis schützen will.

Ich konstruiere jetzt mal folgenden Fall so, wie ich nun aber die Realität verstanden habe:
AN ist 50% schwer behindert, Arbeitgeber möchte sich von ihm/ihr trennen und legt einen Aufhebungsvertrag vor. AN ist sich aber bewusst, dass er/sie schwer eine neue Stelle finden wird und das würde der Aufhebungsvertrag trotz Abfindung nicht ausgleichen können. Darum entscheidet sich AN den Aufhebungsvertrag nicht anzunehmen.
Darauf hin kündigt der AG dem/der AN .
Betriebsrat, Schwerbehindertenvertretung, Integrationsamt werden alle NICHT befragt. (nur mal für die Einfachkeit unterstellt)
AN legt Kündigungsschutzklage ein. Von Seiten des Gesetzgebers ist klar, die Kündigung ist nicht wirksam.
Vor Gericht wird jetzt verhandelt, der AG argumentiert, dass man ja einen Aufhebungsvertrag angeboten hatte, AN den aber nicht akzeptiert hat.
Das Gericht ist in diesem Fall dann wie ich es verstanden habe bestrebt, auf eine gütliche Einigung hinzuwirken. Gütliche Einigung wird aber wohl in 99% der Fälle heißen, dass der/die AN den Arbeitsvertrag nicht weiterführen wird.

Das heißt auch wenn der Gesetzgeber hier ganz deutlich sagt die Kündigung ist ungültig, würde das Gericht darauf hinarbeiten, dass der/die AN von seinem Arbeitsvertrag ablässt und sich unter erschwerten Bedingungen wieder eine neue Stelle suchen muss, obwohl das genau das ist, wovor der Gesetzgeber ihn/sie doch schützen will.

(Ich lasse jetzt mal bewusst außen vor, dass der Arbeitgeber ja auch Zugeständnisse machen wird, weil ich einfach davon ausgehe, dass keine realistisch zu erwartende Abfindung die Nachteile ausgleichen wird, die in diesem Fall auf den/die AN zukommen)
 
Zu folgendem muss ich aber nochmal nachhaken, wenn du erlaubst:
Immer gern.

Weil mein Eindruck ist, das Gesetz versucht Arbeitnehmer und insbesondere Menschen mit Nachteilen ja davor zu schützen, gekündigt zu werden, indem es für die Kündigung bestimmte Regeln aufstellt. Und für die Kündigung von (schwer)behinderten Menschen sind diese Regeln nochmal enger.
Schon richtig, aber ein Vergleich kommt letztlich ja auch nur zustande, wenn sich beide Parteien einig werden. Und in aller Regel begehren gekündigte Arbeitnehmer nicht, tatsächlich weiterbeschäftigt zu werden.

Du hast also in der Praxis völlig Recht, dass Arbeitgeber i. d. R. am Ende erfolgreich sein werden, wenn sie einen Arbeitnehmer wirklich loswerden wollen; wenn es auch teuer sein mag. Aber das ist nicht bloß die Schuld der Gerichte, sondern liegt daran, dass sich die meisten gekündigten AN spätestens bei der Güteverhandlung damit abgefunden haben, dass eine Weiterbeschäftigung wohl keinen Sinn mehr machen wird.

Ich konstruiere jetzt mal folgenden Fall so, wie ich nun aber die Realität verstanden habe:
AN ist 50% schwer behindert, [...]
Darauf hin kündigt der AG dem/der AN .
Betriebsrat, Schwerbehindertenvertretung, Integrationsamt werden alle NICHT befragt. [...]
Das Gericht ist in diesem Fall dann wie ich es verstanden habe bestrebt, auf eine gütliche Einigung hinzuwirken.
Bei einem so eindeutigen Fall würde tatsächlich nur knapp die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt werden.

So wie von dir geschildert, ist der Fall aber aus zwei Gründen nicht besonders realistisch: erstens würde der Arbeitgeber sicher einen zweiten Versuch starten, in dem er die Gremien einbindet damit die Kündigung nicht wieder unwirksam wird. Zweitens wäre ein solches Vorgehen schon extrem bescheuert und auch teuer für den Arbeitgeber: schließlich müsste er ja auch den Lohn für die Zeit nachzahlen, in der der Arbeitnehmer zwischenzeitlich scheinbar gekündigt war und tatsächlich nicht mehr gearbeitet hat. In so einem Fall würde ich als Arbeitgeber prüfen, wie ich denjenigen Personaler loswerde, der einen solch dilettantischen Kündigungsversuch zu verantworten hat.
 
Danke nochmal für den ausführlichen Input!
Eine Frage noch, wie schaut es aus mit Arbeitsamt und Aufhebungsvertrag.
Ich weiß bei so nem Vertrag muss man davon ausgehen, dass man dann erst mal drei Monate Sperre hat beim Arbeitsamt.
Aber muss man dem Arbeitsamt mitteilen, dass einem ein solcher Vertrag angeboten wurde? Oder erst, wenn der Vertrag auch unterschrieben ist?
 
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