Sozialgericht Berlin, Gerichtsbescheid vom 1. August 2017 (Az.: S 134 AS 7027/17): Leitsatz Dr. Manfred Hammel
1. Das Fehlen einer Befristung eines gemäß § 15 Abs. 3 Satz 3
SGB II erlassenen Eingliederungsverwaltungsakts oder zumindest einer festen Überprüfungsfrist hat als ermessensfehlerhaft (§§ 2 und 39
SGB I) aufgefasst zu werden.
2. Das Jobcenter unterliegt der Verpflichtung, bei seiner hier zu treffenden Ermessensentscheidung im Hinblick auf die Geltungsdauer eines derartigen Verwaltungsakts ebenfalls zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber für den Fall des Zustandekommens einer Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Abs. 2 Satz 1
SGB II in aller Regel einen Zeitraum von höchstens sechs Monaten ohne eine Überprüfung dieses öffentlich-rechtlichen Vertrags für angemessen hält (§ 15 Abs. 3 Satz 1
SGB II).
3. Diesen Anforderungen entspricht die in Sachen eines Eingliederungsverwaltungsakts verfügte Gültigkeit „bis auf weiteres“ nicht.
4. Der
SGB II-Träger hat hier entweder hinsichtlich des von ihm nach § 15 Abs. 3 Satz 3
SGB II erlassenen Verwaltungsakts eine längstens sechsmonatige Befristung festzusetzen oder zumindest einen zwingenden, sechsmonatigen Überprüfungsturnus (mit entsprechender Anhörung des Antragstellers) vorzusehen.
Hinweis:
Eingliederungsbescheid Geltungsdauer - bis auf weiteres - Geltungsdauer muss bestimmt sein, Stand 10.01.2018, ein Beitrag von Willy Voigt
Literatur/Schrifttum:
Beim Eingliederungsverwaltungsakt greift der in Abs. 3 Satz 1 geregelte Überprüfungsmechanismus nicht; hier ist die Regelüberprüfungs(höchst)frist die Höchstfrist für die einseitig festzulegende Laufzeit (zur Bindung an die sechsmonatige Regellaufzeit nach § 15 Abs. 1 Satz 6 a.F.:
BSG 14.2.2013 - B 14 AS 195/11 R, SozR 4-4200 § 15 Nr. 2). (Vgl. Berlit in LPK-
SGB II (Münder) &. Aufl. § 15 Rn 62.)
Beim Eingliederungsverwaltungsakt steht die Laufzeit nicht im freien Ermessen des Leistungsträgers, nach der gesetzlichen Regelung ist grundsätzlich und für den Regelfall ein Zeitrahmen von 6 Monaten vorgegeben (vgl. Sonnhoff in jurisPK-
SGB II 4. Aufl. § 15 Rn 17, 141.).
(So auch BeckOK-SozR/Harich, § 15
SGB II Rn. 35.)
Rechtsprechung, Stand: 10.01.2018:
Sozialgericht Bremen, Beschluss vom 29. Juni 2016 (Az.: S 21 AS 1258/16 ER ):
Bei der Entscheidung über die Gültigkeitsdauer einer Eingliederungsvereinbarung (§ 15 Abs. 1 Satz 1
SGB II –
EGV ) und des diese
EGV gemäß § 15 Abs. 1 Satz 6
SGB II ersetzenden Verwaltungsakts ist das Ermessen des Jobcenters entsprechend § 15 Abs. 1 Satz 3
SGB II gebunden.
Behördlicherseits ist hier im Regelfall stets eine Laufzeit von sechs Monaten zu beachten. Eine Überschreitung dieser Frist ohne die Darlegung gesonderter Ermessenserwägungen hat als rechtswidrig aufgefasst zu werden.
Sozialgericht Nordhausen, Beschluss vom 30. September 2016 (Az.: S 27 AS 1695/16 ER ): Die vom Jobcenter durch Verwaltungsakt getroffenen Regelungen über eine Eingliederungsvereinbarung (§ 15 Abs. 1 Satz 6
SGB II a. F. - § 15 Abs. 3 Satz 3
SGB II n. F.) sind, sofern in dieser Verfügung eine Geltungsdauer von wesentlich mehr als sechs Monaten vorgesehen wird, rechtswidrig, wenn keine besonderen Gründe für eine derartige Anordnung sprechen (§ 15 Abs. 1 Satz 3
SGB II a. F. - § 15 Abs. 3 Satz 1
SGB II n. F.).
Eine mit Ermessenserwägungen zu rechtfertigende Abweichung von der prinzipiell obligatorischen Überprüfung einer Eingliederungsvereinbarung nach einem Zeitraum von sechs Monaten ist gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1
SGB II n. F. nur noch dahingehend möglich, dass eine Überprüfung und Fortschreibung der entsprechenden Inhalte zu einem früheren Zeitpunkt als nach einem halben Jahr festgelegt wird.
LSG München, Beschl. v. 08.06.2017 – L 16 AS 291/17 B ER Auch nach neuem Recht gilt: Der eine Eingliederungsvereinbarung ersetzende Verwaltungsakt ist rechtswidrig, wenn die gesetzlich vorgesehene Geltungsdauer ohne Ermessenserwägungen überschritten wird.
SG Köln, Urt. v. 23.06.2017 - S 33 AS 691/17 Eingliederungsbescheid (EinV als VwA) unbefristete Geltungsdauer "bis auf weiteres" ohne Ermessenserwägungen rechtswidrig.
Sozialgericht Berlin, Gerichtsbescheid vom 1. August 2017 (Az.: S 134 AS 7027/17): Das Fehlen einer Befristung eines gemäß § 15 Abs. 3 Satz 3
SGB II erlassenen Eingliederungsverwaltungsakts oder zumindest einer festen Überprüfungsfrist hat als ermessensfehlerhaft (§§ 2 und 39
SGB I) aufgefasst zu werden.
Das Jobcenter unterliegt der Verpflichtung, bei seiner hier zu treffenden Ermessensentscheidung im Hinblick auf die Geltungsdauer eines derartigen Verwaltungsakts ebenfalls zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber für den Fall des Zustandekommens einer Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Abs. 2 Satz 1
SGB II in aller Regel einen Zeitraum von höchstens sechs Monaten ohne eine Überprüfung dieses öffentlich-rechtlichen Vertrags für angemessen hält (§ 15 Abs. 3 Satz 1
SGB II).
Diesen Anforderungen entspricht die in Sachen eines Eingliederungsverwaltungsakts verfügte Gültigkeit „bis auf weiteres“ nicht.
Der
SGB II-Träger hat hier entweder hinsichtlich des von ihm nach § 15 Abs. 3 Satz 3
SGB II erlassenen Verwaltungsakts eine längstens sechsmonatige Befristung festzusetzen oder zumindest einen zwingenden, sechsmonatigen Überprüfungsturnus (mit entsprechender Anhörung des Antragstellers) vorzusehen.
Sozialgericht Berlin, Beschluss vom 12. Oktober 2017 (Az.: S 186 AS 11916/17 ER ): Leitsätze
Ein nach § 15 Abs. 3 Satz 3
SGB II erlassener Eingliederungsverwaltungsakt ist rechtswidrig, wenn aus dieser Verfügung keine Gültigkeitsdauer hervorgeht.
Es ist geboten, die Geltungsdauer eines Eingliederungsverwaltungsakts zeitlich zu begrenzen.
Ein entsprechender Verwaltungsakt ist inhaltlich nicht hinreichend bestimmt genug (§ 33 Abs. 1
SGB X), wenn bei fehlenden Angaben über den Gültigkeitszeitraum für den Antragsteller in keiner Weise klar ist, für welchen Zeitraum er an die ihm gegenüber dort im Einzelnen verfügten Mitwirkungsobliegenheiten (z. B. eine Teilnahme am JobCoaching) gebunden ist.
Der Sinn und Zweck des § 15 Abs. 3 Satz 1
SGB II, die regelmäßige Überprüfung der jeweiligen Eingliederungshilfemaßnahmen und der hieraus resultierenden Pflichten der Beteiligten zu erreichen, kann bei einer Ersetzung einer Eingliederungsvereinbarung (§ 15 Abs. 1
SGB II) durch einen gemäß § 15 Abs. 3 Satz 3
SGB II erlassenen Verwaltungsakt nur dann erreicht werden, wenn die Gültigkeitsdauer dieser speziellen Verfügung von vornherein zeitlich befristet ist.
SG Karlsruhe, Urt. v. 12.10.2017 - S 14 AS 1709/17 Grundsicherung für Arbeitsuchende - Eingliederungsleistung - Eingliederungsverwaltungsakt - Geltungsdauer von 6 Monaten auch nach Neufassung des § 15 Abs 3 S 3
SGB 2
Leitsätze
Auch nach der Neufassung des § 15 Abs. 3
SGB II darf die Höchstgeltungsdauer von 6 Monaten ohne Ermessenserwägungen nicht überschritten werden, soweit es sich um einen Eingliederungsverwaltungsakt gem. § 15 Abs. 3 Satz 3
SGB II handelt.
SG Dortmund, Beschl.v. 10.01.2018 - S 27 AS 5836717 E Aufschiebende Wirkung - Eingliederungsverwaltungsakt rechtswidrig, weil er keine Geltungsdauer bestimmt - bis auf weiteres gelten soll
Leitsätze
1. Die unbeschränkte Geltungsdauer einer
EGV führt zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes.
2. Nach der zu § 15 Abs. 1 S. 6
SGB II a.F. ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung ist ein eine
EGV ersetzender
VA rechtswidrig, wenn die gesetzlich vorgesehene Geltungsdauer ohne Ermessenserwägungen überschritten wird (unter Verweis auf
BSG , Urteil vom 14.02.2013-B 14 AS 195/11 R).
3. Auch nach neuem Recht ist davon auszugehen, dass die Überprüfungsfrist von sechs Monaten bei fehlender Ermessensausübung die Höchstfrist für eine einseitig festzulegende Laufzeit bei einem Eingliederungsverwaltungsakt ist (unter Verweis auf
LSG Bayern, L 16 AS 291/17 B
ER ).