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Die Bundesregierung blickt dem Verfahren um die Verfassungsbeschwerden gegen die Vorratsdatenspeicherung offiziell gelassen entgegen. Wie aus ihrem knapp 120 Seiten langen Verteidigungsschriftsatz (PDF-Datei) hervorgeht, den der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung gerade veröffentlicht hat, sieht sie eine Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts überhaupt nicht gegeben. Die angegriffenen Normen im Telekommunikationsgesetz entsprächen den "verpflichtenden Vorgaben" der entsprechenden EU-Richtlinie, heißt es zur Begründung. Damit entzögen sie sich "einer Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht am Maßstab der Vorschriften des Grundgesetzes".
Einschreiten könnten die Karlsruher Richter nur, solange auf EU-Ebene keine dem Grundgesetz vergleichbare "Rechtsschutzgarantien" zur Verfügung stünden. Dies sei "nach dem erreichten Stand der Integration hinsichtlich von Hoheitsakten" der EU im Bereich der Menschenrechte nicht der Fall. Es handle sich zudem auch nicht um einen "ausbrechenden Rechtsakt", der gänzlich jenseits der EU-Kompetenzen ergangen wäre. "Nicht im Ansatz erkennbar" sei ferner ein Verstoß gegen die Menschenwürdegarantie in Artikel 1 Grundgesetz.
Bei dem einzigen Regelungsgehalt, der laut der Stellungnahme über die Brüsseler Direktive hinausgeht, handelt es sich dem Papier nach "um einen Gegenstand, der nicht mit Hilfe der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden kann". Der Bundestag hatte zuvor gemäß dem Vorschlag der Bundesregierung in Eigenregie unter anderem die Zugriffsmöglichkeiten auf die vorzuhaltenden Datenberge auch auf "mittels Telekommunikation begangener Straftaten" erweitert. Dies haben die Karlsruher Richter in Entscheidungen über Eilanträge der Kläger bereits vorläufig rückgängig gemacht.
Nach Interpretation der Bundesregierung hat die EU zudem "ausdrücklich" keine umfassenden "materiellen Grenzen der Verwendung der gespeicherten Daten" vorgesehen. Die Erlaubnis zur Nutzung der Informationen allein bei "schweren Straftaten" bezeichne keinen Rechtsbegriff, "der sich mit identischer Bedeutung im deutschen Strafrecht wieder finden lassen würde". Eine "juristische Definition" habe Brüssel nicht vorgebracht, stellt sich Berlin quasi einen Freibrief zur Datenverwendung aus. Es gebe keine EU-rechtlichen Hindernisse, die Vorratsdaten etwa auch "in den Dienst der qualifizierten polizeilichen und der nachrichtendienstlichen Aufgabenerfüllung" zur "Verhütung" von Straftaten zu stellen. Zudem könnten die Beschwerdeführer nicht geltend machen, dass sie durch diesen mit angegriffenen Akt "in ihren eigenen Rechten selbst, gegenwärtig und unmittelbar verletzt worden seien".
c't - 02.01.09 - Hintergrund - Bundesregierung wirft Gegnern der Vorratsdatenspeicherung "systematische" Fehler vor