Ergänzung zur Rolle der "PR Managerin" Brigitte Vallenthins innerhalb linker Strukturen in Wiesbaden von Hans-Gerd Öfinger (Journalist und Gewerkschafter in Wiesbaden), der mehr Insiderwissen hat als ich.
Ein Lehrstück
Brigitte Vallenthin hat bemerkenswertes PR-Geschick. In nur 5 Tagen ist es ihr – gewollt oder nicht – gelungen, den bislang völlig unbekannten 37jährigen Erwerbslosen Henrico Frank als Anti-Helden tagelang auf die Titelseite der auflagenstärksten Boulevardzeitung der Republik zu bringen. Ob der von ihr „gemanagte“ Frank, laut BILD-Schlagzeile „Deutschlands frechster Arbeitsloser“, indes die anstehenden Festtage entspannt genießen wird, ist fraglich. Wiesbaden erlebt in diesen Tagen ein Lehrstück nach dem Motto „Wie fahre ich Hartz IV- Proteste am besten an die Wand?“
Henrico Frank ist gebürtiger Thüringer und war in seinem Leben schon als Baufacharbeiter, Schaffner im ÖPNV wie auch in der Altenpflege tätig. Auch weil ihm eine Zusatzausbildung im Altenpflegebereich verweigert wurde, ist er nunmehr seit rund sechs Jahren erwerbslos. Die aktuelle Medienkampagne um Frank und seinen verbalen Zusammenstoß mit dem SPD-Vorsitzenden und rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck hatte ihren Ausgangspunkt in einer Stippvisite, mit der Beck den Oberbürgermeisterkandidaten der Wiesbadener SPD in einem Rundgang über den örtlichen Weihnachtsmarkt unterstützen sollte. Becks Bad in der Menge begann mit einem sachlichen Gespräch mit einer Eisenbahnerin, die dem SPD-Vorsitzenden – ohne Erfolg – eine Ablehnung der angedachten Privatisierungspläne nahe legen wollte. Wenige Minuten später dann beschimpfte Henrico Frank mit zwei weiteren Wiesbadener Erwerbslosen den SPD-Chef wegen seiner Mitwirkung an Hartz IV, worauf dieser zusagte, er könne Frank binnen drei Wochen eine Arbeitsstelle besorgen, wenn er sich nur waschen und rasieren würde. Becks für örtliche SPD-Politiker peinlicher Ausspruch kam in die Lokalpresse und fand bundesweit Widerhall.
Dies rief Brigitte Vallenthin auf den Plan. Die 65-jährige, bisher als Verlegerin und PR-Beraterin in Sachen Öko-Restaurants engagierte Dame war in der örtlichen Szene und in sozialen Bewegungen völlig unbekannt, bis sie im Sommer in Wiesbaden eine „Hartz-IV-Plattform“ gründete. Sie sah in der Empörung über Becks Ausspruch die einmalige Chance, sich und ihren Verein ins Rampenlicht zu rücken. Nachdem Henrico Frank, ihr Stellvertreter im Vereinsvorsitz, umgehend Becks Rat beherzigt und sich mit Hilfe eines Friseurs äußerlich vom Punk zum adretten jungen Mann gewandelt hatte, verkündete Vallenthin, dass dieser Beck beim Wort nehmen und nach drei Wochen in der Mainzer Staatskanzlei die Arbeitsplatzangebote entgegennehmen wolle. Der somit unter Zugzwang gesetzte Beck ließ nun am Wochenende mitteilen, dass er Frank bereits am Dienstag, 19. Dezember 2006, persönlich in Mainz empfangen und ihm Arbeitsplatzangebote aus regionalen Unternehmen unterbreiten wolle, die er dann auch prompt publizieren ließ.
Doch die Privataudienz kam nicht zustande. Bei einer Pressekonferenz am Montag erklärte Vallenthin als „Sprecherin“ und „Managerin“ eines absolut stummen und betreten drein blickenden Henrico Frank, dass dieser nicht zu Beck gehen könne, weil er einen ehrenamtlichen Vereinstermin bei der Kirche wahrzunehmen habe und zudem von Beck nur als Privatperson, nicht aber als Vertreter der Hartz-IV-Plattform geladen worden sei. So lieferte die „PR-Spezialistin“ all denen eine Steilvorlage, die schon immer behaupteten, dass Leute wie Henrico Frank angeblich gar nicht arbeiten wollten und ihre Vorurteile bestätigt fanden. Mit der Zustellung von acht Arbeitsplatzangeboten regionaler Firmen der Bau-, Transport und Gastronomiebranche, darunter auch einem Job als Tellerwäscher für 5,50 Euro pro Stunde, habe Beck Wort gehalten, verkündete seine Pressestelle.
Unterdessen weckte die Absage der „Managerin“ bei etlichen Arbeitssuchenden aus der Region Mainz-Wiesbaden, die frisch rasiert Frank in die Staatskanzlei begleiten und den Bartträger Beck beim Wort nehmen wollten, starke Zweifel am Nutzen von Vallenthins Kampagne. Insider und Aussteiger des Vereins beschreiben die gepflegt und bestimmt auftretende Dame als „kleine Diktatorin“, die mit dem gesundheitlich angeschlagenen Henrico Frank ein zynisches Spiel treibe. Andere wissen zu berichten, dass Vallenthin die Gabe besitze, überall anzuecken und dies in Wiesbaden bereits im Sozialforum, bei der Linken Liste und in der Linkspartei bewiesen habe, wo sie nach kurzen und konfliktreichen Auftritten wieder das Weite gesucht habe. Allerdings habe sie es geschafft, einige verzweifelte Erwerbslose an sich zu binden und ihnen mit ihrer PR-Arbeit zu imponieren. Dies sei nicht zuletzt auch eine Folge der Tatsache, dass manche Betroffene in örtlichen Gewerkschaftsstrukturen ein konsequentes öffentliches Eintreten gegen Hartz IV vermisst hätten, heißt es.
Auf die Frage nach ihren politischen Alternativen fiel Vallenthin bei der Montags-Pressekonferenz nur die Parole eines bedingungslosen Grundeinkommens ein. Ob sie mit ihrer Strategie diese (in der Linken umstrittene) Forderung verankern und quasi als „David gegen Goliath“ Beck zum Duell herausfordern und bloßstellen konnte, darf bezweifelt werden. Während Beck sich in der Weihnachtswoche als verhinderter Wohltäter feiern lässt, muss Henrico Frank als bundesweit bekannter Anti-Held nun Spießruten laufen, wo immer er auftaucht.
Dabei ist Becks Landespolitik für Gewerkschafter höchst kritikwürdig und haben gewaschene und rasierte Erwerbslose auch im idyllischen Beck-Land Rheinland-Pfalz nur geringe Vermittlungschancen. Nach der neuen Statistik der Agentur für Arbeit stehen 144400 registrierten Arbeitslosen nur 22.011 gemeldete offene Stellen gegenüber, darunter 7.199 Arbeitsgelegenheiten, also „1-Euro-Jobs“. Die Chance auf Vermittlung einer Stelle im 1. Arbeitsmarkt liegt somit bei rund 10 Prozent.
Trotz absoluter Landtagsmehrheit sei seine Politik keinesfalls sozialdemokratischer geworden als in 15 Regierungsjahren mit Becks Lieblingspartner FDP, bemängeln SPD-Mitglieder ebenso wie die Linke im Lande. Gewerkschaft ver.di und SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) kritisieren, dass unter Beck die Ladenöffnungszeiten bis 22 Uhr ausgeweitet wurden und Beamte im Lande regulär 41 Stunden in der Woche arbeiten sollen. Gegen das neue Ladenschlussgesetz protestierte ver.di unlängst vor dem Mainzer Landtag und warnte dabei vor weiterem Personalabbau und noch mehr Billigjobs in der Branche. „ver.di-Zoff mit der SPD“, heißt es auf der Website des ver.di-Landesbezirks im Zusammenhang mit einem Protest von Postbeamten gegen weitere Arbeitszeitverlängerung. Michael Simon von der AfA Bad Kreuznach fordert ebenso wie Sebastian Buhl von der Linkspartei Mainz-Bingen, dass bestehende 1-Euro-Jobs im Lande in unbefristete Arbeitsverhältnisse umgewandelt werden sollten und ein gesetzlicher Mindestlohn her muss. Die Linkspartei lehnt die angedachte Privatisierung der Mainzer Uniklinik ab, weil bei jeder Privatisierung erfahrungsgemäß viele Arbeitsplätze unter die Räder kämen.
Doch all diese Themen sind nun völlig in den Hintergrund gerückt, weil die Mainstream-Medien jetzt nur noch über Henrico Frank herziehen. Ei das hast du fein gemacht, Brigitte Vallenthin!
Hans-Gerd Öfinger