Termin 07.August 2012 um 11:00Uhr
Landessozialgericht Berlin- Brandenburg, 36 Senates L36 AS 1162/ 12 NK Försterweg 2-6 14482 Potsdam
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mit dem Auto:
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Von Potsdam: Stadtautobahn (Nuthestraße) Ausfahrt Wetzlarer Straße. Der Wetzlarer Straße folgen, und weiter, wie im vorherigen Abschnitt beschrieben.
Parkplätze befinden sich hinter dem Gerichtsgebäude, für Behinderte vor dem Gebäude neben dem Eingang.
Liebe Leute
Es wird davom weiter ausgegangen ;
dass die Rechtsprechung des BSG zum "schlüssigen Konzept" verfassungswidrig ist
Ein derart vorgenommene Konkretisierung der Regelung § 22 SGB II. durch das BSG in seinen Entscheidungen ist nach Auffassung vom Unterzeichner nicht mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG vereinbar, wie es im Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 9.2.2010 (Az. 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09) näher bestimmt worden ist.
Für eine Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums durch am einfachen Wohnstandard orientierte Mietobergrenzen fehlt es – grundsätzlich bereits an einer den prozeduralen Anforderungen des BVerfG genügenden und hinreichend bestimmten parlamentsgesetzlichen Grundlage.
Der Unterzeichner konkretisiert den Angemessenheitsbegriff deshalb nach Maßgabe des Grundsatzes der verfassungskonformen Auslegung in der Weise, dass unangemessen im Sinne des er Regelung § 22 SGB I lediglich Kosten der Unterkunft sind, die sehr deutlich über den üblichen Unterkunftskosten für der Größe und Struktur nach vergleichbare Haushalte im geografischen Vergleichsraum liegen
Der Unterzeichner wirft die zu klärende Rechtsfrage auf, inwieweit überhaupt verfassungskonform das rein mietpreisrechtliche Instrument eines Mietspiegels 2011 Grundlage für die Gewinnung von Angemessenheitswerten zur Sicherstellung der Deckung des Existenzminimums im Bereich Wohnen sein kann.
Rechtsfrage:
In welchen Fällen „ausreichend freier Wohnraum verfügbar ist“, hat der Gesetzgeber weder im Gesetz noch in der Gesetzesbegründung näher konkretisiert.
Der Unterzeichner wirft die Höchst - Richterlich zuklärende Rechtsfrage auf:
Auf welches konkrete Gebiet ist bei dieser Bestimmung abzustellen?
Der verfügbare Wohnraum spielt aber auch schon bei der Entwicklung eines Richtwertes für die Angemessenheit eine Rolle und ist hier genauso zu verstehen.
Eine weitere Schwierigkeit liegt darin zu beurteilen, wann der verfügbare freie Wohnraum ausreichend ist. Den Ausgangspunkt, aber noch keine Lösung, bildet die Annahme, dass ausreichend freier Wohnraum dann vorhanden ist, wenn das Angebot von Wohnungen mit Preisen unterhalb der angestrebten Pauschale der Nachfrage entspricht. Nachfrager sind in diesem Fall die Leistungsberechtigten, deren Wohnkosten über der angestrebten Pauschale liegen würden. In der Praxis kommt es häufig vor, dass Leistungsberechtigte die Differenz zwischen den angemessenen und den tatsächlichen Wohnkosten selbst tragen, um in der Wohnung zu bleiben. Das muss bei der Beurteilung, wie hoch die Nachfrage ist, jedoch unberücksichtigt bleiben.
Häufig ändert sich die Einstellung der leistungsberechtigten Person zum Umzug, wenn sie feststellt, dass sie das Geld doch nicht aufbringen kann.
Wird die Pauschale genau in der Höhe festgelegt, in der Angebot und Nachfrage übereinstimmen, würde jedoch außer Betracht bleiben, dass es darauf ankommt, ob der freie Wohnraum
Rechtliche zu klärende Fragestellung:
Es ist Höchstrichterlich zu klären da den VorschriftenSGB II und SGB XII noch aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs.17/3404) nicht eindeutig eindeutig entnommen werden kann, ob und inwieweit überhaupt , oder gar nicht , von der bisherigen Rechtsprechung des BSG zur Angemessenheit der Kosten der Unterkunft und Heizung und zu den entwickelten Mindeststandards abgewichen werden darf.”
Der Zwischenbericht der Arbeitsgruppe „Standards der Gemeindefinanzkommission“ enthält bereits verfassungswidrige Vorschläge zur Absenkung der Standards der KDU
Es kann den Vorschriften SGBXII SGB II noch aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs.17/3404) eindeutig entnommen werden, ob von der bisherigen Rechtsprechung des BSG zur Angemessenheit der Kosten der Unterkunft und Heizung und zu den entwickelten Mindeststandards abgewichen werden darf.”
Es bestehen schon keine wirklich wissenschaftlich gesicherten Grundlagen für die Erstellung eines Mietspiegels
Die einzige bekannte Anleitung sind die „Arbeitshilfen zur Erstellung von Mietspiegeln zunächst formuliert von einer ministeriellen Arbeitsgruppe zuletzt
überarbeitet von zwei privatwirtschaftlichen Unternehmen, die sich auf die Mietspiegelerstellung spezialisiert haben
Die eigentlichen Bedenken unter grundsicherungsrechtlichem Blickwinkel ergeben sich aber aus der bei Mietspiegel üblichen, dort auch ausreichend sachgerechten, Datenerhebung.
Dass ein Mietspiegel ein bestimmtes Mietniveau eines bestimmten Marksegmentes ausweist, sagt wenig darüber aus, in welcher Größenordnung es dieses Segment überhaupt gibt.
Erhebungstechnisch ist es oftmals unmöglich, alle Marktsegmente quantitativ zu ermitteln, dann proportional abzufragen und dann entsprechend aufbereitet darzustellen.
Oft wird ein Mietspiegel umgekehrt erstellt.
D.h. wenn ein Mietwert für ein Baualter in einer bestimmten Beschaffenheits- und Ausstattungsvariante interessiert und abgebildet werden soll, ist hierfür eine Mindestzahl
Daten erforderlich.
Das hat dann nichts mehr damit zu tun, ob und mit welchem Anteil dieses Wohnungsmarktsegment auf dem Markt existiert.
in der Sache wird ergänzend wohl wie folgt noch
begründet:
Berlin möchte selbst entscheiden, welche Kosten angemessen sind, ohne hierbei zu sehr von den Gerichten kontrolliert zu werden.
Dieses Rechtsverständnis muss erschrecken.,
Berlin sollte aufgefallen sein , dass die Gerichte die kommunalen Mietobergrenzen in Berlin ganz überwiegend für rechtswidrig erklärt haben
Der Entschluss zu einer Satzungslösung beruht allein auf einer beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales eingerichteten Arbeitsgruppe mit dem Namen „Arbeitsanreize und Kosten der Unterkunft“
Als Ergebnis der Arbeit lediglich der Arbeitsgruppe „Arbeitsanreize und Kosten der Unterkunft“ war beabsichtigt, den Kommunen die konkrete Ausgestaltung der Frage, was als angemessene Wohnkosten anzusehen ist und welche Wohnfläche als angemessen erachtet wird, zu überlassen (Jens Flosdorff, Sprecher des BMAS gegenüber dpa am 23. Juli 2010).
Der Zwischenbericht der Arbeitsgruppe „Standards der Gemeindefinanzkommission“ enthält bereits verfassungswidrige Vorschläge zur Absenkung der Standards der KDU
Es kann den Vorschriften SGBXII noch aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs.17/3404) eindeutig entnommen werden, ob von der bisherigen Rechtsprechung des BSG zur Angemessenheit der Kosten der Unterkunft und Heizung und zu den entwickelten Mindeststandards abgewichen werden darf.”
Die Hausaufgaben wurden erneut durch den Berliner Senat nicht gemacht
Ein höheres Maß an “Rechtssicherheit” (für die Kommunen!) werden Satzungen nur dann gewährleisten, wenn mit ihnen eine weitergehende Einschätzungsprärogative des Satzungsgebers, also der Kommunen, einhergeht.
Diese Frage ist noch ungeklärt (für weiterhin volle gerichtliche Überprüfung des unbestimmten Rechtsbegriffes der “Angemessenheit”
Für die erhoffte schnellere Herstellung von Rechtsklarheit durch Normenkontrollverfahren nach § 55a SGG ist zudem ein hoher Preis zu zahlen, weil die juristische Fachkompetenz der Richter an den Sozialgerichten nicht mehr fruchtbar gemacht werden kann.
Im Übrigen – dies nur am Rande – sind Verwaltungsrichtlinien auch nicht “bloß intern”, sondern vermitteln über den Grundsatz der Selbstbindung einer Verwaltung über Art. 3 GG subjektiv-öffentliche Rechte.
Darf ein Leistungsempfänger hinsichtlich der Unterkunftskosten (KdU) auf das pauschale Wohngeld gemäß Tab. § 8 WoGG (2005) bzw. § 12 WoGG (2009) – gemäß BSG-Rechtsprechung mit 10%-Aufschlag – verwiesen werden, wenn der Grundsicherungsträger seit Inkrafttreten des SGB II (1. Januar 2005) faktisch nicht die „Referenzmiete“ in seinem Zuständigkeitsbereich ermittelt und damit fortgesetzt gegen höchstrichterliche Rechtsprechung verstoßen hat?
Oder muß in einem solchen Fall nicht unabhängig von der Begrenzung durch die Tabellenwerte WoGG die tatsächliche Miete übernommen werden?
Es wird eine Berliner - Satzung nur Akzeptanz in der Öffentlichkeit erhalten und Rechtssicherheit gewähren, wenn die Ermittlung der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in einem sachgerechten, vollständigen, realitätsgerechten Verfahren ermittelt und die gewonnenen Erkenntnisse nachvollziehbar dargestellt werden, voran es aber vorliegend bereits umfassend mangelt.
Die WAV beruht hinsichtlich der Berechnung der kalten und warmen Betriebskosten auf methodisch nicht nachvollziehbaren Aussagen; sie ist nicht in der Lage, die Konfliktsituation von Leistungsempfängern nach dem SGB II und SGB XII entsprechend dem angespannten Berliner Wohnungsmarkt zu bewältigen und führt zu sozial unausgeglichenen Wohngebieten.
Der Bezug auf den Mietspiegel geht fehlt, da dies nur historische Aussagen beinhaltet, die keine Aussage darüber trifft, wie sich gegenwärtig oder zukünftig ein Markt entwickeln wird.
Das BSG hat den Begriff der “Angemessenheit” im vorliegenden Zusammenhang in zahlreichen Entscheidungen konkretisiert (u.a. BSG Urt. v. 7.11.2006 – B 7b AS 18/06 R; BSG Urt. v. 7.11.2006 – B 7b AS 10/06 R; BSG Urt. v. 15.4.2008 – B 14/7b AS 34/06 R; BSG Urt. v. 18.6.2008 – B 14/11b AS 44/06 R; BSG Urt. v. 19.2.2009 – B 4 AS 30/08 R; BSG Urt. v. 20.8.2009 – B 14 AS 41/08 R; BSG Urt. v. 22.9.2009 – B 4 AS 18/09 R; BSG Urt. v. 22.9.2009 – B 4 AS 70/08 R; BSG Urt. v. 17.12.2009 – B 4 AS 27/09 R; BSG Urt. v. 17.12.2009 – B 4 AS 50/09 R; BSG Urt. v. 18.2.2010 – B 14 AS 74/08 R; BSG Urt. v. 18.2.2010 – B 14 AS 73/08 R; BSG Urt. v. 19.10.2010 – B 14 AS 65/09 R; BSG Urt. v. 19.10.2010 – B 14 AS 15/09 R; BSG Urt. v. 19.10.2010 – B 14 AS 50/10 R; BSG Urt. v. 19.10.2010 – B 14 AS 2/10 R).
Es geht in seinen Entscheidungen zunächst davon aus, der Begriff der “Angemessenheit” unterliege als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Ein Beurteilungsspielraum wird dem Leistungsträger nicht zugebilligt (BSG Urt. v. 17.12.2009 – B 4 AS 27/09 R).
Der Begriff der Angemessenheit soll nach dem BSG in einem mehrstufigen Verfahren weiter konkretisiert werden, wonach in einem ersten Schritt eine abstrakt angemessene Wohnungsgröße und ein angemessener Wohnungsstandard festzustellen sei, in einem zweiten Schritt ein räumlicher Vergleichsmaßstab zu bilden sei, in einem weiteren Schritt mit Hilfe eines “schlüssigen Konzepts” des Leistungsträgers die Höhe der Kosten für eine angemessene Wohnung auf dem für den Hilfebedürftigen maßgeblichen Wohnungsmarkt zu ermitteln sei und abschließend zu prüfen sei, ob eine abstrakt angemessene Wohnung durch den Hilfesuchenden konkret hätte angemietet werden können (BSG Urt. v. 20.8.2009 – B 14 AS 41/08 R).
Im Streitfall sei das der Bestimmung der Kosten zu Grunde liegende Konzept von den Gerichten in vollem Umfang zu überprüfen und ggf. ein solches Konzept durch eigene Ermittlungen zu ergänzen (BSG Urt. v. 19.10.2010 – B 14 AS 2/10 R).
Das BSG bestimmt die angemessene Wohnungsgröße typisierend (mit der Möglichkeit von Ausnahmen) anhand der jeweiligen Ausführungsbestimmungen über die Förderung des sozialen Mietwohnungsbaus, welche die Länder auf Grund des § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) festgesetzt haben (BSG Urt. v. 7.11.2006 – B 7b AS 18/06 R; sehr kritisch jedoch BSG Urt. v. 19.2.2009 – B 4 AS 30/08 R und BSG Urt. v. 22.9.2009 – B 4 AS 70/08 R).
Nach § 10 WoFG können die Länder im geförderten Wohnungsbau Grenzen für Wohnungsgrößen festlegen, bis zu denen eine Förderung in Betracht kommt.
Dabei muss die Größe der zu fördernden Wohnung gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1 WoFG entsprechend ihrer Zweckbestimmung angemessen sein. Die nach den jeweiligen Verwaltungsvorschriften angemessene Wohnungsgröße richtet sich nach der Anzahl der im Haushalt lebenden Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft.
Als maßgeblicher Vergleichsraum ist nach dem BSG im Grundsatz vom Wohnort des Leistungsberechtigten auszugehen (BSG Urt. v. 19.2.2009 – B 4 AS 30/08 R -Rn. 20
Der angemessene Wohnungsstandard wird durch das BSG dahingehend weiter konkretisiert, dass lediglich ein einfacher und im unteren Marktsegment liegender Ausstattungsgrad der Wohnung vorliegen soll (BSG Urt. v. 7.11.2006 – B 7b AS 10/06 R) bzw. dass die Aufwendungen für die Wohnung nur dann angemessen seien, wenn diese nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genüge und keinen gehobenen Wohnstandard aufweise und es sich um eine Wohnung mit bescheidenem Zuschnitt handle (BSG Urt. v. 19.2.2009 – B 4 AS 30/08 R).
Diese an sich qualitativen Voraussetzungen werden vom BSG durch die Annahme quantifizierend näher bestimmt, dass sich der Wohnstandard im Quadratmetermietpreis niederschlagen soll, welcher gemeinsam mit der angemessenen Wohnungsgröße einen der beiden Faktoren für die abstrakte Angemessenheitsgrenze bilde (BSG Urt. v. 22.9.2009 – B 4 AS 18/09 R).
Die “Ermittlung” des angemessenen Quadratmetermietpreises ist der eigentliche Gegenstand der Rechtsprechung zum “schlüssigen Konzept” (vgl. BSG Urt. v. 22.9.2009 – B 4 AS 18/09 R).
Hierdurch soll unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse ein gleichmäßiges Verwaltungshandeln innerhalb eines Vergleichsraums gewährleistet werden (BSG Urt. v. 18.6.2008 – B 14/11b AS 44/06 R).
Für die konkrete Bestimmung der Angemessenheitsgrenze seien auf Grundlage eines “schlüssigen Konzepts” Daten über den örtlichen Wohnungsmarkt zu erheben.
Ein qualifizierter Mietspiegel könne hierfür die Grundlage sein.
Hierbei stellt das BSG zahlreiche qualitative Anforderungen und verlangt “Angaben über die gezogenen Schlüsse” (vgl. Berlit in LPK-SGB II § 22 Rn. 55, 4. Aufl. 2011; Boerner in Löns/Herold-Tews SGB II Rn. 34, 3. Aufl. 2011).
Unter dem “schlüssigen Konzept” versteht das BSG ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum und nicht nur ein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall (BSG Urt. v. 22.9.2009 – B 4 AS 18/09 R).
Zur Bestimmung des maßgeblichen Vergleichsraums sei grundsätzlich vom Wohnort des Leistungsberechtigten auszugehen (BSG Urt. v. 15.4.2008 – B 14/7b AS 34/06 R). Schlüssig sei das Konzept, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfülle (BSG Urt. v. 22.9.2009 – B 4 AS 18/09 R):
Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung),
Es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z.B. welche Art von Wohnungen – Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete , Differenzierung nach Wohnungsgröße,
Angaben über den Beobachtungszeitraum,Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel),
Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,
Validität der Datenerhebung,Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze).
Die Verwaltung sei mangels normativer Vorgaben durch den Gesetz- und Verordnungsgeber nicht auf eine bestimmte Vorgehensweise festgelegt (BSG Urt. v. 22.9.2009 – B 4 AS 18/09 R).
Ein schlüssiges Konzept, welches vorrangig der Grundsicherungsträger vorzulegen habe, müsse bereits im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung vorliegen (BSG Urt. v. 19.10.2010 – B 14 AS 2/10 R, Rn. 21). Ausgangsdaten seien allerdings zu korrigieren, soweit sich in Verwaltungs- und Gerichtsverfahren herausstelle, dass es zu nicht vorhersehbaren Preissprüngen gekommen sei (BSG Urt. v. 19.10.2010 – B 14 AS 2/10 R).
Das Produkt aus angemessenem Quadratmetermietpreis und angemessener Wohnungsgröße ergibt nach der Rechtsprechung des BSG die für die Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten maßgebliche Mietobergrenze.
Das BSG hat sich mit der grundsätzlichen Ausrichtung des Angemessenheitsbegriffs auf einfache, grundlegende, im unteren Marktsegment liegende Wohnstandards zunächst ausdrücklich auf die frühere Rechtsprechung des BVerwG zum § 12 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) bezogen (BSG Urt. v. 7.11.2006 – Az. B 7b AS 18/06 R),
im Übrigen aber keine weitergehende Begründung hierfür gegeben.
In späteren Entscheidungen wurde deutlicher herausgearbeitet, dass die Bestimmung der “Mietobergrenze” unter Berücksichtigung der Bedingungen eines existenzsichernden Leistungssystems festzulegen sei (BSG Urt. v. 17.12.2009 – B 4 AS 50/09 R), womit in systematischer und teleologischer Hinsicht eine wesentliche Funktion des SGB II, die Existenzsicherung bei Bedürftigkeit, angesprochen wurde.
Die zahlreichen zwischenzeitlich ergangen Entscheidungen des BSG zur Frage der Angemessenheitsgrenze beschäftigen sich im Wesentlichen mit der zuverlässigen Bestimmung der zur Erhaltung dieses einfachen Wohnstandards notwendigen Aufwendungen mittels des durch den Leistungsträger zu erstellenden “schlüssigen Konzepts” (grundlegend BSG Urt. v. 18.6.2008 – B 14/11b AS 44/06 R).
Die derart vorgenommene Konkretisierung der Regelung des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II durch das BSG in den o.g. Entscheidungen ist nach Auffassung der Kammer nicht mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG vereinbar, wie es im Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 9.2.2010 (Az. 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09) näher bestimmt worden ist.
Für eine Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums durch am einfachen Wohnstandard orientierte Mietobergrenzen fehlt es an einer den prozeduralen Anforderungen des BVerfG genügenden und hinreichend bestimmten parlamentsgesetzlichen Grundlage.
Die Unterzeichner konkretisiert den Angemessenheitsbegriff deshalb nach Maßgabe des Grundsatzes der verfassungskonformen Auslegung in der Weise, dass unangemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II lediglich Kosten der Unterkunft sind, die sehr deutlich über den üblichen Unterkunftskosten für der Größe und Struktur nach vergleichbarer Haushalte im geografischen Vergleichsraum liegen.
Mit den Leistungen für die Aufwendungen für die Unterkunft nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II wird das Grundbedürfnis “Wohnen” gedeckt (BSG Urt. v. 7.11.2006 – B 7b AS 10/06 R; BSG Urt. v. 17.12.2009 – B 4 AS 50/09 R), welches Teil des durch den Staat zu gewährleistenden Existenzminimums ist (BVerfG Urt. v. 9.2.2010 – 1 BvL 1/09 Rn. 135; Piepenstock in jurisPK-SGB II, § 22 Rn. 31, 3. Aufl. 2012; Berlit in LPK-SGB II, § 22 Rn. 16, 4. Aufl. 2011; ders. info also 2010, S. 195; Knickrehm SozSich 2010, S. 191; Klerks info also 2011, S. 196; Putz SozSich 2011, S. 233; Kofner WuM 2011, S. 72).
Im Unterschied zu den in § 20 SGB II pauschalierten Regelleistungen (seit 1.1.2011: Regelbedarfen) werden die Kosten der Unterkunft gem. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II grundsätzlich in tatsächlicher Höhe übernommen (seit 1.1.2011: als Bedarf anerkannt), gem. § 22 Abs. 1 S. 1 2. Halbs. SGB II, jedoch nur, soweit sie angemessen sind.
Der Begriff “angemessen” wird vom BSG zu Recht als “unbestimmter Rechtsbegriff” qualifiziert, welcher der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegt (am ausführlichsten in BSG Urt. v. 17.12.2009 – B 4 AS 27/09 R).
Damit ist zunächst nur ausgedrückt, dass es für die Verwaltung keinen eigenen, der gerichtlichen Kontrolle entzogenen Spielraum gibt. Die zunächst durch die Verwaltung vorgenommene Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs ist damit in methodischer Hinsicht durch die Gerichte überprüfbar und vollständig ersetzbar.
Allein aus der Vagheit der im Normtext verwendeten Sprache lässt sich eine Einschränkung des Anspruchs des Rechtsuchenden auf gerichtliche Überprüfung von Exekutiventscheidungen nicht begründen (vgl. auch
Der Begriff der Angemessenheit hat im vorliegenden Kontext eine leistungsbeschränkende Funktion (vgl. BSG Urt. v. 17.12.2009 – B 4 AS 50/09 R Rn. 19: “Ihm wohnt der Gedanke der Begrenzung inne”). Die Begrenzungsfunktion ergibt sich aus dem semantischen Kontext (“…erbracht, soweit…”). § 22 Abs. 1 S. 1 2. Halbsatz SGB II gibt den zuständigen Behörden somit das Recht – und die Pflicht – Leistungsberechtigten die Leistungen der Unterkunft in näher zu bestimmenden Fällen nicht in tatsächlicher Höhe zu erbringen, bzw. nicht in tatsächlicher Höhe der Bedarfsberechnung zu Grunde zu legen.
Nähere Bestimmungen zur Angemessenheit der Aufwendungen sind im Normtext und im unmittelbaren Textzusammenhang nicht enthalten.
Aus dem Wortlaut des § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II (“Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen (…)”) kann lediglich geschlossen werden, dass zur Konkretisierung der Angemessenheit eine Einzelfallprüfung erfolgen soll, wobei die besonderen Umstände in der Person des Leistungsberechtigten zu berücksichtigen sind (“Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit”, vgl. BSG Urt. v. 22.9.2009 – B 4 AS 18/09 R; Piepenstock in jurisPK-SGB II § 22 Rn. 32, 3. Aufl. 2012; vgl. auch BT-Drucks. 17/3404, S. 98).
Von der Verordnungsermächtigung des § 27 SGB II a.F. für das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wurde Zeit seiner Geltung kein Gebrauch gemacht.
Nach dem Gesetzentwurf der damaligen Bundesregierung zum Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BT-Drucks. 15/1516, S. 57) sollte der Anspruch auf Kosten der Unterkunft und Heizung am Maßstab der vormaligen Sozialhilfepraxis ausgerichtet werden.
Für die Bestimmung der Leistungen für Unterkunft nach dem BSHG war bis zum 31.12.2004 § 3 Abs. 1 S. 1, S. 2 Regelsatzverordnung (RegelsatzVO) in der Fassung des Gesetzes vom 14.11.2003 Anspruchsgrundlage. Dieser lautete:
“Laufende Leistungen für die Unterkunft werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen gewährt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf der Personen, deren Einkommen und Vermögen nach § 11 Abs. 1 des Gesetzes zu berücksichtigen sind, so lange anzuerkennen, als es diesen Personen nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken.”
Nach der ständigen Rechtsprechung des bis zum 31.12.2004 für Sozialhilfe zuständigen BVerwG bestimmte sich die Angemessenheit der Aufwendungen für die Unterkunft nach dem Bedarf des Hilfebedürftigen, welcher sich nach den Besonderheiten des Einzelfalles richten sollte, insbesondere nach Umständen in der Person des Hilfebedürftigen, in der Art seines Bedarfs und nach den örtlichen Verhältnissen.
Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Mietaufwendungen für eine Unterkunft waren die örtlichen Verhältnisse maßgeblich.
Hierbei wurde auf die im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Hilfebedürftigen marktüblichen Wohnungsmieten abgestellt und auf dieser tatsächlichen Grundlage die sozialhilferechtlich maßgebliche Mietpreisspanne ermittelt. Erschienen dem Sozialhilfeträger die Unterkunftskosten im Einzelfall als zu hoch, durfte er die Angemessenheitsprüfung nicht darauf beschränken, ausgehend vom Bedarf des Hilfebedürftigen mit Blick auf die örtlichen Verhältnisse zu bestimmen, welcher Kostenaufwand für die Unterkunft sozialhilferechtlich an sich (abstrakt) angemessen gewesen wäre. Der Sozialhilfeträger hatte die Angemessenheitsprüfung in einem solchen Fall auch auf die Frage zu erstrecken, ob dem Hilfeempfänger im Bedarfszeitraum eine andere bedarfsgerechte, kostengünstigere Wohnung konkret verfügbar und zugänglich war. Bestand eine derartige Unterkunftsalternative nicht, waren die Aufwendungen in voller Höhe weiter zu übernehmen (BVerwG Urt. v. 28.4.2005 – 5 C 15/04 m.w.N.).
Dass bei der Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für die Unterkunft nicht auf die jeweiligen örtlichen durchschnittlichen Mietpreise, sondern auf die im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Hilfeempfängers marktüblichen Wohnungsmieten abzustellen war, ergab sich aus der Aufgabe der Hilfe zum Lebensunterhalt, nur den “notwendigen” Bedarf abzudecken (BVerwG Urt. v. 17.11.1994 – 5 C 11/93 – Rn. 11; BVerwG Beschl. v. 2.8.1994 – 5 PKH 32/94 – Rn. 2). Hierbei verweist das BVerwG auf § 12 Abs. 1 S. 1 BSHG, welcher in der zuletzt maßgeblichen Fassung vom 23.7.1996 lautete:
“Der notwendige Lebensunterhalt umfaßt besonders Ernährung, Unterkunft, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens.”
Weitere Hinweise finden sich in den maßgeblichen Gesetzgebungsmaterialien nicht.
Im Regierungsentwurf zum Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 mit Wirkung vom 1.1.2011, welcher in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II lediglich die Änderung gebracht hat, dass nunmehr “Bedarfe anerkannt” und nicht mehr “Leistungen erbracht” werden, finden sich folgende Ausführungen:
Die Prüfung, welcher Betrag als Bedarf für Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen ist, erfolgt wie die Ermittlung der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach bisherigem Recht:
Zunächst werden die Aufwendungen ermittelt und auf ihre Angemessenheit geprüft.
Sind sie angemessen, werden sie in der Folge als Bedarf für Unterkunft und Heizung berücksichtigt.
Bei abstrakt unangemesssenen Aufwendungen erfolgt wie bisher eine Einzelfallprüfung” (BT-Drucks. 17/3404, S. 98).
In den durch dieses Gesetz mit Wirkung vom 1.1.2011 neu eingeführten §§ 22a bis 22c SGB II wird den Landesgesetzgebern ermöglicht, Kommunen per Landesgesetz zu ermächtigen oder zu verpflichten, zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenzen im Rahmen näher bestimmter Kriterien Satzungen zu erlassen
Mit dem Urteil vom 9.2.2010 hat das BVerfG die auf Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG (Sozialstaatsprinzip) gestützte staatliche Pflicht zur Existenzsicherung subjektivrechtlich fundiert und ein Recht auf parlamentsgesetzliche Konkretisierung in strikten einfachgesetzlichen Anspruchspositionen konstituiert (Rixen SGb 2010, S. 240). Das BVerfG stellt somit nicht nur prozedurale Anforderungen an die Bestimmung des menschenwürdigen Existenzminimums an einen beliebigen (staatlichen) Akteur, sondern weist die Bestimmung des Anspruchsinhalts einem konkreten Adressaten, dem (Bundes-)Gesetzgeber zu.
Der Bundesgesetzgeber steht demnach in der Verantwortung, das Sozialstaatsprinzip selbst durch ein Gesetz hinreichend zu konkretisieren und zu gewährleisten, dass auf die zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums erforderlichen Leistungen auch ein entsprechender Rechtsanspruch besteht (Berlit in LPK-SGB II § 22a Rn. 6, 4. Aufl.).
Das BVerfG entwickelt das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG. Art. 1 Abs. 1 GG wird dabei als eigentliche Anspruchsgrundlage herangezogen, während das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG eher im Sinne eines Gestaltungsgebots mit erheblichem Wertungsspielraum verstanden wird.
Das auf dieser Grundlage bestimmte Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG hat in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG demnach neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung.
Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten hat. Dabei steht ihm ein Gestaltungsspielraum zu (BVerfG Urt. v. 9.2.2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 – Rn. 133).
Der unmittelbare verfassungsrechtliche Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erstreckt sich nach den Ausführungen des BVerfG nur auf diejenigen Mittel, die zur Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins unbedingt erforderlich sind.
Er gewährleiste hierbei das gesamte Existenzminimum durch eine einheitliche grundrechtliche Garantie, die sowohl die physische Existenz des Menschen, also Nahrung, Kleidung, Hausrat, Unterkunft, Heizung, Hygiene und Gesundheit als auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben umfasse, denn der Mensch als Person existiere notwendig in sozialen Bezügen (BVerfG a.a.O. Rn. 135).
Die verfassungsrechtliche Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums müsse durch ein Parlamentsgesetz erfolgen, welches einen konkreten Leistungsanspruch des Bürgers gegenüber dem zuständigen Leistungsträger enthalte.
Aus dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip ergebe sich die Pflicht des Gesetzgebers, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen selbst zu treffen.
Dies gelte in besonderem Maße, wenn und soweit es um die Sicherung der Menschenwürde und der menschlichen Existenz gehe.
Zudem könne sich der von Verfassungs wegen bestehende Gestaltungsspielraum des Parlaments nur im Rahmen eines Gesetzes entfalten und konkretisieren. Schließlich sei die Begründung von Geldleistungsansprüchen auch mit erheblichen finanziellen Auswirkungen für die öffentlichen Haushalte verbunden.
Derartige Entscheidungen seien dem Gesetzgeber vorbehalten (BVerfG a.a.O. Rn. 136).
Wenn der Gesetzgeber seiner verfassungsmäßigen Pflicht zur Bestimmung des Existenzminimums nicht hinreichend nachkomme, sei das einfache Recht im Umfang seiner defizitären Gestaltung verfassungswidrig (BVerfG a.a.O. Rn. 137).
Der Umfang des Anspruchs könne im Hinblick auf die Arten des Bedarfs und die dafür erforderlichen Mittel nicht unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet werden. Er hänge von den gesellschaftlichen Anschauungen über das für ein menschenwürdiges Dasein Erforderliche, der konkreten Lebenssituation des Hilfebedürftigen sowie den jeweiligen wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten ab und sei danach vom Gesetzgeber konkret zu bestimmen.
Das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG halte den Gesetzgeber an, die soziale Wirklichkeit zeit- und realitätsgerecht im Hinblick auf die Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums zu erfassen.
Die hierbei erforderlichen Wertungen kämen dem parlamentarischen Gesetzgeber zu.
Ihm obliege es, den Leistungsanspruch in Tatbestand und Rechtsfolge zu konkretisieren. Ihm komme Gestaltungsspielraum bei der Bestimmung des Umfangs der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums zu.
Dieser umfasse die Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ebenso wie die wertende Einschätzung des notwendigen Bedarfs und sei zudem von unterschiedlicher Weite:
Er sei enger, soweit der Gesetzgeber das zur Sicherung der physischen Existenz eines Menschen Notwendige konkretisiert, und weiter, wo es um Art und Umfang der Möglichkeit zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gehe (BVerfG a.a.O. Rn. 138).
Zur Konkretisierung des Anspruchs habe der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf, also realitätsgerecht, zu bemessen.
Hierzu habe er zunächst die Bedarfsarten sowie die dafür aufzuwendenden Kosten zu ermitteln und auf dieser Basis die Höhe des Gesamtbedarfs zu bestimmen. Das Grundgesetz schreibe ihm dafür keine bestimmte Methode vor (BVerfG a.a.O. Rn. 139).
Diese Ausführungen betreffen nicht nur die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, welche in Regelleistungen bzw. Regelbedarfen zusammengefasst sind, sondern auch die Bedarfe der Unterkunft und Heizung. Diese gehören, wie das BVerfG ausdrücklich festhält, zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (BVerfG a.a.O. Rn. 135; Berlit in LPK-SGB II §22a Rn. 6, 4. Aufl. 2011; ders. info also 2011, S.. 195; Piepenstock in jurisPK-SGB II § 22 Rn. 31, 3. Aufl. 2012; Mutschler NZS 2011, S. 481; Kofner WuM 2011, S. 72; Knickrehm SozSich 2010, S. 191; Putz SozSich 2011, S. 233, Klerks info also 2011, S. 196).
Dementsprechend hat die Bestimmung der Leistungen bzw. der Bedarfe für Unterkunft ebenso wie die Bedarfe, die Bestandteil der Regelleistung sind, mit einer Methode zu erfolgen, die gewährleistet, dass die existenznotwendigen Aufwendungen realitätsgerecht und nachvollziehbar in einem transparenten und sachgerechten Verfahren ermittelt werden (Knickrehm SozSich 2010, S. 193; Piepenstock in jurisPK-SGB II, § 22 Rn 31, 3. Aufl. 2012).
Es dürfen keine Schätzungen bzw. Abschläge „ins Blaue hinein“ vorgenommen werden, Richtwerte dürfen nicht freihändig geschätzt werden und müssen auf empirisch ermittelten Daten beruhen (Piepenstock ebd.). Besondere Begründungsanforderungen sind auch an die gesetzlichen und untergesetzlichen Normen zu stellen, die die Höhe der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung betreffen (Mutschler NZS 2011, 481).
Der in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II verwendete “unbestimmte Rechtsbegriff” der “Angemessenheit”, welcher der alleinige normtextliche Anknüpfungspunkt für die Beschränkung der Übernahme der Kosten der Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II ist, genügt den im Urteil vom 9.2.2010 gestellten Anforderungen des BVerfG nicht.
Indem das BSG in Fortführung der Rechtsprechung des BVerwG zum Sozialhilferecht den Angemessenheitsbegriff ausgehend von einem einfachen, grundlegenden, im unteren Marktsegment liegenden Wohnstandard im Sinne einer allgemein anzuwendenden Mietobergrenze konkretisiert, bestimmt es den Umfang der zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums erforderlichen Leistungen im Wesentlichen selbst bzw. gibt der Verwaltung die Rahmenbedingungen hierfür vor. Dies betrifft den vom Existenzminimum umfassten Unterkunftsbedarf unmittelbar und – wenn nicht die vollen Unterkunftskosten übernommen werden – mittelbar auch die durch die Regelleistung bzw. durch die Regelbedarfspauschale gedeckten Kosten.
Das BSG verwendet den Angemessenheitsbegriff somit als normtextlichen Ausgangspunkt und Rechtfertigungsgrund für die Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums.
Auf Grund seiner Entstehungsgeschichte und seiner Unbestimmtheit ist der Angemessenheitsbegriff des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II hierzu jedoch angesichts der verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht geeignet.
Die Gesetzesbegründung zur ursprünglichen Fassung enthält lediglich den Verweis auf die sozialhilferechtliche Praxis, an die angeknüpft werden soll (BT-Drucks. 15/1516 Teil B Art. 1 Zu § 22 Abs. 1).
Es ist aus den Gesetzgebungsmaterialien im Übrigen nicht ersichtlich, dass Anstrengungen unternommen wurden, Unterkunftsbedarfe zu erfassen.
Dies widerspricht der Anforderung des BVerfG, dass der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen in einem transparenten und sachgerechten Verfahren realitätsgerecht sowie nachvollziehbar auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren ermitteln (BVerfG a.a.O. Rn. 139) und seinem sozialstaatlichen Gestaltungsauftrag (BVerfG a.a.O. Rn. 134) nachkommen muss.
Die genannten Anforderungen gelten auch für die Unterkunftsbedarfe (Berlit info also 2010, S. 195; Knickrehm SozSich 2010, S. 193).
Auch die im Normtext vorgesehene Begrenzung der nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II zu erbringenden bzw. anzuerkennenden Aufwendungen für die Unterkunft auf das “Angemessene” ist nicht hinreichend konkret, um eine Wertungsentscheidung über die Ausgestaltung des unterkunftsbezogenen menschenwürdigen Existenzminimums erkennen zu lassen (vgl. Mutschler NZS 2011, S. 481: „Eine [mit den Satzungsregelungen der §§ 22b SGB II ff. n.F.] vergleichbare unmittelbare gesetzliche Ausgestaltung oder Begründung gibt es für den Begriff des Angemessenen in § 22I 1 SGB II nicht; dieser Begriff ist unbestimmt und allein durch die Rechtsprechung konkretisiert worden.“).
Die prozeduralen Anforderungen an den Gesetzgeber können nicht dadurch ersetzt werden, dass sie mit Hilfe eines “unbestimmten Rechtsbegriffs” zur näheren Bestimmung der Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis überantwortet werden.
Der methodologische Topos “unbestimmter Rechtsbegriff” bietet dem BSG zunächst zwar methodisch die Möglichkeit, eigene Wertmaßstäbe zur Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums zu entwickeln und dennoch entsprechend seiner verfassungsrechtlichen Pflicht Gesetzesbindung herzustellen.
Die Frage des (juristisch-)methodisch Möglichen ist jedoch nicht identisch mit der des verfassungsrechtlich Zulässigen.
Die Verpflichtung zur uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe durch die Verwaltung ist letztendlich im Anspruch auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG begründet.
Wann und mit welchem Grad der Gesetzgeber “unbestimmte Rechtsbegriffe” verwenden darf (und welche Folgen eine Außerachtlassung dieser Voraussetzungen hat), ist jedoch ggf. anhand anderer Verfassungsnormen und -prinzipien zu entwickeln.
Das BVerfG setzt seinen prozeduralen Kontrollmaßstab bereits im Verfahren zur Herstellung des Normtextes (Gesetzgebung) ein, nicht erst im Verfahren zur Konkretisierung des Normtextes zur Entscheidungsnorm (Verwaltung und Rechtsprechung). Deshalb kann das BSG – auch mit den Grundsätzen zum “schlüssigen Konzept” – die Maßstäbe des BVerfG schon zuständigkeitshalber nicht umsetzen.
Das BSG mag-im Zweifel- somit zwar mit seiner Rechtsprechung zum “schlüssigen Konzept” den materiellen Anforderungen im Hinblick auf Realitätsgerechtigkeit, Nachvollziehbarkeit, Transparenz und Sachgerechtigkeit des Verfahrens (oder “Folgerichtigkeit”; vgl. Rixen SGb 2010, S. 240ff., vgl. auch Knickrehm SozSich 2010, S. 193) genügen.
Das BVerfG hat jedoch nicht nur materielle Anforderungen an die Bestimmung des Existenzminimums gestellt, sondern auch die Zuständigkeit für dessen Bestimmung beim Gesetzgeber verortet.
Die verfassungsrechtliche Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums muss demnach durch ein Parlamentsgesetz erfolgen, das einen konkreten Leistungsanspruch des Bürgers gegenüber dem zuständigen Leistungsträger enthält (BVerfG a.a.O. Rn. 136).
Im Urteil vom 9.2.2010 heißt es weiter:
“Aus dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip ergibt sich die Pflicht des Gesetzgebers, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen selbst zu treffen (…). Dies gilt in besonderem Maße, wenn und soweit es um die Sicherung der Menschenwürde und der menschlichen Existenz geht (…). Zudem kann sich der von Verfassungs wegen bestehende Gestaltungsspielraum des Parlaments nur im Rahmen eines Gesetzes entfalten und konkretisieren (…).”
Die ausdrückliche Verpflichtung des Bundesgesetzgebers beruht demnach nicht lediglich darauf, dass die zur Überprüfung stehende Regelleistung “zufällig” durch ein formelles Bundesgesetz geregelt wurde, sondern auf der im Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip fußenden Gestaltungsverpflichtung der Legislative.
Hiermit wird insbesondere die auf dem Demokratieprinzip beruhende Wesentlichkeitstheorie angesprochen, nach der die für die Grundrechtsausübung wesentlichen Fragen vom Parlament selbst zu regeln sind, da ausschließlich dieses durch Wahlen unmittelbar demokratisch legitimiert ist (vgl. auch Rixen SGb 2010, S. 241; Putz SozSich 2011, S. 233).
Der anzuerkennende Bedarf für die Unterkunftskosten gehört bereits auf Grund der wirtschaftlichen Bedeutung für die Leistungsberechtigten zum Kern des Gewährleistungsanspruchs und somit zu den wesentlich durch den Gesetzgeber zu regelnden Materien.
Durch die Verschiebung der Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums in die Sphäre der Verwaltungs- und Gerichtspraxis ist die Gestaltung dieses elementaren Bestandteils der Existenzsicherung dem öffentlichen demokratisch-parlamentarischen Diskurs weitgehend entzogen.
Besonders anschaulich wird dies im Vergleich zu den öffentlichen – auch parlamentarischen – Debatten über viele Einzelheiten der Bestimmung des Regelbedarfs (z.B. Herausrechnung von Alkoholika aus der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe) im Zuge der Beratung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des SGB II und SGB XII (vgl. Mutschler NZS 2011, S. 481).
Vergleichbare Auseinandersetzungen sowohl auf bundespolitischer als auch kommunalpolitischer Ebene in Bezug auf die Bestimmung der unterkunftsbezogenen Angemessenheitsgrenzen sind hingegen kaum wahrnehmbar, obwohl ihre quantitative Bedeutung für viele Leistungsberechtigte enorm ist.
Dies wird nicht zuletzt am Beispiel der Praxis des Beklagten deutlich, welche – ohne dass die Gründe näher bestimmt werden könnten – dazu führt, dass nach Angaben des Beklagten zum Stichtag 14.10.2011 bei gut 30 % der Bedarfsgemeinschaften in seinem Zuständigkeitsbereich der Leistungsbewilligung nicht die tatsächlichen Kosten der Unterkunft zu Grunde gelegt werden. Durch die Verpflichtung des parlamentarischen Gesetzgebers auf seinen Gestaltungsauftrag wird hingegen die Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums in die öffentliche, parlamentarische Debatte gezwungen (vgl. auch Rixen SGb 2010 S. 244).
Hierdurch wird vor allem gewährleistet, dass die wesentlichen Eingangsdaten für konkrete Verwaltungsentscheidungen zur Gewährung existenzsichernder Leistungen durch demokratisch unmittelbar gewählte Entscheidungsträger zu verantworten sind.
Die zur Bestimmung des Existenzminimums maßgeblichen “gesellschaftlichen Anschauungen über das für ein menschenwürdiges Dasein Erforderliche” (BVerfG a.a.O. Rn. 138) können in einer repräsentativen Demokratie nur durch das Parlament zum Ausdruck gebracht werden.
Eine faktische Übertragung der Entscheidungsverantwortung auf nur mittelbar demokratisch legitimierte Verwaltung und Judikative durch “Unterlassung” bzw. “Unterbestimmung” verstößt daher gegen das Demokratieprinzip aus Art. 20 Abs. 1 GG, welches im Grundrecht auf Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums als Gestaltungsauftrag an den Gesetzgeber konkretisiert ist.
Die Verfassungsmäßigkeit der Regelung zur Sicherung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums hängt daher von der Folgerichtigkeit und Transparenz des Gesetzgebungsverfahrens einerseits und vom Grad der Bestimmbarkeit des Normtextes andererseits ab.
Denn die gesetzgeberischen Wertungen können nur in dem Maße ihrer Bestimmbarkeit durch die Rechtsanwender die soziale Wirklichkeit prägen. Dessen ungeachtet unterläge auch ein den Kriterien des BVerfG entsprechendes Gesetz notwendigerweise der Konkretisierung durch Verwaltung und Rechtsprechung und kann die Einzelfallentscheidung nicht vollständig determinieren.
Die Kritik an dem Urteil des BVerfG, das Gericht stärke den Grundrechtsschutz durch das Verfahren (im Sinne von Kontrolle des Gesetzgebungsverfahrens) und konstituiere eine Begründungspflicht des Gesetzgebers, ohne dass eine solche in den organisationsrechtlichen Bestimmungen des Grundgesetzes vorgesehen sei (Groth NZS 2011, S. 571 m.w.N.), teilt die Kammer nicht (vgl. auch SG Berlin Beschl. v. 24.4.2012 – S 55 AS 9238/12 – juris).
Durch die Verlagerung wesentlicher Aspekte der verfassungsrechtlichen Kontrolle auf das Gesetzgebungsverfahren wird dem rechtsstaatlichen Transparenzgebot deutlich besser entsprochen, als mit einer reinen Ergebniskontrolle.
Die Kontrolle des Verfahrens ist notwendige Konsequenz der Einräumung eines nach dem Demokratieprinzip gebotenen gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums ohne die verfassungsrechtliche Überprüfbarkeit und den effektiven Rechtsschutz zu gefährden.
Weil das Grundrecht auf Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums auf die Konkretisierung durch den Gesetzgeber angewiesen ist, muss es prozedural stark abgestützt sein (Rixen SGb 2010, S. 243f.).
Das BSG hat – soweit erkennbar – das Urteil des BVerfG vom 9.2.2010 im Zuge der Weiterentwicklung seiner Rechtsprechung zum § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II bislang nicht rezipiert. In den Entscheidungen, welche nach dem 9.2.2010 zum Angemessenheitsbegriff nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II ergangen sind, findet eine Auseinandersetzung mit dem Urteil des BVerfG nicht statt (BSG Urt. v. 18.2.2010 – B 14 AS 74/08 R; BSG Urt. v. 18.2.2010 – B 14 AS 73/08 R; BSG Urt. v. 19.10.2010 – B 14 AS 65/09 R; BSG Urt. v. 19.10.2010 – B 14 AS 15/09 R; BSG Urt. v. 19.10.2010 – B 14 AS 50/10 R; BSG Urt. v. 19.10.2010 – B 14 AS 2/10 R; BSG Urt. v. 6.4.2011 – B 4 AS 119/10 R; BSG Urt. v. 13.4.2011 – B 14 AS 106/10 R; BSG Urt. v. 13.4.2011 – B 14 AS 32/09 R; BSG Urt. v. 13.4.2011 – B 14 AS 85/09 R; BSG Urt. v. 26.5.2011 – B 14 AS 86/09 R; BSG Urt. v. 26.5.2011 – B 14 AS 132/10 R; BSG Urt. v. 23.8.2011 – B 14 AS 91/10 R; BSG Urt. v. 6.10.2011 – B 14 AS 131/10 R; BSG Urt. v. 20.12.2011 – B 4 AS 19/11 R). Erwähnung (ohne inhaltliche Auseinandersetzung) findet es lediglich im Urteil vom 13.4.2011 (B 14 AS 106/10 R – Rn. 40):
.”
Das BSG stellt mithin nicht ausdrücklich heraus, dass es mit seiner Judikatur den Anspruch auf Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums konkretisiert (vgl. allerdings Knickrehm SozSich 2010, S. 193).
Durch die “Berücksichtigung der Bedingungen eines existenzsichernden Leistungssystems” (BSG Urt. v. 17.12.2009 – B 4 AS 50/09 R), durch die Anknüpfung an die Rechtsprechung des BVerwG, durch die Ausrichtung am einfachen Wohnstandard des unteren Marktsegments und vor allem durch die Anwendung der Mietobergrenzen in der Praxis wird jedoch deutlich, dass im Wege der Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs eine Bestimmung und Begrenzung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums erfolgt.
Soweit in der Literatur das Urteil des BVerfG und die Frage der Angemessenheit der Unterkunftskosten in Beziehung gesetzt wird, werden die materiellen Anforderungen des BVerfG überwiegend lediglich im Hinblick auf mögliche Satzungsermächtigungen (Berlit in LPK-SGB II § 22a Rn. 6, 4. Aufl. 2011; Kofner WuM 2011, S. 72; Piepenbrock in jurisPK-SGB II § 22 Rn. 32 u. § 22a Rn. 24, 4. Aufl. 2012) und Pauschalierungen (Knickrehm SozSich 2010, S. 193; Putz SozSich 2011, S. 236) diskutiert. Ausnahmen hierzu bestehen bei Mutschler (NZS 2011, S. 484), der feststellt, dass die Satzungslösung nach §§ 22a bis 22c SGB II n.F. den Forderungen des BVerfG “eher” entspreche als das “schlüssige Konzept”, sowie Piepenbrock (in jurisPK-SGB II § 22 Rn. 31f., 3. Aufl. 2012), die den Angemessenheitsbegriff des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II mit dem Urteil des BVerfG in Beziehung setzt, die bestehende Regelung allerdings durch Berufung auf das “Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit” für gerechtfertigt hält.
Die Orientierung am “Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit” (vgl. BSG Urt. v. 20.9.2009 – B 4 AS 18/09 R) rechtfertigt indes keine Abweichung vom verfassungsrechtlichen Maßstab. Hiermit wird lediglich zum Ausdruck gebracht, dass der Gesetzgeber in der Tradition des Bedarfsdeckungsprinzips auf eine Pauschalierung verzichtet und die grundsätzliche Gewährung der tatsächlich anfallenden Kosten der Unterkunft angeordnet hat.
Sofern eine Angemessenheitsgrenze die Funktion einnimmt, die Leistungen auf das menschenwürdig Existenznotwendige zu beschränken, gibt es jedoch keinen Anlass von den Anforderungen des BVerfG abzuweichen.
Die Deckelung der Leistungen für die Unterkunft durch eine (regional differenzierte) Angemessenheitsgrenze wirkt genauso begrenzend und ggf. das Existenzminimum konkretisierend wie eine Pauschale. Hat eine leistungsberechtigte Person höhere Kosten der Unterkunft zu tragen, als anerkannt sind, hat dies denselben Effekt, wie wenn diese Person mit dem Regelbedarf nicht auskommt und Mehrausgaben hat. Ein Unterschied besteht lediglich darin, dass eine leistungsberechtigte Person nicht (bzw. nur unter Vernachlässigung mietvertraglicher Verpflichtungen) durch Einsparungen beim Unterkunftsbedarf Mehrausgaben in anderen Bedarfsbereichen kompensieren kann.
Der “unbestimmte Rechtsbegriff” der Angemessenheit kann auch nicht deshalb zur Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums herangezogen werden, weil regionale Eigenheiten des Wohnungsmarkts besser berücksichtigt werden könnten. Denn es besteht kein Grund zur Annahme, dass der Gesetzgeber solche Besonderheiten nicht im Gesetz selbst oder auf Grund des Gesetzes im Rahmen hinreichend bestimmter Vorgaben beispielsweise durch Ermächtigung der Kommunen regeln könnte. So hat das BSG an den Gesetz- und Verordnungsgeber appelliert, bundesweite Regelungen für als angemessen anzuerkennende Wohnungsgrößen sowie zur Bestimmung der Vergleichsräume zu schaffen (BSG Urt. v. 19.2.2009 – B 4 AS 30/08 R – Rn. 18f.).
Die (verfassungsrechtliche) Notwendigkeit der näheren Bestimmung durch den Gesetzgeber ergibt sich im Übrigen daraus, dass die Unterkunftskosten mit den Regelleistungen bzw. -bedarfen in einem wechselseitigen Zusammenhang stehen. Bei Leistungsberechtigten ohne anrechnungsfreies Einkommen oder Schonvermögen wirkt sich die unvollständige Übernahme der Kosten der Unterkunft praktisch regelbedarfsmindernd aus, da die übersteigenden Unterkunftskosten aus der Regelleistung bzw. aus dem Regelbedarf bestritten werden müssen (vgl. Kofner WuM 2011, S. 76). Eine den Vorgaben des BVerfG genügende Gestaltung der Regelbedarfe durch den Gesetzgeber würde durch eine unzureichende Bemessung des Unterkunftsbedarfs somit konterkariert und entwertet.
Die Bedarfe für die Kosten der Unterkunft müssen daher durch den Gesetzgeber selbst zumindest so genau bestimmt sein, dass bei Betrachtung des Gesamtanspruchs auf Existenzsicherung die Folgerichtigkeit gewahrt bleibt.
Nach Überzeugung vom Unterzeichner verstößt eine Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II im Sinne einer Begrenzung und Ausgestaltung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums aus den genannten Gründen gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG.
Der Angemessenheitsbegriff des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II selbst ist jedoch einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich.
Die Unterzeichner konkretisiert den Angemessenheitsbegriff deshalb nach Maßgabe des Grundsatzes der verfassungskonformen Auslegung in der Weise, dass unangemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II lediglich Kosten der Unterkunft sind, die deutlich über den üblichen Unterkunftskosten für der Größe und Struktur nach vergleichbarer Haushalte im geografischen Vergleichsraum liegen.
Im Unterschied zur Regelleistung bzw. zum Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 SGB II werden die Unterkunftskosten nach geltendem Recht nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II nicht als Pauschalleistung, sondern grundsätzlich in tatsächlicher Höhe übernommen. Soweit die leistungsberechtigte Person tatsächlich eine menschenwürdige Unterkunft bewohnt, ist mit Übernahme der tatsächlichen Kosten das Existenzminimum im Hinblick auf den Unterkunftsbedarf ohne Weiteres gedeckt, ohne dass es einer weiteren Konkretisierung durch den Gesetzgeber bedürfte. Im Hinblick auf das Grundrecht auf Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums ist somit nur die Begrenzung auf die angemessenen Aufwendungen von Relevanz.
Das Gebot verfassungskonformer Auslegung verlangt, von mehreren möglichen Normdeutungen, die teils zu einem verfassungswidrigen, teils zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führen, diejenige vorzuziehen, die mit dem Grundgesetz im Einklang steht (BVerfG Urt. v. 19.9.2007 – 2 BvF 3/02 – Rn. 92).
Die verfassungskonforme Auslegung ist demzufolge keine Auslegungsmethode im engeren Sinne, sondern eine Vorzugsregel, nach welcher bestimmte nach methodisch korrekter Konkretisierungsarbeit gefundene Ergebnisse gegenüber anderen zu bevorzugen sind. Dass der Gesetzgeber die Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung ausdrücklich unter einen Angemessenheitsvorbehalt stellt, darf demzufolge nicht zum Zwecke der Erhaltung eines verfassungsgemäßen Zustands übergangen, sondern muss einer Konkretisierung zugeführt werden, welche dem Grundrecht auf Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums mit seinen prozeduralen Implikationen nicht widerspricht.
Eine verfassungskonforme Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs setzt daher voraus, dass sie mit Wortlaut und Systematik des § 22 Abs. 1 S. SGB II vereinbar ist.
Dazu muss berücksichtigt werden, dass der Gestaltungsauftrag an den Gesetzgeber zur Bestimmung des Umfangs des Anspruchs auf das unterkunftsbezogene Existenzminimums nicht unterlaufen wird. Demzufolge muss der Angemessenheitsbegriff so konkretisiert werden, dass er eine andere Funktion einnimmt, als die der Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums. In semantischer Hinsicht ist hierbei zu berücksichtigten, dass Angemessenheit ein relationaler Begriff ist, d.h. die Angemessenheit einer Leistung, einer Regelung, einer Handlung immer an einem Bezugspunkt zu messen ist. Dieser Bezugspunkt kann wegen einer hiermit einhergehenden Verletzung der Zuständigkeitsverantwortlichkeit des Gesetzgebers nicht das Existenzminimum sein, d.h. nicht “das nach den gesellschaftlichen Anschauungen für ein menschenwürdiges Dasein Erforderliche” (vgl. BVerfG Urt. v. 9.2.2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 – Rn. 138).
Im semantischen und systematischen Kontext hat der Angemessenheitsbegriff des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II dennoch eine Begrenzungsfunktion “nach oben”.
Diese Begrenzung muss jenseits (im Sinne von oberhalb) des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums für die Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums liegen. Da dem Gesetzgeber in dem Bereich, der über die physische Existenzsicherung hinausgeht, ein weiter Gestaltungsspielraum (beispielsweise anhand der Frage, welches Maß an Gleichheit in den Lebensverhältnissen angestrebt wird) zusteht, kann die Angemessenheitsgrenze funktionell nur im Sinne der Missbrauchsverhütung verstanden werden.
Eine systematische und dauerhafte Besserstellung von Hilfeempfängern gegenüber Personen ohne Hilfeanspruch im Hinblick auf wäre jedenfalls gleichheitsrechtlich problematisch.
Eine sinnvolle und verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Funktion des Angemessenheitsbegriffs kann demzufolge sein, die staatliche Leistungspflicht nur in Einzelfällen zu begrenzen, in denen Leistungsberechtigte hinsichtlich ihrer Unterkunft deutlich erkennbar über den (orts-)üblichen Verhältnissen leben.
Dass eine solche Interpretation mit Wortlaut und Systematik des Normtextes vereinbar ist, zeigt sich auch daran, dass das BSG im gleichen semantischen Kontext die Angemessenheit der Heizungskosten ganz ähnlich definiert (BSG Urt. v. 2.7.2009 – B 14 AS 36/08 R: “Anhaltspunkte dafür, dass die Heizkosten unangemessen hoch sind, können sich insbesondere dadurch ergeben, dass die tatsächlich anfallenden Kosten die durchschnittlich aufgewandten Kosten aller Verbraucher für eine Wohnung der den abstrakten Angemessenheitskriterien entsprechenden Größe signifikant übersteigen.”).
Die verfassungswidrige Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs durch das BSG ist demgegenüber methodisch nicht zwingend.
Das BSG hat sich mit der Ausrichtung des Angemessenheitsbegriffs auf einfache, grundlegende Wohnstandards zunächst auf die frühere Rechtsprechung des BVerwG zum § 12 BSHG bezogen (BSG Urt. v. 7.11.2006 – Az. B 7b AS 18/06 R). Bestätigung findet die Auffassung des BSG im Gesetzentwurf der damaligen Bundesregierung (BT-Drucks. 15/1516 Teil B Art. 1 Zu § 22 Abs. 1), wonach der Anspruch auf Kosten der Unterkunft und Heizung am Maßstab der Sozialhilfepraxis ausgerichtet werden sollte. Als Nichtnormtext hat die Gesetzesbegründung für die Normkonkretisierung keine absolut begrenzende Funktion.
Der Verfassungskonformität ist gegenüber dem entstehungsgeschichtlichen Argument der Vorzug zu geben, da nur der Normtext selbst ein für die Rechtsprechung im Sinne der Gesetzesbindung verbindliches Eingangsdatum im Entscheidungsprozess darstellt.
Das BVerwG hat in seiner Rechtsprechung im Übrigen darauf abgestellt, dass (u.a.) nach § 12 Abs. 1 S. 1 BSHG ausschließlich der “notwendige” Lebensunterhalt geleistet werden müsse, was ausdrücklich auch die Unterkunft umschloss.
Die Hilfen zur Sicherung des Lebensunterhalts des BSHG standen damit insgesamt unter einem im Normtext zum Ausdruck gebrachten Notwendigkeitsvorbehalt, welcher in den Regelungen des SGB II nicht enthalten ist. Mit Einführung des SGB II sind auch weitere signifikante Veränderungen gegenüber dem BSHG vorgenommen worden. Neben der stärkeren Pauschalierung der Leistungen in weitgehender Abkehr vom Individualisierungsgrundsatz, welche eine Kompensation von Bedarfsunterdeckungen durch Einzelfallleistungen quasi unmöglich machte, ist insbesondere der Arbeitsförderungsaspekt deutlicher hinzugetreten. In diesem Zusammenhang stehen die großzügigeren Regelungen im Hinblick auf Schonvermögen und Einkommensanrechnung. Insbesondere ist ein selbst genutztes angemessenes Hausgrundstück oder eine entsprechende Eigentumswohnung nicht als Vermögen zu berücksichtigen (§ 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB II), obwohl im Falle einer Verwertung ohne Gefährdung des Existenzminimums erhebliche Einsparungen möglich wären.
Die Regelungen zum Vermögen sind auch vor dem Hintergrund zu verstehen, dass die Leistungen des SGB II dem gesetzgeberischen Ideal entsprechend nur vorübergehend erbracht werden, der Zustand der Arbeitslosigkeit schnell überwunden werden soll.
Deshalb würde es als Härte empfunden, wenn beispielsweise nach inzwischen auf in der Regel auf 12 Monate begrenzte Arbeitslosengeldbezugsdauer sofort die Verwertung des Immobilieneigentums folgen würde.
Der Verlust einer seit langem bewohnten Mietwohnung mag allerdings ebenso als Härte empfunden werden.
Auch in diesem systematischen Kontext ist es daher vertretbar, dem Erhalt der zu Beginn des Leistungsbezugs bewohnten Wohnung eine hohe Priorität einzuräumen, in dem die Kosten auch unabhängig von kostengünstigeren Alternativen grundsätzlich in voller Höhe berücksichtigt werden (vgl. auch BSG Urt. v. 18.6.2008 – B 14/11b AS 67/06 R:
“Der Gesetzgeber räumt dem Erhalt der Wohnung allgemein einen hohen Stellenwert ein, ohne Rücksicht darauf, ob diese gemietet ist oder im Eigentum des Hilfebedürftigen steht”). Ein gewisser Schutz vor Missbrauch bzw. Optimierung kann durch Anwendung des § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II erreicht werden.
Die durch die Unterzeichner nunmehr Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs ist somit mit Systematik und Teleologie des SGB II in Einklang zu bringen.
Der Angemessenheitsbegriff ist mithin nicht im Sinne einer stets zu prüfenden an lediglich grundlegenden Bedürfnissen orientierten Angemessenheitsgrenze mit regional und anhand der Zahl der Haushaltsmitglieder festgelegter Höhe zu konkretisieren, sondern als Angemessenheitsvorbehalt, welcher dem Leistungsträger (wiederum unter voller gerichtlicher Kontrolle) ermöglicht, den Leistungsanspruch in Fällen offenkundiger Missverhältnisse zu reduzieren. Dies ist anhand der Besonderheiten des Einzelfalls (§§ 22 Abs. 1 S. 2 SGB II a.F.; § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II n.F.) durchzuführen. Unangemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II sind die Aufwendungen für eine Unterkunft daher erst dann, wenn die Kosten deutlich über den üblichen Unterkunftskosten für der Größe und Struktur nach vergleichbare Haushalte im geografischen Vergleichsraum liegen.
Text wird noch überarbeitet
Liebe Grüße Werner Oetken