Im Moment wird im Nordwestradio eine bisher recht objektive Sendung über Betroffene des "Abgehängten Prekariates" übertragen.
88.30
Kaleika
ich hätte auf 80:20 getippt
Zehn Ideen gegen die 20:80-Gesellschaft
1. Eine demokratisierte und handlungsfähige Europäische Union:
Die einzelnen europäischen Staaten sind im hoch integrierten EU-Binnenmarkt nicht mehr reformfähig. Der EU-Staatenverbund kann jedoch in seiner derzeitigen Form tiefgreifende Veränderungen, etwa eine Öko-Steuer, auch nicht beschließen und durchsetzen, weil den Ministerräten, dem eigentlichen EUGesetzgebungsorgan, die demokratische Legitimation für Mehrheitsentscheidungen fehlt. Öffentlichkeit für alle Sitzungen der Ministerräte, Wahl der EU-Kommission durch das Europäische Parlament und
nationale Parlamentsdebatten über jedes EU-Gesetz unter Beteiligung ausländischer Redner können die europäische Demokratie mit Leben füllen und politische Reformallianzen über die Grenzen hinweg ermöglichen.
2. Stärkung und Europäisierung der Bürgergesellschaft:
Je mehr die wachsende materielle Ungleichheit den Zusammenhalt der Gesellschaften bedroht, um so wichtiger wird es, daß die Bürger selbst die demokratischen Grundrechte verteidigen und die soziale Solidarität stärken. Gleich ob in der Nachbarschaft oder am Arbeitsplatz, bei der Mitarbeit in Kinderläden und Umweltinitiativen oder bei der Integration von Zuwanderern, überall gibt es Möglichkeiten, sich der Ausgrenzung der wirtschaftlich Schwachen entgegenzustellen und auf Alternativen zu Marktradikalismus
und Sozialabbau zu drängen. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit und Vernetzung könnten dem millionenfachen Engagement weit mehr Ausstrahlungskraft verleihen. Es ist das gute Recht eines jeden, bei der Gestaltung der Zukunft mitzuwirken, auch in Brüssel. Global zu denken und lokal zu handeln ist gut, gemeinsam handeln über die Grenzen hinweg ist besser.
3. Die Europäische Währungsunion:
Größe ist der einzig wichtige Machtfaktor in der globalisierten Ökonomie. Die Beseitigung von Europas monetärer Zersplitterung durch den gemeinsamen Euro kann das Kräfteverhältnis zwischen den Finanzmärkten und den europäischen Staaten vom Kopf auf die Füße stellen. Die Wechselkurse können
stabilisiert werden, und der monetäre Außenwert europäischer Produkte auf den Märkten in Asien und Amerika läßt sich mit den Partnern in Obersee verhandeln und bleibt nicht der Willkür der USNotenbank und der Geldhändler in London, New York oder Singapur überlassen. Gelänge es, den Euro zur führenden Währung auszubauen, bekäme die EU genügend wirtschaftliche Potenz, um auf die Trockenlegung der Steueroasen zu drängen und private Zinsgewinne wieder der Steuerpflicht zu unterstellen.
4. Ausdehnung der EU-Gesetzgebung auf die Besteuerung:
Die Steuerpolitik ist der Schlüssel zur demokratischen Lenkung der wirtschaftlichen Entwicklung ohne dirigistische und bürokratische Eingriffe in den Markt. Europas Wirtschaft ist so hochgradig verflochten, daß solche Steuerung aber nur noch auf europäischer Ebene durchführbar ist. Zudem läßt sich nur so der EU-interne Wettlauf um die niedrigste Unternehmensbesteuerung und die gegenseitige Abwerbung von vermögenden Steuerzahlern beenden.
5. Erhebung einer Umsatzsteuer auf den Devisenhandel (Tobin-Tax) und auf Euro-Kredite an nichteuropäische Banken:
Der volkswirtschaftliche Schaden durch spekulativ verursachte Rechselkursschwankungen läßt sich mit einer Devisenhandels- und Kreditsteuer, wie sie der US-Ökonom James Tobin vorschlägt, erheblich
vermindern. Weil sich das Geschäft mit Zinsdifferenzen zwischen den einzelnen Währungen weniger lohnen würde, gewänne die Europäische Zentralbank die Autonomie, die Zinshöhe der europäischen Konjunkturlage anzupassen und müßte nicht der amerikanischen Vorgabe folgen. Die Devisensteuer
erschließt zudem dringend benötigte Einnahmequellen für die Unterstützung jener Länder des Südens, die auf den globalen Märkten nicht mithalten können.
6. Soziale und ökologische Mindeststandards für den Welthandel:
Regierungen in Entwicklungsländern, die mit Kinderarbeit, rücksichtsloser Umweltzerstörung und Hungerlöhnen, die nur mittels Repression gegen Gewerkschafter durchzusetzen sind, ihrer dünnen Oberschicht Handelsgewinne am Weltmarkt verschaffen, betreiben Raubbau an den menschlichen und
natürlichen Ressourcen ihrer Nationen. Würde die Welthandelsorganisation WTO Sanktionen gegen solche Länder verhängen, deren Machthaber nachweislich-und von UNO-Behörden bestätigt - demokratische und ökonomische Grundrechte brechen, wären die zumeist undemokratischen Eliten des Südens gezwungen, eine Entwicklungspolitik zu betreiben, die ihre Völker tatsächlich voranbringt.
7. Eine europaweite ökologische Steuerreform:
Die Besteuerung des Ressourcenverbrauchs kann arbeitsintensive Gewerbe fördern und das ökologisch verheerende Wachstum des Gütertransports über immer größere Distanzen begrenzen. Menschliche Arbeit würde aufgewertet, energieintensive Automation wäre weniger rentabel Die Umschichtung der Steuerlast bietet zudem die Chance, die Finanzierung des Sozialstaats von den Einkommen der Beschäftigten zu trennen.
8. Einführung einer europäischen Luxussteuer:
Kapitalgewinne auf Seiten der Unternehmen lassen sich im weltweiten Wettbewerb nicht straflos über dem Weltdurchschnitt besteuern. Dies würde nur die Preise für Europas Produkte und Dienstleistungen steigern und Investoren außer Landes treiben. Um die Gewinner der Globalisierung dennoch zu gerechten Anteilen an der Finanzierung staatlicher Aufgaben zu beteiligen, ist eine erhöhte Mehrwertsteuer auf Luxusgüter ein angemessener Ersatz, also eine 30prozentige Abgabe auf alles, was Reichen Spaß macht: Immobilienkäufe über den Eigenbedarf am Wohnort hinaus, Luxuslimousinen, Hochsee-Yachten, Privatflugzeuge, hochwertiger Schmuck, kosmetische Chirurgie...
9. Europäische Gewerkschaften:
Das größte Versäumnis von Europas Gewerkschaftsfunktionären war ihr bisheriger Verzicht auf den Aufbau einer schlagkräftigen EU-Organisation. Nur darum gibt es keine funktionierenden europäischen Betriebsräte, nur darum lassen sich die Belegschaften der Betriebe in verschiedenen Ländern gegeneinander ausspielen. Würden die Arbeitnehmervertreter ihre Kleinstaaterei beenden, wäre es mit der Übermacht der effizient organisierten Unternehmenslobby im Brüsseler Gesetzgebungsverfahren vorbei und die EU-Sozialpolitik konnte Gestalt annehmen.
10. Stopp der Deregulierung ohne sozialen Flankenschutz:
Die Auflösung der bisher staatlich organisierten Monopole für Kommunikationsdienstleistungen und Energieversorgung sowie die Öffnung bislang geschützter Marktsektoren für den internationalen Wettbewerb haben verheerende Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Wenn nicht sichergestellt werden kann, daß wenigstens annähernd so viele Arbeitsplätze neu geschaffen werden, wie durch die Liberalisierung verlorengehen, sollte jede Marktöffnung so lange vertagt werden, bis die Arbeitslosigkeit wieder sinkt.