Martin Behrsing
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Stellungnahme der Münchner Lobby für Erwerbslose
Neuregelung zu Warmwasserkosten führt zu empfindlicher
Kürzung von Hartz-IV -Leistungen in München
Familien sind besonders betroffen
Seit Anfang 2009 hat sich die Regelung zur Berechnung des Warmwasser-Anteils
für Hartz IV -Betroffene geändert – „leider oft zu Ihren Ungunsten“, wie eine Kundeninformation
der Arbeitsgemeinschaft für Beschäftigung München (Arge ) mitteilt.
Grundlage für die Neuberechnung ist das Urteil des Bundessozialgerichtes vom
27.02.2008. Das BSG legt mit seiner Entscheidung fest, dass nicht wie bisher die
Kosten für Warmwasser-Bereitung in Pauschalen in Höhe von 18% der Heizkosten
bemessen werden können. Der Leistungsträger darf nur den in der Regelleistung
enthaltenen Anteil für die Bereitung von Warmwasser monatlich je Angehörigen
der Bedarfsgemeinschaft in Abzug bringen.
Geurteilt wurde dabei über einen Fall, in dem die Wohnung keinen Warmwasserzähler
hatte. Das Urteil des BSG enthält aber zwei Berechnungsvarianten, die
zur einer erheblichen Ungleichbehandlung führen, abhängig davon, ob in der
Wohnung ein Warmwasserzähler vorhanden ist oder nicht:
1. Können die Kosten der Warmwasser-Bereitung nicht konkret durch einen
Zähler erfasst werden, sind in Zukunft 30% des im Regelsatz enthaltenen
Anteils für Haushaltsenergie dafür anzusetzen. Der Anteil an Haushaltsenergie
im Regelsatz beträgt 22,11 € (seit 01.07.2008). Danach ergeben
sich folgende Warmwasseranteile: 6,63 € Alleinstehenden (100%), 5,97 €
Partner (Mischregelsatz je 90%), 5,30 € bei einem Haushaltsangehörigen
über 14 Jahren (80%) und 3,98 € bei einem Haushaltsangehörigen unter
14 Jahren (60%).
2. Ist es möglich, die tatsächlich Kosten für Warmwasserbereitung konkret zu
erfassen, so sind diese von den geltend gemachten Kosten der Heizung
abzuziehen. Das Bundessozialgericht legte dies in dem Urteil fest, ohne im
Einzelfall zu prüfen, ob eine solche Regelung gegen den
Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt oder angesichts der gestiegenen
Energiekosten zur Unterschreitung des Existenzminimums führen kann.
In München erleben Mitarbeitende der Erwerbslosen-Beratungsstellen, dass ein
Großteil ihrer Klient/innen einen Warmwasserzähler hat und nun die tatsächlichen
Kosten für Warmwasser angerechnet werden. Nicht zuletzt angesichts der
Preissteigerungen im Energiebereich bedeutet diese neue Regelung eine
erhebliche Leistungseinschränkung für die meisten Alg2-Empfänger/innen.
Stellungnahme MüLE/ 29. Mai 2009 2
Ein konkretes Beispiel aus der Beratungspraxis:
Am 23.01.2009 kam eine Frau (alleinerziehend, 12-jähriges Kind) in die Beratung
des Münchner Arbeitslosenzentrums MALZ mit der Bitte sie zu unterstützen. Sie
wisse nicht, wovon sie den Rest des Monats leben solle. Die Klientin hatte für Januar
von der Arge etwa 50,- € weniger erhalten. In der hier betroffenen Familie
lagen die tatsächlichen Warmwasser-Kosten im Januar bei 62,50 €. Der
monatliche Regelleistungsanteil für Warmwasser beträgt dagegen nur 10,61 €
(6,63 € für die Mutter und 3,98 für das Kind). Ohne ihren Warmwasserzähler wären
die Klientin und ihr Sohn weitaus günstiger gestellt. Die Arbeitslosenberaterin
musste ihr erklären, dass der Auszahlungsbetrag der neuen Verwaltungsrichtlinie
der Arge München entspräche. Dies rief bei der Klientin Verzweiflung hervor: „Wie
soll ich denn damit über die Runden kommen, wo doch das Hartz IV ohnehin
schon so knapp war!“
Wie diese Familie muss nun ein Großteil der Leistungsempfänger/innen in München
die Warmwasserkosten in „tatsächlicher Höhe“ selbst finanzieren. Dabei wird
nicht zwischen Bereitstellungs- und Verbrauchskosten unterschieden. Tatsächlich
wird der Regelsatzanteil oft allein schon durch die Bereitstellungsgebühr überschritten,
noch bevor die Klient/innen das erste Mal den Wasserhahn aufgedreht
haben.
Im Ergebnis führt die neue Verwaltungsrichtlinie der Arge München sowohl zu
einer empfindlichen Unterschreitung des Existenzminimums, als auch zu einem
Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz.
Daher fordert die Münchner Lobby für Erwerbslose:
1. die Warmwasserkosten in Bereitstellungs- und Verbrauchskosten zu
differenzieren und den nicht-unmittelbaren Verbrauch den Kosten der
Unterkunft (KdU ) zuzurechnen, so dass er nicht von den Betroffenen aus
dem Regelsatz getragen werden muss;
2. darüber hinaus grundlegend zu prüfen, wie die gewählte Berechnungsart
durch eine verfassungskonforme Auslegung des Urteils des
Bundessozialgerichtes geändert werden kann.
Die Münchner Lobby für Erwerbslose (MüLE)
ist ein freier Zusammenschluss von Münchner Erwerbslosenberater/innen. Beteiligt
sind das Arbeitslosenzentrum München Nord, das Münchner Arbeitslosenzentrum
MALZ, die Arbeitslosenseelsorge in der Erzdiözese München und Freising, die
Gemeindeorientierte Soziale Arbeit der Caritas, das Netzwerk Erwerbssuchender
Akademiker (nea), Einspruch e.V., die Gewerkschaft ver.di, die Frauenberatungsstelle
kofra, das Stadtteilbüro Neuperlach sowie der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt der
evangelischen Kirche (kda).
Ansprechpartnerin zu dieser Stellungnahme:
Irmgard Ernst, MALZ - Münchner Arbeitslosenzentrum, diakonia GmbH
Seidlstraße 4, 80335 München, Tel.: 089 12 15 95 24, eMail: ernst@diakonia.de
Neuregelung zu Warmwasserkosten führt zu empfindlicher
Kürzung von Hartz-IV -Leistungen in München
Familien sind besonders betroffen
Seit Anfang 2009 hat sich die Regelung zur Berechnung des Warmwasser-Anteils
für Hartz IV -Betroffene geändert – „leider oft zu Ihren Ungunsten“, wie eine Kundeninformation
der Arbeitsgemeinschaft für Beschäftigung München (Arge ) mitteilt.
Grundlage für die Neuberechnung ist das Urteil des Bundessozialgerichtes vom
27.02.2008. Das BSG legt mit seiner Entscheidung fest, dass nicht wie bisher die
Kosten für Warmwasser-Bereitung in Pauschalen in Höhe von 18% der Heizkosten
bemessen werden können. Der Leistungsträger darf nur den in der Regelleistung
enthaltenen Anteil für die Bereitung von Warmwasser monatlich je Angehörigen
der Bedarfsgemeinschaft in Abzug bringen.
Geurteilt wurde dabei über einen Fall, in dem die Wohnung keinen Warmwasserzähler
hatte. Das Urteil des BSG enthält aber zwei Berechnungsvarianten, die
zur einer erheblichen Ungleichbehandlung führen, abhängig davon, ob in der
Wohnung ein Warmwasserzähler vorhanden ist oder nicht:
1. Können die Kosten der Warmwasser-Bereitung nicht konkret durch einen
Zähler erfasst werden, sind in Zukunft 30% des im Regelsatz enthaltenen
Anteils für Haushaltsenergie dafür anzusetzen. Der Anteil an Haushaltsenergie
im Regelsatz beträgt 22,11 € (seit 01.07.2008). Danach ergeben
sich folgende Warmwasseranteile: 6,63 € Alleinstehenden (100%), 5,97 €
Partner (Mischregelsatz je 90%), 5,30 € bei einem Haushaltsangehörigen
über 14 Jahren (80%) und 3,98 € bei einem Haushaltsangehörigen unter
14 Jahren (60%).
2. Ist es möglich, die tatsächlich Kosten für Warmwasserbereitung konkret zu
erfassen, so sind diese von den geltend gemachten Kosten der Heizung
abzuziehen. Das Bundessozialgericht legte dies in dem Urteil fest, ohne im
Einzelfall zu prüfen, ob eine solche Regelung gegen den
Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt oder angesichts der gestiegenen
Energiekosten zur Unterschreitung des Existenzminimums führen kann.
In München erleben Mitarbeitende der Erwerbslosen-Beratungsstellen, dass ein
Großteil ihrer Klient/innen einen Warmwasserzähler hat und nun die tatsächlichen
Kosten für Warmwasser angerechnet werden. Nicht zuletzt angesichts der
Preissteigerungen im Energiebereich bedeutet diese neue Regelung eine
erhebliche Leistungseinschränkung für die meisten Alg2-Empfänger/innen.
Stellungnahme MüLE/ 29. Mai 2009 2
Ein konkretes Beispiel aus der Beratungspraxis:
Am 23.01.2009 kam eine Frau (alleinerziehend, 12-jähriges Kind) in die Beratung
des Münchner Arbeitslosenzentrums MALZ mit der Bitte sie zu unterstützen. Sie
wisse nicht, wovon sie den Rest des Monats leben solle. Die Klientin hatte für Januar
von der Arge etwa 50,- € weniger erhalten. In der hier betroffenen Familie
lagen die tatsächlichen Warmwasser-Kosten im Januar bei 62,50 €. Der
monatliche Regelleistungsanteil für Warmwasser beträgt dagegen nur 10,61 €
(6,63 € für die Mutter und 3,98 für das Kind). Ohne ihren Warmwasserzähler wären
die Klientin und ihr Sohn weitaus günstiger gestellt. Die Arbeitslosenberaterin
musste ihr erklären, dass der Auszahlungsbetrag der neuen Verwaltungsrichtlinie
der Arge München entspräche. Dies rief bei der Klientin Verzweiflung hervor: „Wie
soll ich denn damit über die Runden kommen, wo doch das Hartz IV ohnehin
schon so knapp war!“
Wie diese Familie muss nun ein Großteil der Leistungsempfänger/innen in München
die Warmwasserkosten in „tatsächlicher Höhe“ selbst finanzieren. Dabei wird
nicht zwischen Bereitstellungs- und Verbrauchskosten unterschieden. Tatsächlich
wird der Regelsatzanteil oft allein schon durch die Bereitstellungsgebühr überschritten,
noch bevor die Klient/innen das erste Mal den Wasserhahn aufgedreht
haben.
Im Ergebnis führt die neue Verwaltungsrichtlinie der Arge München sowohl zu
einer empfindlichen Unterschreitung des Existenzminimums, als auch zu einem
Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz.
Daher fordert die Münchner Lobby für Erwerbslose:
1. die Warmwasserkosten in Bereitstellungs- und Verbrauchskosten zu
differenzieren und den nicht-unmittelbaren Verbrauch den Kosten der
Unterkunft (KdU ) zuzurechnen, so dass er nicht von den Betroffenen aus
dem Regelsatz getragen werden muss;
2. darüber hinaus grundlegend zu prüfen, wie die gewählte Berechnungsart
durch eine verfassungskonforme Auslegung des Urteils des
Bundessozialgerichtes geändert werden kann.
Die Münchner Lobby für Erwerbslose (MüLE)
ist ein freier Zusammenschluss von Münchner Erwerbslosenberater/innen. Beteiligt
sind das Arbeitslosenzentrum München Nord, das Münchner Arbeitslosenzentrum
MALZ, die Arbeitslosenseelsorge in der Erzdiözese München und Freising, die
Gemeindeorientierte Soziale Arbeit der Caritas, das Netzwerk Erwerbssuchender
Akademiker (nea), Einspruch e.V., die Gewerkschaft ver.di, die Frauenberatungsstelle
kofra, das Stadtteilbüro Neuperlach sowie der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt der
evangelischen Kirche (kda).
Ansprechpartnerin zu dieser Stellungnahme:
Irmgard Ernst, MALZ - Münchner Arbeitslosenzentrum, diakonia GmbH
Seidlstraße 4, 80335 München, Tel.: 089 12 15 95 24, eMail: ernst@diakonia.de