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Amnesty International fordert „Globalisierung von unten“
Von Bettina Henningsen
Etwas bemüht versuchte Amnesty International auf einer Veranstaltung anläßlich des 60. Jahrestages der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ die Frage der sozialen Gerechtigkeit , sonst eher einem anderen Bereich zugeordnet, in das Thema einzubinden. Zu diesem Zweck gaben neun Organisationen, darunter Attac und FIAN Deutschland und der Deutsche Frauenrat ihre Vorstellungen zum Thema bekannt. Man war sich meist einig, doch litt die Veranstaltung darunter, dass die meisten Vorschläge wenig konkret wurden.
Am 10. Dezember wird die UNO anlässlich des 60. Jahrestages der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ein Zusatzprotokoll zum Sozialpakt verabschieden. Opfer von Verletzungen sozialer Menschenrechte können dann bei der UNO Beschwerde einlegen, sobald der Rechtsweg ausgeschöpft ist. Nun soll auch in Deutschland ein neues Bewusstsein für Menschenrechtsfragen geschaffen werden.
Armin Paasch von FIAN Deutschland e. V. (Internationale Menschenrechtsorganisation für das Recht sich zu ernähren) begrüßt diese Neuerung insbesondere hinsichtlich der zur Zeit 920 Millionen Menschen weltweit, die an Hunger leiden. Und dass Armut und Hunger längst nicht mehr nur Problem in Ländern der sog. Dritten Welt ist, zeige die Entwicklung in Deutschland seit Einführung von Arbeitslosengeld II bzw. Hartz IV.
Der Hartz IV- Regelsatz liege unter dem sozioökonomischen Existenzminimum und verletze somit grundlegende Menschenrechte, so Prof. Franz Segbers von der Universität Marburg. Die Sozialleistungen entsprächen nicht dem soziokulturellen Existenzminimum und die statistischen Erkenntnisse hinsichtlich eines notwendigen Grundeinkommens würden schlichtweg ignoriert. Hartz IV sei eine „staatlich verordnete Unterversorgung“ und verstoße gegen den sozialen Rechtsstaat. Segbers fordert daher, das Recht auf Nahrung der Menschen auch innerhalb der Bundesrepublik zu gewährleisten. Das UNO Zusatzprotokoll sei daher auch für deutsche Bürgerinnen und Bürger eine Möglichkeit, gegen soziale Ungerechtigkeit vorzugehen.
Die Menschenrechtsorganisation Mehr Demokratie e. V. verweist in diesem Zusammenhang auf Art. 21 der Allgemeinen Menschenrechte und fordert die Einführung von bundesweiten Volksentscheiden, um der unsozialen und Menschenrechts verletzenden Entwicklung in Deutschland auf demokratischem Wege entgegenzutreten.
Dass sich an den sozialen Verhältnissen in Deutschland etwas ändern muss, ist nichts Neues. Worin liegen also die konkreten Forderungen von Amnesty International und anderen deutschen Menschenrechtsorganisationen?
Attac Deutschland fordert die demokratische Kontrolle der Betriebe und Institutionen hinsichtlich der Gewährleistung der Menschenrechte, den Stopp der so genannten Liberalisierung und Privatisierung des Finanzmarktes sowie die Schließung von Steueroasen. KAB Deutschland e. V. fordert ein garantiertes Mindesteinkommen, Netzwerk Grundeinkommen will sowohl die Abschaffung der Berechnung nach Bedarfsgemeinschaften als auch die der Prüfung der Bedürftigkeit.
Der KAB sieht hierfür die Vernetzung eines europaweiten Sozialmodells vor, um eine allgemeine Akzeptanz zu erreichen. Die Anhöhung der Sozialleistungen und die Einführung eines Mindestlohnes sind ohnehin schon lange Forderungen von verschiedenen Seiten.
Auch wenn sich die einzelnen Vorschläge voneinander unterscheiden, so haben sie folgenden Konsens
er weltweiten Globalisierung müsse nun die „Globalisierung von unten“ folgen. Doch was bedeutet das? Dem bisher auf politischer und wirtschaftlicher Ebene geführten Diskurs fehle die menschenrechtliche Dimension. Ziel sei es, so Frau Engels vom Deutschen Frauenrat e. V., diesen Prozess in Deutschland in Gang zu setzen. Nur dann könne man die Betroffenen selbst erreichen und sie für dieses Thema sensibilisieren. Die Menschenrechtsdiskussion soll nicht länger Sache von Experten bleiben.
Insgesamt eine nützliche Veranstaltung. Doch sollte man beim nächsten Versuch etwas konkreter werden. Vielleicht hilft schon eine bessere Vorbereitung. Doch das soll dem guten Zweck keinen Abbruch tun. Immerhin fordert FIAN auch die Unterzeichnung und Ratifizierung durch Deutschland. Das wird am 9./10. Dezember auf einer Konferenz mit dem Titel „Politik gegen Hunger“ beraten, zu der das Landwirtschaftsministerium einlädt.
Veröffentlicht: 9. Dezember 2008[/FONT]