Häufig beginnen enorme Probleme damit, dass die Krankenkasse die Krankengeldzahlung unter Hinweis auf ein
Aktenlagegutachten des MDK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung) einstellt. Da die Feststellung von Arbeitsunfähigkeit nach § 4 Abs. 1 Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien (AU-RL) nur auf Grund ärztlicher Untersuchungen erfolgen darf und die Befragung des Versicherten zu Tätigkeit, Anforderungen und Belastungen voraussetzt, ist nur schwer vorstellbar, dass die Arbeitsfähigkeit dagegen von irgendeinem MDK-Arzt ohne entsprechende Erkenntnisse aus der Ferne festgestellt werden kann. Deswegen fehlt den inzwischen verbreiteten Aktenlagegutachten oft die erforderliche medizinische Basis. Nach Auffassung des Hessischen Landessozialgerichtes bewegt sich diese Praxis wohl eher an der Grenze der Willkür und ist damit jedenfalls nicht immer akzeptabel
L 8 KR 228/06 · LSG HES · Urteil vom 18.10.2007 · rechtskräftig nsitive=
In diesen aber auch in anderen Fällen einer womöglich unberechtigten Einstellung der Krankengeldzahlung ist das Allerwichtigste, dass der behandelnde Arzt weiterhin
ununterbrochen arbeitsunfähig schreibt und die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AUB) jeweils rechtzeitig bei der Krankenkasse eingereicht werden. Außerdem ist der sofortige – eigene –
Widerspruch wichtig.
Die Begründung kann nachgereicht werden. Dafür empfiehlt sich, zumindest vorher das MDK-Gutachten in Kopie zu verlangen - und die Unterlagen, die dem MDK von der Kasse vorgelegt wurden. Auf die Herausgabe besteht Anspruch (
Akteneinsichtsrecht, § 25 SGB X, zu Kopien siehe Abs. 5 :
SGB X - Einzelnorm Und wenn man die Unterlagen dann vorliegen hat, empfiehlt sich, diese mit der Auflistung im MDK-Gutachten zu vergleichen.
Die Krankenkassen haben aktuelle
Weisung ihrer Rechtsaufsicht, wonach im Falle des Widerspruchs bei weiter nachgewiesener Arbeitsunfähigkeit
aufschiebende Wirkung gilt:
https://www.bundesversicherungsamt....perty=publicationFile.pdf/Rundschreiben49.pdf
Dementsprechend wäre der Kasse für die (Zusage der) Weiterzahlung eine 3-Tages-Frist zu setzen und bei Nichtbeachtung ein
Antrag an das Sozialgericht auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung die erste Wahl (und hilfsweise Antrag auf einstweilige Anordnung). Zudem erscheint dann wegen ausdrücklicher Abweichung von der für die Krankenversicherung intern gültigen Rechtsauslegung die
Beteiligung der Rechtsaufsicht unbedingt erforderlich:
Bundesversicherungsamt - Bundesversicherungsamt
Manche Krankenkassen sind zwar der Rechtsaufsicht der Länder unterstellt, weswegen sich empfiehlt, ggf. um
Weitergabe zu bitten.
Für den Antrag beim Sozialgericht und für die Beschwerde beim Bundesversicherungsamt braucht man
nicht unbedingt einen Anwalt und hat dann auch
kein Kostenrisiko. Also bevor man das aus solchen Gründen lässt, macht man es besser selbst so gut man das eben kann. Das
Sozialgericht ist quasi Anwalt des Klägers, denn es gilt die
Offizialmaxime.
Außerdem sollte der
Arzt unverzüglich nach § 7 Abs. 2 der AU-RL verfahren:
https://www.g-ba.de/downloads/62-492-56/RL_Arbeitsunfaehigkeit-2006-09-19.pdf , denn sonst ist das Gutachten des Medizinischen Dienstes grundsätzlich verbindlich. Bestehen zwischen dem Vertragsarzt und dem Medizinischen Dienst
Meinungsverschiedenheiten, kann der Vertragsarzt unter schriftlicher Darlegung seiner Gründe bei der Krankenkasse eine erneute Entscheidung auf der Basis eines Zweitgutachtens beantragen.
Der Beurteilungs- bzw. Bewertungsmaßstab für die Beurteilung der AU ist § 2 Abs. 1, 3 und 4 der genannten AU-RL zu entnehmen. Einzelheiten hängen davon ab, ob man
aus dem Arbeitsverhältnis heraus – a –
oder aus der Arbeitslosigkeit heraus – b –
arbeitsunfähig wird.
- a –
aus dem Arbeitsverhältnis
Arbeitsunfähigkeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG gegeben, wenn der Versicherte
seine zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalls konkret ausgeübte Arbeit wegen Krankheit nicht (weiter) verrichten kann. Daß er möglicherweise eine andere Tätigkeit trotz der gesundheitlichen Beeinträchtigung noch ausüben könnte, ist unerheblich. Gibt er nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit die zuletzt innegehabte Arbeitsstelle auf, ändert sich allerdings der rechtliche Maßstab insofern, als für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nicht mehr die konkreten Verhältnisse an diesem Arbeitsplatz maßgebend sind, sondern nunmehr abstrakt auf die
Art der zuletzt ausgeübten Beschäftigung abzustellen ist. Der Versicherte darf dann auf gleich oder ähnlich geartete Tätigkeiten "verwiesen" werden, wobei aber der Kreis möglicher
Verweisungstätigkeiten entsprechend der Funktion des Krankengelds eng zu ziehen ist. Handelt es sich bei der zuletzt ausgeübten Tätigkeit um einen anerkannten Ausbildungsberuf, so
scheidet eine Verweisung auf eine außerhalb dieses Berufs liegende Beschäftigung aus. Auch eine Verweisungstätigkeit innerhalb des Ausbildungsberufs muß, was die Art der Verrichtung, die körperlichen und geistigen Anforderungen, die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten sowie die Höhe der Entlohnung angeht, mit der bisher verrichteten Arbeit im wesentlichen übereinstimmen, so daß der Versicherte sie ohne größere Umstellung und Einarbeitung ausführen kann. Dieselben Bedingungen gelten bei
ungelernten Arbeiten, nur daß hier das Spektrum der zumutbaren Tätigkeiten deshalb größer ist, weil die Verweisung nicht durch die engen Grenzen eines Ausbildungsberufs eingeschränkt ist. Für die Beurteilung ist
unerheblich, ob der Versicherte sich arbeitslos meldet und sein Einverständnis mit einer Vermittlung in einen anderen Beruf erklärt (zum Ganzen zuletzt Senatsurteil vom 8. Februar 2000 - B 1 KR 11/99 R - BSGE 85, 271, 273 f = SozR 3-2500 § 49 Nr 4 S 12 f mwN).
Diese Argumentation hinsichtlich des Bewertungs- / Beurteilungsmaßstabes der Arbeitsunfähigkeit enthält das BSG-Urteil vom 14.02.2001, B 1 KR 30/00 R, :
B 1 KR 30/00 R · BSG · Urteil vom 14.02.2001 ·=
Wer noch während des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig und dann arbeitslos wurde, findet ein gutes Beispiel im Urteil des BSG vom 08.02.2000, B 1 KR 11/99 R:
B 1 KR 11/99 R · BSG · Urteil vom 08.02.2000 · sitive= Ein Auszug ergibt das Wesentliche in wenigen Sätzen:
Nach dieser Rechtsprechung … kann die Klägerin nicht … auf ihren ursprünglich erlernten Beruf als Fotolaborantin verwiesen werden, da es sich um eine völlig andere Tätigkeit handelt, die mit der zuletzt ausgeübten Beschäftigung als Altenpflegerin keine Berührungspunkte aufweist. Auch andere geeignete "
Verweisungstätigkeiten" sind nicht ersichtlich. Daran ändert nichts, daß sich die Klägerin nach dem Ausscheiden aus ihrem Arbeitsverhältnis beim Deutschen Roten Kreuz arbeitslos gemeldet und der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt hat. Die Arbeitsunfähigkeit entfällt nämlich, wie das BSG ebenfalls bereits entschieden hat, nicht dadurch, daß sich der Versicherte in Anbetracht seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung für eine berufliche Neuorientierung öffnet und zu erkennen gibt, daß er zu einem Berufswechsel bereit ist (Urteil vom 24. Mai 1978 - BSGE 46, 190 = SozR 2200 § 182 Nr 34; Urteil vom 2. Februar 1983 - 3 RK 43/81 - USK 8309; Urteil vom 2. Februar 1984 - SozR 4100 § 158 Nr 6 S 6; Urteil vom 15. November 1984 - BSGE 57, 227, 229 f = SozR 2200 § 182 Nr 96 S 199). Das Krankengeld ist dazu bestimmt, den krankheitsbedingten Ausfall des bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bezogenen Arbeitsentgelts oder sonstigen Erwerbseinkommens auszugleichen; es behält seine Funktion, solange die Unfähigkeit zur Verrichtung der zuletzt ausgeübten oder einer vergleichbaren Erwerbstätigkeit andauert. Allein die Bereitschaft, eine dem verbliebenen Leistungsvermögen entsprechende Arbeit anzunehmen, beseitigt deshalb nicht den für den Krankengeldanspruch maßgebenden Bezug zu der früheren Beschäftigung. Erst mit der tatsächlichen Aufnahme einer neuen beruflichen Tätigkeit endet dieser Bezug und wird die neue Tätigkeit zur Grundlage für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit (BSGE 57, 227, 229 f = SozR 2200 § 182 Nr 96 S 199).
- b –
aus der Arbeitslosigkeit
Bei Arbeitsunfähigkeit aus der Arbeitslosigkeit heraus ist der Bewertungsmaßstab für die Arbeitsunfähigkeit in § 2 Abs. 3 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien (AU-RL) definiert. Danach sind Arbeitslose arbeitsunfähig, wenn sie krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage sind, leichte Arbeiten in einem zeitlichen Umfang zu verrichten, für den sie sich
bei der Agentur für Arbeit zur Verfügung gestellt haben. Dabei ist es unerheblich, welcher Tätigkeit der Versicherte vor der Arbeitslosigkeit nachging.
https://www.g-ba.de/downloads/62-492-56/RL_Arbeitsunfaehigkeit-2006-09-19.pdf
Somit haben Arbeitslose zwar
keinen Berufsschutz. Die berufliche Qualifikation fließt aber insoweit in die Beurteilung der
Zumutbarkeit einer Beschäftigung ein, als sie sich in dem Entgelt widerspiegelt, das der Bemessung des Arbeitslosengeldes zu Grunde liegt (
Entgeltschutz). Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes können Arbeitslose somit nicht auf jede Tätigkeit des Arbeitsmarktes verwiesen werden. Maßstab für die Arbeitsunfähigkeit sind vielmehr nur Arbeiten, auf die sie nach dem Recht der Arbeitsförderung verwiesen werden können (
zumutbare Beschäftigung).
BSG, Urteil vom 4. 4. 2006 - B 1 KR 21/ 05 R und vorausgehende Urteile.
Die Grenzen der Verweisbarkeit werden - wie im Bereich des Arbeitslosengeldes I – durch § 121 Abs. 3 SGB III bestimmt, also über
Entgeltabstufungen. Damit ist die Verweisung auch krankenversicherungsrechtlich immer unzumutbar, wenn das aus den möglichen Beschäftigungen erzielbare Nettoeinkommen unter Berücksichtigung der mit der Beschäftigung zusammenhängenden Aufwendungen
niedriger ist als das Arbeitslosengeld (wäre).
SGB 3 - Einzelnorm Während der ersten
drei bzw.
sechs Monate der Arbeitslosigkeit liegt die
Grenze noch wesentlich höher.
Trotzdem weiß man nie, was letztlich nach einem Widerspruch oder gar nach einer Klage rauskommt; deswegen ist unbedingt und
schnellstens die vorsorgliche persönliche Arbeitslosmeldung und Antragstellung auf Arbeitslosengeld erforderlich – auch wenn das weitere Procedere hierzu zunächst nicht vordringlich erscheint.
Arbeitslosengeld - www.arbeitsagentur.de
Dabei ist besonders wichtig, dass die Frage "
Bei einer ärztlichen Begutachtung bin ich bereit, mich im Rahmen des festgestellten Leistungsvermögens für die Vermittlung zur Verfügung zu stellen" mit "
ja" beantwortet wird und die übrigen Aussagen und das Verhalten ebenfalls so ausgerichtet sind.
Arbeitslosengeld kann auch bekommen wer arbeitsunfähig ist, denn AU heißt aus dem Arbeitsverhältnis heraus ja nur, dass die letzte oder ähnliche Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist. Für das Arbeitslosengeld muss
Verfügbarkeit vorliegen, und dem steht nicht entgegen, wenn beispielsweise für die letzte Tätigkeit als Dachdecker Arbeitsunfähigkeit festgestellt ist aber eine leichte Tätigkeit im Warmen (z. B. als Pförtner) in Betracht käme
SGB 3 - Einzelnorm Mann muss also eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben können und dürfen.
Außerdem gibt es die
Nahtlosigkeitsregelung für Leute, die wegen einer mehr als
sechsmonatigen Minderung der Leistungsfähigkeit versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigungen nicht unter den Bedingungen ausüben können, wenn der Rententräger verminderte Erwerbsfähigkeit noch nicht festgestellt hat
SGB 3 - Einzelnorm
Entweder steht also
Krankengeld oder Arbeitslosengeld zu. Das muss die Krankenkasse mit der Arbeitsagentur bzw. die Arbeitsagentur mit der Krankenkasse klären, denn die sind zur
engen Zusammenarbeit verpflichtet
SGB X - Einzelnorm Bei Verzögerungen könnte der Vorschrift des § 43 SGB I Bedeutung beikommen: Besteht ein Anspruch auf Sozialleistungen – Krankengeld oder Arbeitslosengeld – und ist zwischen den beiden Leistungsträgern streitig, wer zur Leistung verpflichtet ist, kann der unter ihnen zuerst angegangene Leistungsträger vorläufig Leistungen erbringen. Er hat Leistungen zu erbringen, wenn der Berechtigte es beantragt; die vorläufigen Leistungen beginnen
spätestens nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des Antrags.
SGB 1 - Einzelnorm Deswegen empfiehlt sich, diese Vorschrift von Anfang an zu benennen und
vorsorglich sofort einen entsprechenden Antrag zu stellen. Ob es hilft? Wer weiß, aber schaden kann es nicht.
Arbeitslosengeld ist auch durch einen bestehenden Arbeitsvertrag nicht ausgeschlossen, wenn das Arbeitsverhältnis ruht, weil die vereinbarte Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausgeübt werden kann.
Mit dem Arbeitslosengeldbezug wäre dann auch die
weitere Krankenversicherung gegeben, bis dahin muss diese selbst sichergestellt werden.
Wenn die Krankenkasse ihre Entscheidung später dann korrigiert wird
aus der Krankengeldnachzahlung bisher geflossenes Arbeitslosengeld erstattet.
Im Übrigen sind sowohl die Krankenkassen wie auch die Arbeitsagenturen zur
Aufklärung, Beratung und Auskunft verpflichtet:
SGB 1 - Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015)