AW: Land verbessert die Beratung und Unterstützung erwerbsloser Menschen in Niedersac
Zusätzliche Beratung und Unterstützung gerne, wenn nötig. Aber bitte weit weg von JC-Zusammenhängen.
Genau dafür sind die nun bewilligten Extra-Mittel ja auch da.
Ich verstehe vor allem die sozialpädagogisch geschulten Mitarbeiter dort nicht, die doch wissen müssen, dass Druck und Angstmache zu keinen konstruktiven Ergebnissen führen KÖNNEN.
Ich verstehe die sehr gut (denn ich war ja einer von denen

). Hier mal meine Begründung für meine und meiner Ex-Kollegen Schlechtigkeit:
Es gibt abgesehen von der Selbstständigkeit als Berufsbetreuer und der Tätigkeit als Betriebssozialarbeiter (in der exportorientierten IGM- oder IGBCE-Industrie) wohl keinen Bereich im Sozialwesen, wo Sozialpädagogen und sonstiges Gewi-Gewäch, das dem praktischen Arbeiten entfremdet ist, so viel Geld verdienen kann wie bei der BA.
Der
BA-Tarifvertrag ist dank der vielen Sonder-Vergütungsmöglichkeiten und Funktionszulagen einer der lukrativsten im öffentlichen Dienst. Eben deswegen kommen da so gigantisch viele Bewerbungen von Sozialpädagogen rein und eben deshalb versuchen so viele Leute, die bei Kommunen angestellt sind, zur BA zu wechseln (
hier einige Hintergrundinfos dazu).
Mal zur Verdeutlichung: Ein in Vollzeit angestellter Sozialpädagoge ohne Berufserfahrung bei einem Bildungsträger kann nach dem
Tarifvertrag Weiterbildung mit 2200 € brutto im Monat rechnen. Oft hat er aber noch weniger, da oft nur für 6 Monate angestellt und mit 20-30 Stunden. Der gleiche Soz.-Päd bekommt als pAp bei der BA einen 12-24 Monats-Vertrag und erhält sofort 3000 € brutto.
Wenn er - kommt kaum je vor - als Fallmanager einsteigt, bekommt er sogar sofort 3217 € (oder mehr, wenn er Berufserfahrung mitbringt). Bei Bildungsträgern gibt es kaum Verdienststeigerungen. Bei der BA dagegen hat ein Fallmanager nach 5 Jahren bereits mindestens 3688 € brutto monatlich. Das ist im Sozialwesen schon sehr lukrativ. Eben deshalb haben die befristeten Sozialpädagogen bei der BA natürlich ein großes Interesse, nicht negativ aufzufallen, sondern die Vorgaben ihrer Vorgesetzten bestens zu befolgen. Weil sie auf Entfristung und Sicherheit hoffen!
Zum eigentlichen Thema Zwang: Davon abgesehen werden Zwangskontexte an den Hochschulen und in theoretischen Publikationen zur Sozialen Arbeit zwar oft (aber keineswegs immer!) verurteilt, sie sind - hier haben wir die bekannte Theorie/Praxis-Differenz - im Sozialwesen aber doch
gang und gäbe!
Seminare, in denen Themen wie
"Beratung in Zwangskontexten" angeboten werden, sind übrigens durchaus belegbar und nachnachgefragt in Sozialpädagogik-Studiengängen. Das ist kein Wunder, denn in ganz vielen Bereichen im Sozialwesen
gibt es Zwangskontexte. Dass viele Klienten nicht freiwillig in die Beratung kommen,
ist oft eher Regel als Ausnahme!
Wenn eine junge Mutter mit dem Jugenamt "kooperiert", tut sie das auch oft in Angst davor, dass das JA ihr die Kinder wegnehmen könnte, wenn sie sich nicht konform den JA-Vorgaben verhält. Bei den Sozialpädagogen in der Bewährungshilfe haben wir einen
noch viel deutlicheren Zwangskontext. Da werden die Jugendlichen beraten, aber eben auch
zur Zusammenarbeit verpflichtet, sonst gehen sie wieder in den Knast.
Überhaupt gibt es in ganz vielen Tätigkeitsfeldern der Sozialen Arbeit
unausgesprochene Zwänge dergestalt, es sich mit den dortigen Sozialarbeitern nicht zu verscherzen (in Altenheimen etwa, wo die alten Leute die Sozialpädagogen nicht verprellen dürfen, weil sie sonst ggfs. in Freizeitaktivitäten einfach nicht involviert werden). In totalen Institutionen (Heimunterbringung, Knast, Militär etc.) ist das nochmal wesentlich verschärft. Dass Beratungsangebote nur dann wirken können, wenn Freiwilligkeit herrscht, ist ein Mythos (interessante Infos dazu u.a.
hier).
Meine Meinung/Überzeugung sieht so aus: Wenn der Berater im JC denn Zwangskontext (1)
nicht verschweigt, sondern
offen thematisiert, er (2) seine Sanktionsmöglichkeiten offenlegt, er (3) Klientenbedenken ernst nimmt (aber dem Klient deshalb nicht unbedingt zustimmt), er (4) klar macht, dass es
keine gleiche Augenhöhe geben kann und er dem Klienten (5) daher nicht vorspielt, dass alles ganz freiwillig wäre, kann auch unter Zwang - notgedrungen - ggfs. für den Klienten Positives bei rummkommen. Wäre dem nicht so, erübrigte sich jede Soziale Arbeit im Knast, in der Jugendgerichtshilfe, im Jugendamt (und im JC sowieso).
Ich selbst halte Beratungen
ohne Zwang auch für besser, aber zu sagen, dass Zwang bzw. Angst
per se nie zu konstruktiven Ergebnissen führen können, halte ich für falsch. Die Realität zeigt, dass auch unter Zwang etwas erreicht werden kann. Es gibt - fern des Jobcenters - ja auch Zwangskonstellationen, wo Beratung erst einmal überhaupt
nur unter Zwang etwas erreichen kann, nämlich bei psychisch kranken Personen, die zwangseingewiesen werden. Die hätten freiwillig nie Hilfe gesucht. Da erfolgen Therapie und Beratung dann unter Zwang.
Vielleicht haben sie den Zynismus der Situation durchschaut, und können damit leben. Zynismus ist aber nicht jedermanns Sache. Zum Glück.
Ich nenne es nicht Zynismus (den es zweifellos aber auch oft gibt), sondern würde es als
skeptisch-reflektierten Realismus bezeichnen. Der verbreitet sich, so meine eigene Erfahrung durch Arbeit(slosigkeit) und Supervisionsrunden mit dutzenden von Sozialpädagogen, unter (Sozial)Pädagogen oft sehr schnell, wenn sie die theoretischen Hallen der Hochschule verlassen und in die raue Arbeits(losen)wirklichkeit eintauchen.
Zwangskontexte, sei es direkt verlautbarte und offensichtliche, oder eben implizit durch finanzielle Zwänge, Traditionen, Normen und organisationskulturelle Erwartungen, gibt es überall, wo Menschen in Organisationen zusammentreffen. Reine Freiwilligkeit dergestalt, dass der Klient sich völlig sanktionslos gegen eine Zusammenarbeit mit einer Institution entscheiden kann, wirst du nicht finden, wenn der Klient gleichzeitig auch eine Forderung an die Institution (im Falle des Jobcenters: Geld bekommen) stellt. Das mag aus der Sicht der reinen Lehre nicht vorteilhaft sein. Aber wie so oft gilt: Die reine
Lehre verkommt in der Praxis schnell zur
Leere...