L 8 B 67/05 AS Definition eines angemessenen KFZ

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L 8 B 67/05 AS LSG Niedersachsen- Bremen vom 11.08.2005


Bei der Definition der Angeméssenheit eines Kfz's darf die Behörde keine feste Obergrenze mit maximal 5.000,00 € einführen. Der Gesetzgeber hat vielmehr davon abgesehen für die Bestimmung der Angemessenheit selbst eine feste Obergrenze zu benennen, sondern vorgesehen dass ihre Ermittlung nach den Lebensumständen der Alg II - Bezieher durchzuführen ist.



LANDESSOZIALGERICHT NIEDERSACHSEN-BREMEN

L 8 B 67/05 AS

S 46 AS 171/05 (PKH ) (Sozialgericht Hannover)

BESCHLUSS

in dem Beschwerdeverfahren

XXXX XXXXXXXX, XXXXXX XXX, 30453 Hannover,

Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer,

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwalts Deckmann pp,
Limmerstraße 4c, 30451 Hannover,

gegen

Arbeitsgemeinschaft “Job-Center In der Region Hannover“, vertreten durch die Geschäftsführerin,
Hildesheimer Straße 20, 30169 Hannover,

Beklagte,

hat der 8. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen
am 11. August 2005 in Celle
durch die Richter Schneider - Vorsitzender -‚ Wimmer und die Richterin de Groot beschlossen:

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Prozesskostenhilfebeschluss des Sozialgerichts Hannover vom 6. Juli 2005 aufgehoben.

Dem Kläger wird Prozessskostenhilfe ohne Ratenzahlung für die erste Instanz bewilligt und Rechtsanwalt Stager, Limmerstraße 4c, 30481 Hannover,

beigeordnet.

GRÜNDE
Die gegen den Prozesskostenhilfe-Beschluss (PKH -Beschluss), mit dem das Sozialgericht (SG) Hannover die Bewilligung von PKH mangels hinreichender Erfolgsaussichten abgelehnt hat, eingelegte Beschwerde des Klage ist zulässig, insbesondere innerhalb der Monatsfrist des § 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt worden. Denn die Beschwerde gegen den Beschluss von 6. Juli 2005 ging am 13. Juli 2005 beim SG ein.

Die Beschwerde ist begründet.

Gemäß § 73a Abs. 1 SGG IVm § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) ist einem Beteiligten PKH zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet nicht mutwillig erscheint und der Kläger nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann.

Die hinreichenden Erfolgsaussichten für die am 19. April 2005 beim SG Hannover erhobene Klage auf Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) sind zu bejahen. Gegenstand des Rechtsstreits ist die Ablehnung von Leistungen nach dem SGB II, welche die Beklagte im Wesentlichen darauf gestützt hat, dass der Kläger über einsetzbares Vermögen verfüge, welches seine Bedürftigkeit ausschließe. Neben „Sparbuchvermögen“, welches den maßgeblichen Freibetrag für den Kläger von 7750,00 € nicht erreicht, hat die Beklagte den Wert eines dem Kläger gehörenden Kfz berücksichtigt (Nissan Almera Baujahr 2002 mit einem geschätzten Wert von 8.500,00 € bzw. vom Kläger im Widerspruchsverfahren korrigiert auf 6.800,00 €). Die Beklagte berücksichtigt als angemessenen Wert eines Kfz einen Betrag von 5.000,00 €. Unter Berücksichtigung des diesen Wert übersteigenden Betrages hat die Beklagte mangelnde Bedürftigkeit festgestellt (Antrag des Klägers vom 3. Februar 2005, negativer Bescheid vom 5. Februar 2005, Widerspruchsbescheid vom 7. April 2005). Ab dem 1. Mai 2005 sind dem Kläger Geldleistungen nach dem SGB II mit Bescheid vom 20. Mai 2005 -offenbar nach Vermögensverbrauch - bewilligt worden (monatlicher Zahlbetrag 794,85 €. Der Kläger hat vorgetragen, dass er das Auto während der Ausbildung (Referendariat zum Gymnasiallehrer) benötigt habe und es auch für zukünftige Jobs benötigen würde. Das Auto sei von seinen Eltern finanziert worden, es habe laut Schwackeliste einen aktuellen Wert von 6.800,00 €.

Bei diesem Sachstand ist die Bewilligung von PKH für das Klageverfahren geboten.

Streitgegenstand des Rechtsstreits ist allein die Frage, ob und inwieweit das Vermögen in Form des dem Kläger gehörenden Autos der Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II bis zum 30. April 2005 entgegenstand. Denn für die Zeit ab Mai 2005 erhielt der Kläger des Arbeitslosengeld II (Alg II).

Einschlägige Vorschrift hinsichtlich der Berücksichtigung von Vermögen ist § 12 SGB II. Nach § 12 Abs. 1 SGB II sind als Vermögen alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. Nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II ist als Vermögen nicht zu berücksichtigen
ein angemessenes Kfz für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden erwerbsfähigen Hilfebedürftigen. Nach § 12 Abs. 3 Satz 2 SGB II
sind für die Angemessenheit die Lebensumstände während des Bezugs der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende maßgebend.

Die Beklagte hält entsprechend ihren Dienstanweisungen ein Kfz mit einem Wert von mehr als 5.000,00 € in jedem Fall für unangemessen. Diese Betrachtungsweise wird der gesetzlichen Regelung nicht gerecht.

Maßstab für die Angemessenheit des Kfz sind die Lebensverhältnisse des Betroffenen während des Bezugs staatlicher Fürsorgeleistungen, § 12 Abs. 3 Satz 2 SGB II. Bereits von daher erscheint die Festlegung einer starren Obergrenze - wie dies die Beklagte tut - als verfehlt. Denn nach der gesetzgeberischen Vorstellung sollen offensichtlich die jeweiligen Lebensverhältnisse im Einzelfall bei der Ausfüllung des Begriffs Angemessenheit berücksichtigt werden. Weiterhin muss bedacht werden, dass der Schutz des Kfz durch § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr.2 SGB II im Hinblick auf eine anzustrebende künftige Erwerbstätigkeit erfolgt. Daher ist den Antragstellern nach dem SGB II im Regelfall ein Auto aus dem Klein- bis Mittelklassewagensegment zu belassen.

Im vorliegenden Fall ist besonders zu berücksichtigen, dass der Kläger das Auto zu einer Zeit erworben hat, während seines Referendariats, als er noch nicht im Leistungsbezug der Beklagten stand bzw. noch keine Leistungen beansprucht hat. Es erscheint daher nicht angemessen, ein Mittelklasseauto sogleich der Vermögensverwertung zuzuführen Eine strengere Beurteilung ist möglicherweise beim Erwerb von höherwertigen Fahrzeugen während einer vorangegangenen Arbeitslosigkeit mit Bezug von Alg nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) geboten (vgl. zum Vorstehenden, Hänlein Kommentar zum SGB III mit SGB II, § 12 SGB II Rdnm. 42; Brühl in Praxiskommentar-SGB II, 2005, § 12 Rdnr. 35f Mecke in Eicher/Spellbrink Kommentar zum SGB II, 2005, § 12 Rdnm. 83f; Zeitler in Mergler/Zink Kommentar zum SGB II, Loseblattsammlung, § 12 Rdnm. 38f).

Zwar ist nicht zu verkennen, dass die Bestimmung einer festen Obergrenze aus der Verwaltungspraktikabilität Vorzüge bietet und weiterhin den betroffenen Antragstellern feste Obergrenzen an die Hand gegeben werden. Doch der Gesetzgeber hat davon abgesehen für die Bestimmung der Angemessenheit selbst eine feste Obergrenze zu benennen, sondern vorgesehen dass ihre Ermittlung nach den Lebensumständen der Alg II - Bezieher durchzuführen ist. Die Behörde darf keine feste Obergrenze mit maximal 5.000,00 € einführen.

Vielmehr ist Im Hinblick auf die zu berücksichtigenden Lebensverhältnisse der Betroffenen während des Bezugs staatlicher Fürsorgeleistungen - Satz 2 SGB II - davon auszugehen ist, dass grundsätzlich Klein- und Mittelklassewagen als angemessen gelten und im Rahmen der Vermögensanrechnung außer Betracht zu bleiben haben. Eine derartige Annahme wird insbesondere gelten, wenn der Anspruchsteller zuvor noch keine staatlichen Fürsorgen in Anspruch genommen hat, sondern erstmals in die Anspruchsberechtigung nach dem SGB II hineinwächst, wie vorliegend der Kläger. Wer unter diesen Umständen als Eigentümer eines Mittelklassewagens Leistungen nach dem SGB II begehrt, muss nicht damit rechnen, dieses „angemessene Kfz“ als Vermögensgegenstand zur Bestreitung seines Lebensunterhalts einsetzen zu müssen. Denn er soll diesen PKW zur Aufrechterhaltung seiner Mobilität und alsbaldiger Vermittlung in eine Arbeitsstelle weiterhin benutzen können.

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich weiterhin, dass die Beantwortung der Rechtsfrage, ob und inwieweit ein angemessenes Kfz iS des § 12 Satz 1 Nr. 2 SGB II vorliegt, nicht einfach zu beantworten ist und nach gegenwärtigem Stand weder in der einen noch der anderen Hinsicht eindeutig beantwortet werden kann. Bereits dies gebietet die Bewilligung von PKH , weil die Beantwortung einer nicht einfach gelagerten Rechtsfrage nicht in das PKH -Verfahren verlagert werden darf.

Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers erlauben die Bewilligung ohne Ratenzahlung, weil der Kläger als Bezieher von Leistungen SGB II prozesskostenarm ist.

Die Beiordnung des Rechtsanwalts beruht auf § 121 Ab 2 ZPO.

Der Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.

Quelle


https://www.my-sozialberatung.de/cg...d=list&range=0,100&Freigabe==1&cmd=all&Id=157





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