Der Landesbeauftragte für den Datenschutz
bei dem Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtages
Datenschutzrechtliche Ausgestaltung der Mitwirkungspflicht nach den §§ 60 ff Sozialgesetzbuch Teil I (
SGB I) bei der Vorlage von Kontoauszügen
Hinweise des Landesbeauftragten für den Datenschutz bei dem Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtages vom 11. November 1998 - LD4a-72.06/00.302
Nach § 60 Abs. 1 Nr. 1
SGB I hat, wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind bzw. nach Abs. 1 Nr. 3 Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen.
Gem. § 66
SGB I kann der Sozialleistungsträger die Leistung ganz oder teilweise versagen, wenn Antragsteller oder Leistungsempfänger dieser Mitwirkungspflicht nicht nachkommen und hierdurch die Aufklärung des Sachverhaltes erheblich erschwert wird, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind.
Die Anforderung von Kontoauszügen ist datenschutzrechtlich in folgendem Umfang zulässig:
1. Zulässigkeit der Anforderung
Grundsätzlich können in folgenden Fallgruppen von Hilfesuchenden die Kontoauszüge der letzten 3 bis 6 Monate gefordert werden:
• erstmalige Beantragung von laufenden Leistungen nach dem
BSHG ,
• Beantragung von einmaligen Beihilfen gem. § 21 Abs. 2
BSHG ,
• während des laufenden Hilfebezuges, nach Ablauf eines Hilfezeitraumes von mindestens 12 Monaten,
• zwecks Klärung einer konkreten Frage zu der Einkommens- und Vermögenssituation der Hilfesuchenden, wenn diese nicht durch die Vorlage anderer Unterlagen herbeigeführt werden kann bzw. konkrete Zweifel an der Vollständigkeit oder Richtigkeit der Angaben der Hilfesuchenden bestehen. Dies mag z. B. dann sein, wenn konkrete Anhaltspunkte den Verdacht auf Vorliegen eines Sozialhilfemißbrauches begründen. Denkbar ist dies auch im Rahmen des automatisierten Datenabgleiches nach § 117
BSHG . Im Hinblick auf § 67a Abs. 3 Satz 1
SGB X muß der Sozialleistungsträger zudem angeben, warum der Nachweis nicht mit anderen Unterlagen erbracht werden kann bzw. akzeptiert wird.
2. Vollständigkeit der Kontoauszüge/Schwärzung einzelner Buchungen
Den Hilfesuchenden kann nicht von vornherein und ausnahmslos das Schwärzen von einzelnen Buchungen verwehrt werden. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebietet es, von den Hilfesuchenden nur soweit eine Mitwirkung zu verlangen, wie diese erforderlich und angemessen ist.
Insbesondere bei Soll-Buchungen über kleinere Beträge (regelmäßig bis 100 DM) können Hilfesuchende die zu den Einzelbuchungen aufgeführten Texte schwärzen. Über die Angabe der Beträge bzw. durch den Vergleich der Kontostände läßt sich die Einkommens- bzw. Vermögenssituation weiterhin lückenlos feststellen. Inwieweit das Schwärzen von Texten bei einzelnen Soll-Buchungen über größere Beträge (über 100 DM) zur Wahrung schutzwürdiger Belange von Antragstellern zulässig ist, hängt von der Gestaltung des Einzelfalles ab.
Das Schwärzen von Haben-Buchungen, also Einnahmen, kann zu einer Verletzung der Mitwirkungspflicht nach § 60 Abs. 1
SGB I führen, da nach den §§ 76 - 78
BSHG grundsätzlich das gesamte Einkommen bei der Hilfegewährung zu berücksichtigen ist.
Die Forderung nach Vorlage lückenlos ungeschwärzter Kontoauszüge ist grundsätzlich nur im Rahmen der Fallgruppe 1.4 erforderlich und datenschutzrechtlich zulässig.
Die Betroffenen müssen auf die Möglichkeit des Schwärzens bereits bei Anforderung der Kontoauszüge hingewiesen werden.
3. Speicherung (§ 67c Abs. 1
SGB X)
Kontoauszüge können eingesehen, d. h. erhoben werden.
Die Verpflichtung zur Vorlage von Kontoauszügen nach § 60
SGB I stellt keine automatische Ermächtigung zur Speicherung dieser Daten dar. Nach § 67c Abs. 1
SGB X dürfen in Akten und auf sonstigen Datenträgern Sozialdaten nur gespeichert werden, soweit dies für die Erfüllung der jeweiligen Aufgabe erforderlich ist.
Kontoauszüge von 3 bis 6 Monaten werden in der Regel eine Vielzahl von Kontobewegungen beinhalten, welche für die Feststellung des Sozialhilfebedarfes nicht relevant sind. Eine Speicherung dieser Daten ist unzulässig.
Eine Speicherung darf nur erfolgen, wenn diese Daten zur Aufgabenerfüllung im Einzelfall erforderlich sind.
Im Regelfall ist daher in der Sozialhilfeakte nur zu vermerken, aus welchem Zeitraum Kontoauszüge eingesehen wurden und daß keine sozialhilferechtlich relevanten Fakten ermittelt wurden. Wurden sozialhilferechtlich relevante Daten ermittelt, so können diese in der Akte vermerkt werden. Im Einzelfall kann auch die Fertigung von Kopien der Kontoauszüge zulässig sein. Voraussetzung ist aber, daß zuvor die nicht erforderlichen Angaben geschwärzt wurden.
4. Ergänzende Hinweise
Gem. § 67 a Abs. 3
SGB X ist den Betroffenen gegenüber der Erhebungsgrund anzugeben. Er ist auf die die Erhebung berechtigende Rechtsvorschrift hinzuweisen.
Diese Rechtsauffassung ist mit dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Schleswig-Holstein abgestimmt.
Amtsbl. Schl.-H. 1998, S. 966 , Gl.Nr. 2041.5