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bb) Die in §
31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II genannten Sanktionstatbestände setzen sämtlich voraus, dass der Hilfebedürftige über die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung belehrt worden ist (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 -
B 4 AS 30/09 R - RdNr 22). Der 4. Senat des BSG hat bereits entschieden, dass Rechtsfolgenbelehrungen nach §
31 Abs 1 Satz 1 SGB II konkret, verständlich, richtig und vollständig sein müssen (
BSGE 102, 201, 211 =
SozR 4-4200 § 16 Nr 4, jeweils RdNr 36-37; Urteil vom 17. Dezember 2009 -
B 4 AS 30/09 R - RdNr 22). Das entspricht der ganz überwiegend vertretenen Auffassung in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung (vgl Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23. Juli 2009 -
L 5 AS 131/08; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 18. Juni 2009 -
L 5 AS 79/08; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13. Juli 2009 -
L 19 B 68/09 AS) und in der Literatur (vgl Rixen in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 31 RdNr 44; Berlit in Münder, SGB II, 3. Aufl 2009, § 31 RdNr 68; A. Loose in Hohm, SGB II, Stand Januar 2010, § 31 RdNr 65; Schmidt-De Caluwe in Estelmann, SGB II, Stand Dezember 2009, § 31 RdNr 78; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, Stand November 2009, § 31 RdNr 70; Sonnhoff in jurisPK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 31 RdNr 139; Lauterbach, NJ 2008, 241, 244; Spellbrink in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, aaO, § 31 RdNr 32). Auch der erkennende Senat schließt sich dem an. Zu fordern ist insbesondere eine konkrete Umsetzung auf den Einzelfall, so
dass die Aushändigung eines Merkblatts mit abstrakt generellem Inhalt nicht ausreicht (
BSGE 102, 201, 211 = SozR, aaO, jeweils RdNr 36-37). Diese strengen Anforderungen sind insbesondere im Hinblick auf die gravierenden Folgen des §
31 Abs 1 SGB II im Bereich der existenzsichernden Leistungen zu stellen (vgl BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 -
B 4 AS 30/09 R - RdNr 22).
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Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung orientieren sich an den vom BSG zum Arbeitsförderungsrecht entwickelten Grundsätzen (vgl
BSGE 102, 201, 211 =
SozR 4-4200 § 16 Nr 4, jeweils RdNr 36-37; Spellbrink, aaO, RdNr 32 ff). Schon die Gesetzesbegründung knüpft hieran an, indem sie darauf hinweist, dass die Rechtsfolgenbelehrung nach §
31 Abs 1 SGB II die Funktion haben soll, dem Hilfebedürftigen in verständlicher Form zu erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch die in §
31 Abs 1 SGB II genannten Pflichtverletzungen haben werden. Die Belehrung soll zeitlich vor der Pflichtverletzung liegen (
BT-Drucks 15/1516 S 61 (zu Abs 2)). Im Hinblick auf die Sperrzeittatbestände hat das BSG entschieden, dass die Rechtsfolgenbelehrung als Voraussetzung für ihre Wirksamkeit konkret, richtig, vollständig und verständlich sein und dem
Arbeitslosen zeitnah im Zusammenhang mit einem Arbeitsangebot zutreffend erläutern muss, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch eine unbegründete Arbeitsablehnung haben kann. Dabei hat das BSG den zwingenden formalen Charakter der Rechtsfolgenbelehrung betont und dies aus dem übergeordneten sozialen Schutzzweck abgeleitet, den Arbeitslosen vor den Folgen einer Pflichtverletzung (insbesondere einer sperrzeitbegründenden Arbeitsablehnung) zu warnen (vgl
BSGE 53, 13, 15 =
SozR 4100 § 119 Nr 18 S 87 mwN). Der Warnfunktion der Rechtsfolgenbelehrung kommt im Bereich des SGB II noch eine größere Bedeutung zu als im Bereich der Arbeitsförderung. Der soziale Schutzzweck, aus dem das BSG die Anforderungen an die Rechtsfolgenbelehrung herleitet, spielt bei existenzsichernden Sozialleistungen, wie denen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, typischerweise eine noch größere Rolle als bei den klassischen Leistungen des Arbeitsförderungsrechts.
Bundessozialgericht, B 14 AS 53/08 R, 18.02.2010