@ captainahab, so, Griffel gespitzt und los geht’s.
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Wichtiger Hinweis:
Dies stellt keine Rechtsberatung bzw. Rechtsdienstleistung dar. Ich gebe lediglich meine Kenntnisse und Einschätzungen weiter. Deshalb ohne Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit.
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An das
JC xxx
09.09.2017
BG -Nr.: xxx
Eingliederungsverwaltungsakt vom 05.09.2017 Sehr geehrte Damen und Herren,
gegen den Ersatz der Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt (Eingliederungsverwaltungsakt) vom 05.09.2017 – legt der Widerspruchsführer hiermit form- und fristgerecht
ein. Gleichzeitig beantragt dieser:
- die Aussetzung der Vollziehung gemäß § 86 a Abs. 3 SGG und Anordnung der aufschiebenden Wirkung.
- die Zahlung der außergerichtlichen Aufwendungen in dieser Angelegenheit.
Begründung: I. Die Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Eingliederungsverwaltungsakts ergibt sich schon aus der Tatsache, dass der Widerspruchsgegner – entgegen der gesetzlichen Vorgabe – einen Eingliederungsverwaltungsakt ohne vorausgehende Verhandlung erlassen hat.
Der angegriffene Eingliederungsverwaltungsakt ist vorliegend schon deswegen rechtswidrig, weil er so, wie er letztendlich erlassen worden ist, nicht Gegenstand von Verhandlungen gewesen ist.
Gemäß § 15 Abs. 2 S. 1
SGB II soll die Agentur für Arbeit im Einvernehmen mit dem kommunalen Träger mit jeder erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person unter Berücksichtigung der Feststellungen nach Absatz 1 die für ihre Eingliederung erforderlichen Leistungen vereinbaren. Kommt jedoch eine solche Eingliederungsvereinbarung nach Absatz 2 nicht zu Stande, bestimmt § 15 Abs. 3 S. 3
SGB II, dass die Regelungen durch Verwaltungsakt getroffen werden sollen. In der Literatur wird daher die Auffassung vertreten, dass die Vorschrift schon nach ihrem Wortlaut voraussetzt, dass ein Eingliederungsverwaltungsakt grundsätzlich erst dann erlassen werden darf, wenn zuvor Verhandlungen zumindest angeboten oder ohne Ergebnis geführt worden sind. Ein die Eingliederungsvereinbarung ersetzender Verwaltungsakt ohne jede vorausgehende Verhandlung ist bereits aus diesem Grund rechtswidrig (vgl. Sonnenhoff, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB II, 4. Auflage 2015, § 15 Rn. 142; Berlitt, in LPK-
SGB II, 4. Auflage 2011, § 15 Rn. 43; vgl. auch Müller, in Hauck/Noftz,
SGB II, § 15 Rn. 10 ff., insbesondere Rn. 13 ff.). Das hat auch zwischenzeitlich der 14. Senat des
BSG in seinem Urteil vom 14.02.2013 (B 14 AS 195/11 R, BSGE 113 70 = SozR 4-4200 § 15 Nr. 2) entschieden. Gesetzeswortlaut und Entstehungsgeschichte der Norm sprechen für einen Vorrang einer konsensualen Lösung gegenüber einem hoheitlichen Handeln per Verwaltungsakt.
Sinn und Zweck des § 15 Abs. 2
SGB II sprechen eher dafür, dass ein die Eingliederungsvereinbarung ersetzender Verwaltungsakt nur in Betracht kommt, wenn der Grundsicherungsträger zuvor den Versuch unternommen hat, mit dem Arbeitssuchenden eine Vereinbarung zu schließen oder im Einzelfall besondere Gründe vorliegen, die den Abschluss einer Vereinbarung als nicht sachgerecht erscheinen lassen, was im Verwaltungsakt im Einzelnen darzulegen ist. (
a.a.O. , juris Rn. 18 f.). Der 6. Senat des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz hat sich bereits in einem Berufungsverfahren aufgrund der Besonderheiten des damaligen Falles der Auffassung des 14. Senats des
BSG angeschlossen (Urteil vom 16.12.2015 – L 6 AS 503/13). Auch hier spricht alles dafür, dass der Erlass eines eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsaktes erst nach vorausgehenden Verhandlungen hätte ergehen dürfen (vgl. hierzu
LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss L 6 AS 181/16 B
ER vom 09.05.2016).
Rechtsmäßigkeitsvoraussetzung eines solchen Eingliederungsverwaltungsaktes ist, dass eine
ausreichende Verhandlungsphase in Bezug auf den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung stattgefunden hat (
LSG NRW, Beschluss L 12 AS 1884/15 B
ER vom 21.12.2015, juris, Rn. 9; Beschluss vom 27.10.2014, L 2 AS 1701/14 B
ER , L 2 AS 1752/14 B, juris, Rn. 6; Kador in: Eicher [Hrsg.],
SGB II, 3. Aufl. 2013, § 15 Rn. 63). Daran fehlt es vorliegend. Gegenstand der Gespräche müssen zumindest im Wesentlichen diejenige Regelung einer Eingliederungsvereinbarung sein, die vorliegend durch Verwaltungsakt getroffen wurden. Ansonsten würde das Ziel der Verhandlungsphase, dem Widerspruchsführer Einfluss auf die ihn betreffenden Eingliederungsmaßnahmen, zumindest aber rechtliches Gehör zu gewähren, vereitelt. Diesen Anforderungen genügt der streitgegenständliche Bescheid vom 05.09.2017 nicht im Geringsten.
Der Widerspruchsführer wurde vom Widerspruchsgegner zu einem Meldetermin am 22.08.2017 geladen. Kurzfristig wurde der betreffende Termin vom Widerspruchsgegner abgesagt und für den 05.09.2017 neu terminiert. Dieser Meldetermin am 05.09.2017 wurde vom Widerspruchsführer wahrgenommen.
Im betreffenden Meldetermin am 05.09.2017 wurde dem Widerspruchsführer vom Widerspruchsgegner kommentarlos eine Eingliederungsvereinbarung vorgelegt. Auf die Frage der Arbeitsvermittlung, ob er diese hier und heute unterschreiben wolle, weil sie ansonsten als hoheitlicher Verwaltungsakt erlassen würde, erbat sich der Widerspruchsführer eine Bedenkzeit zur Prüfung der ihm vorgelegten Eingliederungsvereinbarung.
In vorgenanntem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es üblich ist, dass man vor Abgabe der Unterschrift das Vertragswerk einer Überprüfung unterziehen kann (ggfs. auch durch einen Rechtsanwalt o. a.), und das der Sachbearbeiter einem hierzu eine angemessene Zeit einräumen muss.
Als angemessen ist mindestens ein Zeitraum von 1 Woche zwischen Erhalt und Abgabe anzusehen (also 7 Wochentage + 2). Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen spricht sogar von 10 bis 14 Tagen (L 7 AS 1398/08 ER -B vom 07.02.2008). Gelegenheit zur Äußerung bedeutet, dass eine angemessene Frist für eine Äußerung zur Verfügung stehen muss. Nach Lage des Einzelfalles kann eine Frist bis zu 4 Wochen als angemessen gelten, sie sollte jedoch nicht kürzer sein als 14 Tage zuzüglich der Postlaufzeiten von 3 Tagen. Nachdem der Widerspruchsführer sich Bedenkzeit zur Prüfung der ihm vorgelegten Eingliederungsvereinbarung erbeten hatte, wurde er vom Widerspruchsgegner aus dem Bürozimmer geschickt. Nachdem er rund 10 Minuten auf dem Flur warten musste, wurde er vom Widerspruchsgegner wieder ins Zimmer gebeten und ihm die Eingliederungsvereinbarung als Verwaltungsakt übergeben.
Dem Widerspruchsgegner sind offensichtlich die aktuellen Rechtsprechungen nicht bekannt, nach denen ein die Eingliederungsvereinbarung ersetzender Eingliederungsverwaltungsakt nur in Betracht kommt, wenn der Grundsicherungsträger zuvor den Versuch unternommen hat, mit dem Arbeitssuchenden eine Vereinbarung zu schließen oder im Einzelfall besondere Gründe vorliegen, die den Abschluss einer Vereinbarung als nicht sachgerecht erscheinen lassen, was im ersetzenden Eingliederungsverwaltungsakt im Einzelnen darzulegen wäre (vgl. u. a.
BSG , Urteil B 14 AS 195/11 R vom 14.02.2013,
SG Stuttgart, Beschluss S 18 AS 2698/14
ER vom 21.05.2014,
SG Berlin, Beschluss S 206 AS 7996/15
ER vom 20.05.2015 sowie
SG Köln, Beschluss S 37 AS 3523/15
ER vom 07.12.2015).
Bereits aus dem Wortlaut des § 15 Abs. 2
SGB II geht hervor, dass der Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung vorrangig gegenüber ihrer Ersetzung durch einen entsprechenden Bescheid nach § 15 Abs. 3 S. 3
SGB II ist, mit der Folge, dass der Verwaltungsakt grundsätzlich erst dann erlassen werden darf, wenn keine Einigung über Abschluss oder Inhalt der Eingliederungsvereinbarung zustande gekommen ist. Dazu das
BSG B 14 AS 195/11 R vom 14.02.2013:
„Der Gesetzentwurf zum SGB II betont mehrfach den besonderen Stellenwert, den man der aktiven Mitarbeit des Leistungsberechtigten bei der gemeinsamen Ausarbeitung einer Eingliederungsvereinbarung beimisst (BT-Drucks 15/1516, S 44, 46). Der Gesetzgeber versprach sich hiervon offensichtlich eine Steigerung der Motivation des Betroffenen, an der Eingliederung in den Arbeitsmarkt aktiv mitzuwirken." Erforderlich ist damit eine angemessene Verhandlungsphase, während der sich auch der zuständige Leistungsträger
ernsthaft und
konsensorientiert um das Zustandekommen einer Eingliederungsvereinbarung gemüht haben muss (Berlit, in: Münder, LPK-
SGB II, 2. Aufl. 2007, § 15 Rn. 40). Davon kann hier jedoch keine Rede sein, denn im vorliegenden Fall wurde der betreffende Eingliederungsverwaltungsakt direkt erlassen, und damit die Regelungsinhalte einseitig und hoheitlich vorgegeben, nachdem der Widerspruchsführer sich Bedenkzeit zur Prüfung der ihm vorgelegten Eingliederungsvereinbarung erbeten hatte. Das entspricht nicht mal ansatzweise der gesetzlichen Konzeption und den Vorstellungen des Gesetzgebers.
Die neuere Rechtsprechung des
BSG und verschiedene
LSG ’s berücksichtigen nunmehr den Willen des Gesetzgebers und geben der konsensualen Lösung den Vorzug. Damit kann der Leistungsträger die vom Gesetzgeber gewünschte Verhandlungsführung nicht dadurch umgehen, dass sofort ein Eingliederungsverwaltungsakt erlassen wird, um die Regelungsinhalte einseitig und hoheitlich vorzugeben.
Demzufolge ist ein ersetzender Eingliederungsverwaltungsakt nur möglich, wenn der Leistungsberechtigte den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung ohne Begründung ablehnt. Sollte trotzdem ein Eingliederungsverwaltungsakt nach § 15 Abs. 3 S. 3
SGB II erlassen werden, dann muss in diesem genau begründet werden, warum dieser – trotz Einwände des Leistungsempfängers – erlassen wurde. Mangels hinreichender Verhandlungsphase waren die elementaren Voraussetzungen für den Erlass eines ersetzenden Eingliederungsverwaltungsakts zu keinem Zeitpunkt gegeben.
Hier kann überhaupt nicht davon gesprochen werden, dass vor Erlass dieses ersetzenden Eingliederungsverwaltungsaktes eine hinreichende Verhandlungsphase stattgefunden hat und aufgrund dessen keine Einigung über den Abschluss oder Inhalt einer Eingliederungsvereinbarung zustande gekommen ist. Im Gegenteil, der mit heutigem
Widerspruch angegriffene Eingliederungsbescheid vom 05.09.2017 wurde erlassen, nachdem sich der Widerspruchsführer Bedenkzeit zur Prüfung der ihm vorgelegten Eingliederungsvereinbarung erbeten hatte. So kann deshalb überhaupt nicht davon gesprochen werden, dass vor Erlass dieses ersetzenden Eingliederungsverwaltungsakts eine ausreichende Verhandlungsphase stattgefunden hat und aufgrund dessen keine Einigung über den Abschluss oder Inhalt einer Eingliederungsvereinbarung zustande gekommen ist. Ein die Eingliederungsvereinbarung ersetzender Eingliederungsverwaltungsakt ohne jede vorausgehende Verhandlung – wie in diesem Fall gegeben – ist bereits aus diesem Grunde rechtswidrig (Berlit in: LPK-
SGB II, 4. Auflage 2011, § 15 Rn. 43).
Der Leistungsträger hat vor dem Erlass eines Eingliederungsverwaltungsakts (§ 15 Abs. 3 S. 3
SGB II) stets den Versuch zu unternehmen, mit dem
ALG II -Empfänger konsensual eine Eingliederungsvereinbarung (§ 15 Abs. 2 S. 1
SGB II) abzuschließen. Eine Ausnahme ist hier nur dann vertretbar dar, wenn im Einzelfall besondere Gründe vorliegen, die den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung als nicht sachgerecht auffassen lassen, was im gemäß § 15 Abs. 3 S. 3
SGB II erlassenen Verwaltungsakt eingehend dargelegt zu werden hat. Die Beweislast für den vom
SGB II-Träger unternommenen Versuch, zunächst auf ein Zustandekommen einer Eingliederungsvereinbarung hinzuwirken, trägt das Jobcenter (vgl. hierzu
SG Köln, Beschluss S 37 AS 3523/15
ER vom 07.12.2015).
Keine dieser wichtigen Voraussetzungen wurden berücksichtigt bzw. eingehalten, so dass die Handlungsweise hier nur als eigenmächtig einzustufen ist und somit die Rechtmäßigkeit dieses ersetzenden Eingliederungsverwaltungsaktes zu Recht in Frage gestellt wird.
II. Ein Eingliederungsverwaltungsakt ist bereits aus formalen Gründen rechtswidrig, wenn der
SGB II-Leistungsträger den Leistungsberechtigten vor Erlass eines solchen Bescheides nicht ordnungsgemäß anhört bzw. angehört hat.
Da die Regelungen des streitgegenständlichen Eingliederungsverwaltungsaktes vom 05.09.2017 ohne jegliche Begründung und hinreichende Verhandlungsphase hoheitlich festgesetzt wurden, hätte es vor Erlass des Eingliederungsbescheides einer Anhörung nach § 24
SGB X bedurft. Dies vor allem im Hinblick auf die einseitig festgelegten Verpflichtungen des Widerspruchsführers.
Dem Beteiligten ist Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Hierbei darf eine Äußerungsfrist von in der Regel 2 Wochen nicht unterschritten werden (vgl.
SG München, Beschluss vom 19.05.2014, Az.: S 54 AS 1155/14
ER ).
III. Mit dem streitgegenständlichen Eingliederungsverwaltungsakt vom 05.09.2017 wurde der Widerspruchsführer vom Widerspruchsgegner sanktionsbewehrt verpflichtet, ab dem 06.09.2017, also bereits einen Tag nach Erlass des entsprechenden Eingliederungsbescheids vom 05.09.2017 (!), an der Maßnahme Job Speed Dating teilzunehmen.
Anhand des gesamten Ablaufs und der Zeitfolge ist eindeutig erkennbar, dass die unzulässige und unter I. bereits monierte Vorgehensweise des Widerspruchsgegners genauso beabsichtigt war.
Der ursprünglich angesetzte Meldetermin wurde vom Widerspruchsgegner kurzfristig abgesagt und für den 05.09.2017 neu terminiert. An diesem Termin wurde dem Widerspruchsführer die bereits ausgedruckte Eingliederungsvereinbarung zur Unterzeichnung vorgelegt, und dann umgehend der streitgegenständliche Eingliederungsverwaltungsakt erlassen, nachdem dieser sich Bedenkzeit zur Prüfung der ihm vorgelegten Eingliederungsvereinbarung erbeten hatte.
Auch für einen unbeteiligten Dritten ist eindeutig erkennbar, dass der streitgegenständliche Eingliederungsverwaltungsakt alleinig aus dem Grund und mit voller Absicht so überstürzt erlassen wurde, um den Widerspruchsführer der am 06.09.2017 stattfindenden Maßnahme zuzuweisen bzw. diesen noch zeitig in die betreffende Maßnahme zu „pressen“.
In der Sache lässt sich der Eindruck nicht erwehren, dass die Situation von dem Widerspruchsgegner absichtlich herbeigeführt, bzw. die Terminierung bewusst so eng gesetzt wurde, damit der Widerspruchsführer seine Rechte nicht wahrnehmen kann. Dem Widerspruchsgegner ist nämlich klar, dass ein
Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt, der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit oder Pflichten erwerbsfähiger Leistungsberechtigter bei der Eingliederung in Arbeit regelt, keine aufschiebende Wirkung hat (§ 39 S. 1 Nr. 1
SGB II), und auch vor dem hiesigen Sozialgericht so kurzfristig keine Entscheidung erzielt werden kann.
Bis das Gericht in der Sache entschieden hat, hätte sich die Maßnahme durch Zeitablauf nämlich bereits erledigt.
IV. Eingliederungsmaßnahmen gemäß § 16
SGB II i. V. m. § 45
SGB III sind Ermessensleistungen (vgl. auch § 3 Abs. 1
SGB II). Gemäß § 39 Abs. 1
SGB I hat der Leistungsträger sein Ermessen entsprechend dem Zweck der Vorschrift, nämlich der Eingliederung in Arbeit unter Berücksichtigung der Leistungsgrundsätze des § 3
SGB II sowie der Zumutbarkeit des § 10
SGB II auszuüben (vgl.
LSG Niedersachsen-Bremen vom 24.11.2015, L 7 AS 1519/15 B
ER Rn 39 m. w. N). § 35 Abs. 1
SGB X schreibt zudem eine Begründung der Entscheidung unter Berücksichtigung aller wesentlichen Ermessensgesichtspunkten vor.
Konkret handelt es sich um eine Ermessensunterschreitung oder einem Ermessensmangel, denn es wurden zwar Ermessenserwägungen angestellt, sind indes jedoch unzureichend und wurden anhand fehlsamer Erwägungen ausgeübt. Darüber hinaus wurden relevante Gesichtspunkte durch den Antragsgegner nicht berücksichtigt (vgl.
LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.07.2016, Az.: L 25 AS 2819/15 WA).
Zudem muss der Zuweisung einer Eingliederungsmaßnahme ein gemäß § 3 Abs. 1
SGB II individuell zugeschnittenes Eingliederungskonzept zugrunde liegen. Das sich das im hier vorliegenden Fall so darstellt, ist zu bezweifeln.
Ziel der Maßnahme ist offenkundig die Verbesserung bzw. Optimierung der Bewerbungsunterlagen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie und anhand welcher Kenntnisse der Widerspruchsgegner zu der Ansicht gelangt, dass dies notwendig ist bzw. die Bewerbungsunterlagen des Widerspruchsführers verbesserungswürdig sind.
Der Widerspruchsführer ist Ingenieur und als solcher dürfte er fachlich durchaus in der Lage sein, sich ordnungs- und anforderungsgemäß zu bewerben.
Bei den Eingliederungsmaßnahmen steht die Überforderung der Aufnahme oder Fortsetzung entgegen, aber auch die
Unterforderung. Die Maßnahme muss für die Betroffenen geeignet sein, damit sie eine Maßnahme in Arbeit ist. Ein langjährig qualifiziert Beschäftigter muss keine Eingliederungsmaßnahme besuchen, die ihm Grundbegriffe des Erwerbslebens beibringt (Hessisches
LSG , Urteil vom 23.04.2003, Az.: L 6/10 AL 1404/01, info also 2004, S. 160; vom 13.10.2004 – L 6 AL 520/02, info also 2005, S. 109 und vom 07.03.2005 – Az.: L 6 AL 216/04).
Unzumutbarkeit wegen eines wichtigen Grundes (Abs. 1 Nr. 5) liegt aber vor, wenn ein Arbeitsloser von einer Trainingsmaßnahme krass unterfordert wird, z. B. überwiegend Anfängerstoff für Fachmann (
LSG HE 23.04.2003 – 26/10 A2 1404/01 – info also 2004, 160 – Quelle: LPK-
SGB II, 4 Aufl., § 10, Rz. 47).
V. Der mit heutigem Schreiben angefochtene Eingliederungsbescheid vom 05.09.2017 ist nach summarischer Prüfung bereits aufgrund seiner Geltungsdauer rechtswidrig.
Er lässt nämlich in Abweichung zu der den Leistungsträger treffenden Verpflichtung (Änderung des § 15
SGB II zum 01.08.2016, vorliegend maßgeblich: § 15 Abs. 3
SGB II) nicht erkennen, dass die getroffenen Festlegungen regelmäßig, spätestens jedoch nach Ablauf von sechs Monaten gemeinsam überprüft und fortgeschrieben werden. Der vorliegende Eingliederungsverwaltungsakt statuiert vielmehr, dass zwar die einseitige (gemäß § 15 Abs. 3 Satz 3
SGB II ersatzweise) Bestimmung durch Verwaltungsakt ggfs. angepasst werde, eine Aufhebung gleichwohl aber nur dann in Betracht komme, wenn der Widerspruchsführer Einvernehmen mit einer vertraglichen Vereinbarung signalisiert. Dies entspricht indes nicht dem gesetzlich intendierten Verfahrensablauf und trägt dem Vorrang einer einvernehmlichen Eingliederungsvereinbarung bzw. einer einvernehmlichen zukünftigen Überprüfung nach neuer Rechtslage – was dem Abschluss einer neuen Eingliederungsvereinbarung nach Ablauf der Geltungsdauer nach alter Gesetzesfassung entspricht – als dem maßgeblichen Werkzeug zur Planung und Gestaltung des Eingliederungsprozesses (BT-Drs. 18/8041, S. 37) nicht hinreichend Rechnung (vgl.
SG Speyer, Beschluss vom 06.06.2017, Az.: S 21 AS 598/17
ER ; Bayerisches
LSG , Beschluss vom 08.06.2017, Az.: L 16 AS 291/17 B
ER ;
SG Köln, Urteil vom 23.06.2017, Az.: S 33 AS 691/17;
SG Nordhausen, Beschluss vom 30.09.2016; Az.: S 27 AS 1695/16
ER ).
VI. Bei einer als Verwaltungsakt erlassen Eingliederungsvereinbarung handelt es sich um einen sog. gebundenen Verwaltungsakt (vgl. § 15 Abs. 2 S. 1
SGB II: „soll"). Bei derartigen Verwaltungsakten sind Nebenbestimmungen generell unzulässig (§ 32 Abs. 1
SGB X). Das Gesetz sieht hierfür nur 2 Ausnahmen vor. Eine Nebenbestimmung ist danach auch bei einem gebundenen Verwaltungsakt zulässig, wenn die Nebenbestimmung durch eine Rechtsvorschrift zugelassen wurde oder wenn die Nebenbestimmung sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass des Verwaltungsakts erfüllt werden (aufschiebende Bedingung).
Es existiert demnach keine Rechtsvorschrift, welche eine auflösende Nebenbestimmung für eine als Verwaltungsakt erlassene Eingliederungsvereinbarung zulässt. Die auflösende Bestimmung
„soweit zwischenzeitlich nichts anderes geregelt wird" ist somit bei einem Eingliederungsverwaltungsakt ohne jede Rechtswirkung, da unzulässig.
Da mangels gesetzlicher Bestimmungen ein Eingliederungsverwaltungsakt nicht mit einer auflösenden Nebenbestimmung erlassen werden kann, ist eine Rücknahme, Aufhebung oder Änderung eines solchen nur durch einen anderen Verwaltungsakt durchführbar.
VII. Im streitgegenständlichen Eingliederungsverwaltungsakt vom 05.09.2017 steht unter 5. Zur Integration in Arbeit, dass für die Dauer der Teilnahme an der Maßnahme, dem Träger vom Widerspruchsgegner ein Zugriff auf die selektiven Bewerberdaten des Widerspruchsführers in dem Vermittlungs-/Beratungs- und Informationssystems (
VerBIS ) eingeräumt wird.
Diese versteckte Einverständniserklärung zur Datenübermittlung ist klar rechtswidrig, da damit deren Freiwilligkeit umgangen wird und sie somit gegen die geltenden Datenschutzgesetze verstößt.
Ein außerhalb des Sozialrechtsverhältnis stehender Dritter, wie hier der Maßnahmeträger, kann nur mit Zustimmung des Leistungsberechtigten Daten erheben und verwerten (§ 4 a Bundesdatenschutzgesetz;
SG Leipzig, Beschluss vom 29.05.2012, Az.: S 25 AS 1470/12
ER ;
SG Mannheim, Beschluss vom 06.07.2012, Az.: S 14 AS 2056/12
ER ). Die Datenweitergabe an Maßnahmeträger, abgesehen von den Kontaktdaten, ist freiwillig (
SG Berlin, Beschluss vom 15.02.2012, Az.: S 107 AS 1034/12
ER ).
Aus datenschutzrechtlichen Gründen wird keine Erlaubnis erteilt, dass dem genannten Maßnahmeträger ein Zugriff auf meine selektiven Bewerberdaten eingeräumt wird. In einem Verwaltungsakt kann diesbezüglich kein Einverständnis dargestellt bzw. dargelegt werden, da hierzu die Unterschrift des Leistungsberechtigten erforderlich ist.
Es sei noch zu meinen Mitwirkungspflichten der Maßnahme unter 6. Teilnahme an Maßnahmen folgendes erwähnt:
Zitat: „Aktive Mitwirkung bei allen auf die berufliche Eingliederung abzielenden Leistungen. Hierzu gehört auch die Annahme von Arbeitsangeboten durch den Dritten. Der Dritte ist verpflichtet, dem Bewerber nur zumutbare Angebote zu unterbreiten.“ Die sanktionsbewehrte Verpflichtung zur Bewerbung auf Vermittlungsvorschläge, die durch den Maßnahmeträger erfolgen, ist rechtswidrig. Es obliegt allein dem Leistungsträger des
SGB II, die Zumutbarkeit eines Jobangebots rechtskräftig festzustellen und sanktionsbewehrte Vermittlungsvorschläge als Verwaltungsakt zu erlassen. In Ermangelung einer rechtlichen Grundlage kann der Leistungsträger dazu keine Dritten ermächtigen. Arbeitsangebote dürfen nur durch
JC oder
AfA erfolgen, nicht durch Dritte (vgl.
LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 10.02.2014, Az.: L 7 AS 1058/13 B, Rn. 22).
Ein Dritter, wie der Maßnahmeträger, kann zwar auch Angebote offerieren, sofern es sich nicht um Arbeitsangebote bzw. Vermittlungsvorschläge handelt, denn hierfür ist allein der Leistungsträger zuständig (vgl.
BSG , Urteil vom 03.05.2001, Az.: B 11 AL 80/00 R). Außerdem erwachsen durch Nichtbewerbung bzw. Nichtannahme eines „Arbeitsangebots“ durch den Maßnahmeträger keine Rechtsfolgen in Form von Sanktionen.
Der Maßnahmeträger unterliegt als Dritter nicht dem
SGB II, so dass dieser hierzu weder eine Berechtigung noch Befugnis hat, um eine Zumutbarkeitsprüfung i. S. d.
SGB II vornehmen zu können. Somit kann auch keine Gewährleistung mit diesem Eingliederungsverwaltungsakt ausgesprochen werden, dass ggfs. Arbeitsangebote direkt vom Maßnahmeträger auch tatsächlich für den Widerspruchsführer zumutbar sind.
Zudem ist der Begriff
„Aktive Mitwirkung“ zu unbestimmt in Bezug auf die Maßnahme, dies gilt ebenso für den Begriff
„Aktive Mitarbeit“. VIII. In einem Eingliederungsverwaltungsakt muss genau bestimmt sein, welche Leistungen die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person zur Eingliederung in Arbeit erhält. Die Leistungen sind danach individuell und eindeutig unter Benennung der für die Gewährung maßgeblichen Gründe festzulegen, wobei gefordert wird, dass dies in der Eingliederungsvereinbarung bzw. dem Eingliederungsverwaltungsakt genau bestimmt sein muss. Diese wichtigen Voraussetzungen werden von dem streitgegenständlichen Bescheid vom 05.09.2017 nicht im Geringsten erfüllt, obwohl die aktuelle Rechtsprechung hinsichtlich der detaillierten und konkreten Aufführung der Übernahme von Bewerbungskosten unbestritten ist.
Der Widerspruchsgegner hat vorliegend keine Regelung zur Übernahme der mit den Bewerbungsbemühungen einhergehenden Kosten des Widerspruchsführers aufgenommen.
Ähnlich wie die Eigenbemühungen des Hilfebedürftigen nach § 15 Abs. 2 Nr. 2
SGB II zu konkretisieren sind, sind auch die Leistungen, die der Hilfebedürftige nach § 16
SGB II zur Eingliederung in Arbeit vom Träger erhalten soll, nach § 15 Abs. 2 Nr. 1
SGB II verbindlich und konkret zu bezeichnen (vgl.
SG Aachen, Beschluss vom 05.08.2015, Az.: S 14 AS 702/15
ER –, Rn. 31). Es ist insoweit nicht ausreichend, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige verpflichtet ist, konkrete, der Zahl nach verbindlich festgelegte Bewerbungen nachzuweisen, die hierauf bezogene Finanzierungsregelung aber im Vagen bleibt.
Vorliegend bleibt die Regelung zur Kostenerstattung nicht nur im Vagen, sie fehlt sogar gänzlich. Für den Widerspruchsführer ist daher nicht in hinreichendem Maße erkennbar, ob und in welchem Umfang, die Kosten für seine aus der Vereinbarung resultierende Verpflichtung zur Tätigung von monatlich mindestens 5 Bewerbungen übernommen werden.
Es fehlt vorliegend an einer hinreichenden Konkretisierung der Leistungen des Widerspruchsgegners nach § 15 Abs. 2 S. 2 Nr. 1
SGB II.
Die Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Eingliederungsbescheids vom 05.09.2017 ergibt sich schon aus dem gänzlichen Fehlen einer Kostenregelung für die durchzuführenden Bewerbungsbemühungen (vgl.
SG Berlin, Beschluss vom 25.04.2016, Az.: S 167 AS 4707/16
ER ;
SG Köln, Beschluss vom 04.07.2016, Az.: S 15 AS 2459/16
ER ).
Wird in der Eingliederungsvereinbarung bzw. in einem diese ersetzenden Eingliederungsbescheid die Pflicht zu Bewerbungsbemühungen individuell durch eine festgelegte Anzahl nachzuweisender Bewerbungen bestimmt, so muss die Vereinbarung bzw. der Verwaltungsakt auch eine entsprechende Konkretisierung zur Kostenerstattung enthalten (vgl. Hessisches
LSG , Urteil vom 13.05.2015, Az.: L 6 AS 134/14).
Ohne die Angabe von
„konkreten individuellen Unterstützungsleistungen" ist die Eingliederungsvereinbarung bzw. der diese ersetzende Eingliederungsverwaltungsakt sogar nichtig (vgl.
BSG , Urteil vom 23.06.2016, Az.: B 14 AS 30/15 R).
Die Rechtswidrigkeit der gänzlich fehlenden Kostenregelung führt zur Gesamtrechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, da dieser nicht teilbar ist (vgl.
LSG Hessen, Beschluss vom 10.01.2014, Az.: L 9 AS 846/13 B
ER ).
IX. Der streitgegenständliche Eingliederungsverwaltungsakt vom 05.09.2017 wurde dem Widerspruchsführer weder erläutert, noch begründet. Das ist aber gemäß § 35
SGB X zwingend notwendig.
Entsprechend den Anforderungen nach den §§ 33 und 35 Abs. 1
SGB X sind in der Begründung die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe anzugeben, die die Behörde zur Entscheidung bewogen haben. Die Behörde ist ebenfalls verpflichtet, bei Ermessungsentscheidungen die Gesichtspunkte der pflichtgemäßen Ermessungsausübung darzulegen. Hierauf besteht Anspruch. So entspricht die Begründungspflicht bei belastenden Verwaltungsakten den rechtsstaatlichen Grundsatz, wonach der Bürger Anspruch auf Kenntnis der Gründe hat, weil er nur dann seine Rechte sachgemäß verteidigen kann (BVerfGE 6, 44; 40, 286; 49, 66;
BSG , Urteil vom 10.06.1980 – 4 RJ 103/79).
Denn es kann kein berechtigtes öffentliches Interesse an der Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes bestehen (
LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21.10.2008, Az.: L 2 B 342/07 AS
ER ).
Verwaltungsakte, die nicht den Bestimmtheitserfordernissen nach § 33 Abs. 1
SGB X entsprechen, sind rechtswidrig. In diesem Fall ist das Interesse des Betroffenen höher einzustufen als das der Öffentlichkeit (
SG Lüneburg, Beschluss vom 12.07.2007, Az.: S 25 AS 1675/07
ER ;
LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.10.2006, Az.: L 8 AS 4922/06
ER -B).
X. Zusammenfassend ist feststellbar, dass der mit heutigem Schreiben angefochtene Eingliederungsverwaltungsakt vom 05.09.2017 an besonders gravierenden inhaltlichen Mängeln leidet. Deshalb können aus diesem rechtswidrigen Eingliederungsverwaltungsakt weder Pflichten gefordert, noch Pflichtverletzungen mit Sanktionsfolge daraus abgeleitet werden – sowohl gemäß §§ 31 ff.
SGB II als auch gemäß § 32
SGB II.
Für die Stattgebung bzw. Bescheiderteilung wird eine verbindliche Terminierung gesetzt – bei mir eingehend – bis spätestens 29.09.2017! Zugleich erwarte ich unverzüglich eine schriftliche Bestätigung über den fristgerechten Eingang dieses Widerspruches.
Hochachtungsvoll
captainahab
- Ende des Schreibens -
Vorgenannten
Widerspruch schnellstmöglich nachweislich schriftlich beim
JC einreichen (per Fax mit qualifiziertem Faxsendebericht, Einschreiben, Einschreiben mit Rückschein, persönliche Abgabe beim
JC gegen Empfangsbestätigung, etc.). Anschließend einen entsprechenden Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim zuständigen
SG stellen.
Bevor du den Schriftsatz ans
JC versendest, kontrolliere alle Datumsangaben und korrigiere diese, falls erforderlich.
Bitte Formatierungen genauso übernehmen.
[Bitte nicht dazwischen posten – Fortsetzung folgt gleich!]