Verbot der Ortsabwesenheit
Am 06.10.2014 wurde vor dem
LSG eine Klage gegen Eingliederungsvereinbarungen verhandelt. Der vorsitzende Richter signalisierte dem Jobcenter das er das Verbot der Ortsabwesenheit als nicht mit dem Gesetz vereinbar ansieht.
Da die bis dahin letzte Eingliederungsvereinbarung zwei Monate vorher ausgelaufen war, war laut Aussage des vorsitzenden Richters leider keine Klagegrundlage mehr gegeben. Nur deshalb wurde die Klage abgewiesen. Erst viel später (Jahre später) stellte sich im nachhinein heraus, dass das eine Falschaussage des Richters war. Es hätte mittels einer Fortsetzungsfeststellungsklage ein Urteil erzwungen werden können. Die Falschaussage eines Richters ist ein gravierender Verfahrensmangel. Ob eine Wiederaufnahme möglich ist?
Folgende Argumente wurden schriftlich vorgetragen:
- Artikel 11 (2, erste Halbsatz (Ortsabwesenheit)
„(2) Dieses Recht darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes und nur für die Fälle eingeschränkt werden, in denen eine ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden ist und der Allgemeinheit daraus besondere Lasten entstehen würden …“
verstößt gegen
o Artikel 2
GG o Artikel 3
GG o Artikel 2 (2) UNO-Sozialpakt
o Artikel 4 UNO-Sozialpakt
o Artikel 6 europäische Charta
o Artikel 20 europäische Charta
o Artikel 21 (1) europäische Charta
o Artikel 41 (2c), europäische Charta
o Artikel 14 europäische Konvention
o Artikel 17 europäische Konvention
4.) Artikel 11 (2, erster Halbsatz)
GG „Dieses Recht darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes und nur für die Fälle eingeschränkt werden, in denen eine ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden ist und der Allgemeinheit daraus besondere Lasten entstehen würden.“
verstößt gegen
- Artikel 2 (1)
GG Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
Die freie Entfaltung wird für
ALG-II -Bezieher rechtswidrig beschnitten.
- Artikel 3
GG Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
Alle anderen Bürger dürfen uneingeschränkt reisen.
Das Verbot der Ortsabwesenheit in den EVen sowie § 7 Absatz 4a
SGB II (4a)
„Erwerbsfähige Leistungsberechtigte erhalten keine Leistungen, wenn sie sich ohne Zustimmung des zuständigen Trägers nach diesem Buch außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs aufhalten und deshalb nicht für die Eingliederung in Arbeit zur Verfügung stehen.“
verstoßen gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes Artikel 3 (1).
- Bei den heutigen technischen Gegebenheiten wie Handy, Computer, Internet und E-Mail ist es ohne weiteres möglich sich auch bei Ortsabwesenheit zu bewerben oder potentielle Arbeitgeber anzurufen. Somit ist eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit (Verbot der Ortsabwesenheit) von
ALG-II -Empfängern auch ein Verstoß gegen Artikel 2
GG (1):
Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
- Artikel 6, EU-Charta
Jeder hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit.
Also auch auf Reisefreiheit (= Ortsabwesenheit) sowie auf soziale Sicherheit.
- Artikel 20, EU-Charta:
Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
Alle anderen Bürger dürfen uneingeschränkt reisen. Nur bei
ALG-II -Empfängern ist die Bewegungsfreiheit aufgrund des Verbotes der Ortsabwesenheit rechtswidrig
eingeschränkt.
- Artikel 5, EU-Konvention
1. Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:
a. rechtmäßiger Freiheitsentzug (1) nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht;
b. rechtmäßige Festnahme oder rechtmäßiger Freiheitsentzug (2) wegen Nichtbefolgung einer rechtmäßigen gerichtlichen Anordnung oder zur Erzwingung der Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung;
c. rechtmäßige Festnahme oder rechtmäßiger Freiheitsentzug (2) zur Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde, wenn hinreichender Verdacht besteht, daß die betreffende Person eine Straftat begangen hat, oder wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, daß es notwendig ist, sie an der Begehung einer Straftat oder an der Flucht nach Begehung einer solchen zu hindern;
d. rechtmäßiger Freiheitsentzug (1) bei Minderjährigen zum Zweck überwachter Erziehung oder zur Vorführung vor die zuständige Behörde;
e. rechtmäßiger Freiheitsentzug (1) mit dem Ziel, eine Verbreitung ansteckender Krankheiten zu verhindern, sowie bei psychisch Kranken, Alkohol- oder Rauschgiftsüchtigen und Landstreichern;
f. rechtmäßige Festnahme oder rechtmäßiger Freiheitsentzug (2) zur Verhinderung der unerlaubten Einreise sowie bei Personen, gegen die ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange ist.
In das Recht auf Freiheit darf nicht eingegriffen werden. Auch nicht durch das Grundgesetz.
Desweiteren kann mit diesem Artikel ein Verbot der Ortsabwesenheit sowie die Androhung und Ausführung von Sanktionen (z. B. bzgl. der Unterschrift unter eine EV oder die Verpflichtung etwas zu tun oder eine vom Jobcenter bestimmte Arbeitsstelle anzunehmen) ebenfalls nicht vereinbart werden.
Die Freiheit, zu der auch die Reisefreiheit und die Handlungsfreiheit gehört, darf nur bei Straftaten eingeschränkt werden. Sonst nicht!
Leider ist es jetzt nicht mehr möglich gegen eine Eingliederungsvereinbarung zu klagen, da
- freiwillig keine Eingliederungsvereinbarung mehr unterschrieben wird
(Die Unterschrift darf seit dem 01.04.2011 verweigert werden)
- dem
Widerspruch gegen eine daraufhin per Verwaltungsakt erlassene Eingliederungsvereinbarung, mit Hinweis darauf das das Verbot der Ortsabwesenheit rechtswidrig ist, in vollem Umfang entsprochen wurde. (Damit vor dem
SG kein Präzedenzfall geschaffen wird und keine Vorlage gemäß Artikel 100
GG beim
BVerfG möglich ist.)