Wir haben vor wenigen Wochen das Feiern Katrin Göring-Eckards als “Anwältin der Ärmsten” und “Kämpferin für soziale Gerechtigkeit” zum Anlass genommen, einmal im Archiv des Deutschen Bundestages zu stöbern und in den dort abgelegten Protokollen nachzulesen, wie sie denn geredet und abgestimmt hat über die einschneidensten Sozial-”Reformen” seit Bestehen der Bundesrepublik, die viele vor allem als Agenda 2010 und Hartz IV kennen und als Sozialabbau erfahren und begreifen. Die Ergebnisse standen im krassen Widerspruch zu den oben zitierten Attributen, die Steffi Lemke, politische Bundesgeschäftsführerin von Bündnis 90/Die Grünen, der frisch gekürten Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt zugesprochen hat. In einem weiteren Beitrag haben wir wiederum eine Aussage der SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles zur Riesterrente zum Ausgangspunkt genommen, um erneut im Archiv des Deutschen Bundestages nachzuschauen, wie sich denn diese Politikerin, die ja einmal als links und Gegnerin der Teilprivatisierung der Rente galt, entwickelt hat. Ein verblüffendes Ergebnis: Alle, auch vermeintlich linke und soziale Aushängeschilder in der SPD, haben seinerzeit für die Teilprivatisierung der Rente und die Absenkung des Rentenniveaus gestimmt. Wir erhielten daraufhin Zustimmung zu dieser Art Dokumentation, auch von Grünen und Sozialdemokraten; offensichtlich wollen viele Menschen wissen, auf wen sie sich verlassen können bzw. wer sie verlassen zurücklässt, und mehr Ehrlichkeit und weniger Selbstdarstellung in der Politik. Und begründet und rechtfertigt die zumindest in Teilen zu beobachtende Kluft zwischen Abstimmungsverhalten im Deutschen Bundestag und Außendarstellung von Politikern nicht tatsächlich die gehörige Portion Verunsicherung bzw. Parteienverdrossenheit ein gutes Stück weit mit? Ich meine schon. Und nicht nur das. Das Stimmverhalten der Politiker zeigt in meinen Augen, dass der Gehorsam gegenüber der Parteilinie und die Angst um die politische Karriere nicht selten über die zumindest nach außen vertretene Überzeugung siegt.
Quelle: Wirtschaft und Gesellschaft
Quelle: Wirtschaft und Gesellschaft