Ich bin erschüttert, dass dieser Mensch noch ein "C" in seiner Parteizugehörigkeit führt. Ist sich diese Partei überhaupt sicher, was sie will? Da soll einerseits die Familie gestärkt werden, man soll für seine älteren Angehörigen da sein, wenn sie es brauchen und man soll überall da sein, wo es Arbeit gibt - in der Annahme des Herrn Pofalla also auch in einer ganz anderen Ecke Deutschlands.
Dieser Beitrag ist derbe an der Realität vorbei geschrieben und veröffentlicht und nebenbei auch noch auf das Veröffentlichungsmedium abgestimmt. Eindeutig ist immer wieder der Bezug auf die SPD und Die.Linke zu lesen, was sie falsch machen würden. Wahlkampf-Propaganda.
Schon der erste Satz nach dem Einführungsblock lässt erkennen, welche Grundlage Herr Pofalla sich schafft, um seinen Artikel aufzubauen:
Eine aktuelle Studie gibt Anlass zur Sorge: Gemäß einer Umfrage des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit ist die große Mehrheit der Empfänger von Arbeitslosengeld II (Alg II) nicht bereit, Arbeitsangebote anzunehmen.
Dies kann man so nicht stehen lassen. Das hat auch Herr Pofalla gemerkt und muss zugeben:
77 Prozent der befragten Langzeitarbeitslosen lehnen eine geringere Bezahlung als in ihrem letzten Job rundweg ab. Nur 15 Prozent sind bereit, für eine neue Stelle den Wohnort zu wechseln. Und das, obwohl in Deutschland fast eine Million Stellen unbesetzt sind und die Betriebe teils händeringend Bewerber suchen.
Nun muss man sich schon mal einig werden, wohin man möchte. Einerseits haben wir in der Vergangenheit lesen dürfen, dass so und so viele qualifizierte Arbeitskräfte (z. B. im Maschinenbau) gesucht würden und man anstrebe, sie im Ausland zu suchen. Auf der anderen Seite bekommt man zu lesen, dass ein Gutteil der ALG-II-Empfänger nicht in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden könnten.
Ferner lässt Herr Pofalla in seinem Pamphlet nicht die Teuerungsrate und die Inflationsrate einfließen, die einen Anspruch auf mindestens die gleiche Bezahlung, wie im vorangegangenen Beruf, begründen. Ist es dann wirklich so unverständlich, dass Arbeitslose auch in vormals prekären Arbeitsverhältnissen diese nicht erneut anstreben mit der Gewissheit, dass dieses Mal das Geld noch weniger wert ist, obwohl auf dem Konto der gleiche Betrag wie damals steht? Wir reden hier nicht über 7009 Euro Lohn, die seit Jahren nicht erhöht wurden. Wir reden hier über Löhne an der unteren Lohn- bzw. Kotzgrenze, die per europäischer Definition die Arbeiter zu Armen machen und ihnen darüber hinaus gesellschaftlich dann nicht die Anerkennung zugestehen, die sie verdienen, wenn sie Ärsche putzen oder in "zusätzlliche Arbeit" umgewandelte, reguläre Tätigkeiten ausführen.
Zum Kurs des "Förderns und Forderns" hat Herr Pofalla kleinlaut anzumerken:
Gemeinsam hatten Union und SPD in der letzten Wahlperiode die notwendigen Reformen des Förderns und Forderns durchgesetzt. Die meisten der einstigen rot-grünen Vorkämpfer haben mittlerweile das Feld verlassen. Ihren Nachfolgern fehlt die Kraft, diesen Kurs fortzusetzen.
Oder kurz: Bei den Linken sitzen nur Pfeifen und Dünnbrettbohrer. Folgend führt er aus, die Reformen werden nun nur zugunsten des Förderns praktiziert, das Fordern käme zu kurz, gerade im Hinblick auf die Globalisierung. Zusammengenommen mit dem vorhergehenden Abschnitt heißt das: Die Globalisierung und ihre Einschnitte dürfen vor den Arbeitslosen nicht Halt machen. Wenn der Lohn geringer wird durch den internationalen Wettbewerb, dann muss er das auch an der unteren Kotzgrenze. Oder kurz: CDSU und SPDS sollen sich verflucht noch mal darum kümmern, Armut zu manifestieren, weil der Wettbewerb es so will.
Und nun holt Herr Pofalla richtig aus, den - allerdings ohne eine Studie zu beziehen - spricht er von Lohnsteigerung und mehr Arbeitsplätzen. Nun, da hat er womöglich nicht ganz Unrecht, denn wo einer vorher gar keinen Lohn verdient hat, ist jeder einzelne Cent eine Lohnsteigerung.
Wenn sich Euch eine Chance bietet, erwartet die Gemeinschaft, dass Ihr sie nutzt.
... und es ist euch verboten, diese Chance zu interpretieren! Ihr dürft nicht hinterfragen, ob am anderen Ende wegen dieser Chance jemand herunterfällt. Ihr dürft auch nicht fragen, ob diese Chance angemessen ist. Aber vor allem dürft ihr nicht fragen, was diese Chancen in Verbindung mit den vorangegangenen Textabschnitten bedeuten. Nämlich: Armut macht frei.
Diese Politik war Ausdruck eines Mentalitätswandels. Es sollte nicht mehr bloß alimentiert und ansonsten weggesehen werden, wenn ein Leben in dauerhafte staatliche Abhängigkeit gleitet. Sondern die staatliche Gemeinschaft sollte fördern und fordern. Das war ein vernünftiger Ansatz.
Ohne Frage: Ja. Aber mit der Anmerkung: Unbeachtet der Tatsache, WARUM ein Leben in staatliche Abhängigkeit "gleitet"
Gut verpackt schreibt Herr Pofalla nun sinngemäß, dass der Staat genug für Arbeitslose tue, denn er wende "heute mehr für Hartz IV auf als jemals früher für Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammengenommen" Lässt sich als politischer Erfolg anerkennen, dass es die Politik geschafft hat, eine "Reform" durchzuboxen, die wesentlich teurer ist, als die gängigen Ansätze?
Wann kann die Gemeinschaft von einem Arbeitslosen erwarten, dass er für eine neue Anstellung umzieht? Wann ist das einem Arbeitslosen nicht zuzumuten? Hier brauchen wir klare Antworten und Vorgaben.
Eine Erwartungshaltung allein begründet keine Pflicht. Beispielsweise erwartet der Steuerzahler, dass die Bundesrepublik Deutschland Jahr für Jahr weniger Steuergelden verschwendet. Wo aber ist sie dazu verpflichtet? Das Grundgesetz der Bundesrepublik gibt auf die Frage des Herrn Pofalla nach dem von ihm gewünschten, verpflichtenden Umzug, eine klare Antwort:
Art. 11 GG (Freizügigkeit)
(1) Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet.
Herr Pofalla spielt vermutlich auf den zweiten Absatz dieses Grundgesetzartikels an:
(2) Dieses Recht darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes und nur für die Fälle eingeschränkt werden, in denen eine ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden ist und der Allgemeinheit daraus besondere Lasten entstehen würden oder in denen es zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes, zur Bekämpfung von Seuchengefahr, Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen, zum Schutze der Jugend vor Verwahrlosung oder um strafbaren Handlungen vorzubeugen, erforderlich ist.
Hier fragt sich: Wer legt fest, was eine ausreichende Lebensgrundlage ist, wenn doch die Lohne mehr und mehr in den Keller getrieben und die Anspruchshaltung der Bürger mehr und mehr mit Füßen getreten wird?
Doch damit nicht genug, Herr Pofalla kann noch weiter ausholen:
Weniger als ein Fünftel der Bürger glaubt noch, dass es in Deutschland gerecht zugeht. Dagegen hilft nur eine Politik, die zeigt: Leistung lohnt sich!
"Tut sie das?" - das fragt sich jeder Ein-Euro-Jobber; und vor allem dann wenn er seine ehemalige, reguläre Arbeitsstelle, jetzt unentgeltlich lediglich durch Mehraufwandsvergütung verrichten muss. Und es trifft nicht nur derart ausgebootete Bürger, sondern auch jene, die gar nicht in der Lage sind, die Leistung zu erbringen, die sich Herr Pofalla vorstellt: Alleinerziehende, Behinderte, Langzeitarbeitslose, kurz: Die Schwachen. Leistung hat etwas mit Kraft, mit Stärke zu tun, die sich für Herr Pofalla lediglich auf geleistetet Arbeit bezieht. Wer aber definiert hier Arbeit? Nun erscheint die Aussage "Jeder muss aufsteigen, etwas erreichen können, wenn er sich anstrengt." des Herrn Pofalla doch anzweifelbar. Sie bedeutet: Wer nicht kann, den lassen wir liegen, oder in Bezugnahme auf die vorangegangenen Abschnitte: Wir schaffen eine zweite Armutsebene, horizontal und vertikal.
Dann ergeht sich Herr Pofalla in eine Wahlanalyse inklusive Schlussfolgerung. Er kommt dennoch zum Thema Armut wieder zurück:
Ein Mindestlohn von 7,50 Euro, wie ihn die Sozialdemokraten jetzt fordern, würde mehr als eine Million Arbeitsplätze vernichten.
... oder anders ausgedrückt: Er würde die unendlich vielen Fälle zeigen, in denen Arbeitnehmer trotz Arbeit in Armut leben. Er würde zeigen, wie viel wert die Arbeit der Arbeitnehmer den Arbeitgebern ist.
Es scheint Herr Pofalla nicht viel daran zu liegen, eine der Arbeit angepasste Bezahlung zu erdenken, lediglich geht es ihm darum, dass gearbeitet wird. Das sieht man dann sehr gut in den beiden folgenden Abschnitten. Hier wird klaglos hingenommen, dass es Arbeit gibt, die in einer Form entlohnt wird, die noch nicht einmal das Existenzminimum sichert. Dass er dann davon ausgeht, dass hier staatliche finanzielle Hilfe notwendig ist, ist selbstverständlich, denn es lässt sich die Armut nicht einfach unter den Teppich kehren - auch nicht die staatlich und wirtschaftspolitisch verordnete.
Herr Pofalla zeigt sich allerdings als ein Mensch, der nicht so ganz mitzubekommen scheint, was mit Gewinnen tatsächlich geschieht. Er geht davon aus, dass damit Solidarität bedingt und gestärkt wird. Wie solidarisch allerdings sind die großen deutschen Autofirmen mit den Arbeitslosen? Wohin fließen die Gewinne der Banken, Versicherer, Oligopole?
Schließlich beendet Herr Pofalla sein Pamphlet mit einem Kommentar über die soziale Marktwirtschaft. Er erwähnt dabei (wohlwissend?) nicht, dass die soziale Marktwirtschaft eben auch versuchen soll, Ungleichheit im Sozialen und zerstörerischen Wettbewerb zu vermeiden durch Systemregeln. Nun, möglicherweise könnte er irgendwann einmal Recht haben. Bis dahin gilt es jedoch zu vermeiden, dass die Grundlage dafür eine staatlich verordnete Allgemeinarmut darstellt, wie es der Wettbewerb fordert.
Mario Nette