© DPA
Bundespräsident Gauck will der Bitte der Verfassungsrichter folgen, Kanzlerin Merkel muss warten – auch wenn es ihr überhaupt nicht gefallen dürfte. Nach der Einigung zwischen Schwarz-Gelb und Rot-Grün sollen der Krisenfonds ESM und der Fiskalpakt am 29. Juni vom Bundestag ratifiziert werden. Doch bereits jetzt ist klar, dass Bundespräsident Joachim Gauck der öffentlichen Bitte des Verfassungsgerichts folgen und die Gesetze erst einmal nicht unterschreiben wird. Die Gegner der Gesetze und einige Oppositionspolitiker nutzen die Steilvorlage nun, um die Regierungspolitik mit Spott und Häme zu überziehen.
„Ein kalter Putsch gegen das Grundgesetz“ Die stellvertretende Fraktionschefin der Linken, Sahra Wagenknecht, bezeichnete die absehbare Verzögerung der Ratifizierung der Pläne als „Ohrfeige“ für Kanzlerin Merkel. Sie sagte der WAZ-Mediengruppe, die Verständigung von Rot-Grün mit der Bundesregierung sei „nichts wert“. Die Chancen stünden nicht schlecht, dass der Fiskalpakt als Ganzes vom Bundesverfassungsgericht zurückgewiesen werde. Dieser hebele die Mitbestimmungsrechte des Parlaments aus und schränke den Spielraum aller künftigen Regierungen entscheidend ein. „Das ist ein kalter Putsch gegen das Grundgesetz“, sagte die Linkspolitikerin und verlangte eine Volksabstimmung, weil „der Geist der Verfassung geändert wird“.
SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil erklärte, die Bundesregierung sei selbst für die Verzögerung verantwortlich. „Sie hat viel zu viel Zeit verstreichen lassen, bis sie mit der Opposition verhandelt hat.“ Heil forderte die Bundesregierung auf, mögliche verfassungsrechtliche Zweifel rasch auszuräumen. Die Regierung müsse „jetzt zügig darlegen, dass sie die Verträge ausreichend verfassungsrechtlich geprüft hat“.
„Das sollte von der Tagesordnung abgesetzt werden“ Mit Kritik an Kanzlerin Merkel reagierten auch die Grünen auf die öffentliche Bitte aus Karlsruhe. „Das Durcheinander und den Zeitdruck hat sich Merkel selbst zuzuschreiben“, sagte der Parlamentsgeschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, Handelsblatt Online. „Sie hätte entweder die ESM-Verabschiedung früher ansetzen müssen oder die Verhandlungen über den Fiskalpakt aus wahltaktischen Gründen nicht nach hinten verschieben dürfen.“
Der ESM-Gegner und CDU-Haushaltspolitiker Klaus-Peter Willsch forderte, die Entscheidung im Bundestag zu verschieben. „Das sollte von der Tagesordnung abgesetzt werden“, sagte er der Mitteldeutschen Zeitung. „Es hat keinen Sinn, das in einem Husarenritt zu machen. Eine sachgerechte Behandlung ist in so kurzer Zeit unmöglich.“ Der Euro-Kritiker Peter Gauweiler (CSU) begrüßte, dass das Bundesverfassungsgericht den Bundespräsidenten gebeten hat, die Gesetze zum Fiskalpakt und Rettungsschirm nicht gleich zu unterschreiben. „Damit wird verhindert, dass durch eine Verfahrensmanipulation in der kommenden Woche vollendete Tatsachen geschaffen werden“, sagte er der „Bild“-Zeitung.
Beim Bundesverfassungsgericht zeigte man sich entsetzt, dass die Kanzlerin offenbar versucht habe, Gauck dazu zu bewegen, die Gesetze sogleich auszufertigen und dadurch Rechtsschutz zu verhindern. Hätte sich Gauck nicht umstimmen lassen, so wäre das aus Sicht der Karlsruher Richter einer „Verfassungskrise“ gleichgekommen.
Anders beurteilt Finanzminister Wolfgang Schäuble die Lage. Es erklärte bereits am Donnerstag: „Ich glaube nicht, dass es klug ist, wenn die Verfassungsorgane öffentlich miteinander kommunizieren.“
Quelle: FAZ und nachrichtenagentur.radio-utopie vom 22.06.2012
staseve | Arbeitsgemeinschaft Staatlicher Selbstverwaltungen – Aktuell