humble
1. Priv. Nutzergruppe
Startbeitrag
- Mitglied seit
- 10 Feb 2014
- Beiträge
- 1.870
- Bewertungen
- 6.316
Betrifft zwar aktuell das Asylbewerberleistungsgesetz, die Formulierungen und Begründungen lassen einen aufhorchen.
Lesenswerter Beitrag auf Tacheles:
Lesenswerter Beitrag auf Tacheles:
Archiv - Tacheles Sozialhilfe e.V.
tacheles-sozialhilfe.de
Andererseits weist die Kammer auch denjenigen den Weg, die an den Sanktionen nach § 1a AsylbLG festhalten wollen. Indem sie zwar an der Einheitlichkeit des Existenzminimums festhält, aber die Vorgaben, dass dieses durch den Gesetzgeber in einem transparenten und plausiblen Verfahren beziffert werden muss, nicht nur aufgibt, sondern negiert, eröffnet sie die Möglichkeit einer Sanktionsvorschrift, die nach der Begründung des Beschlusses vom 12.5.2021 verfassungskonform wäre, aber in der Praxis zu denselben Sanktionen führte wie die aktuelle Fassung von § 1a AsylbLG. Dass die Kammer sich ohne jede Not zu der Auffassung versteigt, der Gesetzgeber könne in Bezug auf existenzsichernde Leistungen sogar Ermessen einräumen, sollte diejenigen alarmieren, die in der Entscheidung die frohe Botschaft sehen, dass § 1a AsylbLG in der aktuellen Fassung demnächst fällt. Auch in Berlin sitzen Menschen, die lesen können.
Mit ihrer doppelten Botschaft leistet die Kammer einer Entwicklung Vorschub, die sich im Ausländer- und Sozialrecht an vielen Stellen beobachten lässt. Vorschriften werden so formuliert, dass eine verfassungskonforme Auslegung nicht ausgeschlossen wird. Doch zugleich werden durch die Formulierung Signale gesetzt, die zu einer verfassungswidrigen Praxis einladen. Die Durchsetzung der verfassungsmäßigen Rechte wird nicht ganz unmöglich gemacht, aber durch verworrene Vorschriften und prozessuale Hindernisse so weit als möglich erschwert. Auf diese Weise wird ein Stacheldrahtverhau aus Vorschriften ausgerollt, der den Weg zum Recht versperrt – aber eben nicht ganz. Wer über die Ressourcen verfügt, das BVerfG anzurufen, der schafft es auch, den Stacheldraht zu überwinden und sein von der Verfassung garantiertes Recht zu realisieren. Auf diese Weise kann man bestimmten Gruppen ihre verfassungsmäßigen Rechte vorenthalten und dennoch hoffen, dass die zugrunde liegenden Vorschriften in Karlsruhe Bestand haben, weil sie dort auf kunstvolle Weise verfassungskonform ausgelegt werden.