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Termintipp Nr. 10/08 vom 18. April 2008
Wird das verfassungsrechtlich gesicherte Existenzminimum unterschritten, wenn krankenversicherte Bezieher von Arbeitslosengeld II Zuzahlungen von 41,40 Euro im Jahr leisten müssen?
Der 1955 geborene Kläger ist bei der beklagten Betriebskrankenkasse krankenversichert. Er war bis Ende 2003 gemäß § 61 SGB V aF von der Zuzahlungspflicht zu Arzneimitteln usw befreit. Er bezog Arbeitslosenhilfe in Höhe von wöchentlich 148,19 Euro. Das GKV-Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG) begründete neben Leistungskürzungen zum 1. Januar 2004 Zuzahlungspflichten ua für Arbeitslosenhilfe-Bezieher. Deshalb hob die Beklagte den Befreiungsbescheid auf und wies auf die neue Gesetzeslage hin. Danach sind maximal 2 vH der jährlichen Gesamtbruttoeinnahmen des Familienhaushaltes, bei schwerwiegenden chronischen Erkrankungen 1 vH der Bruttoeinnahmen als Zuzahlung zu entrichten. Die Beklagte befreite den Kläger als chronisch Kranken im Oktober 2004 für den Rest des Jahres von weiteren Zuzahlungen. Er bezog noch bis zum 31. Dezember 2004 Arbeitslosenhilfe, insgesamt 6.757,66 Euro im Jahr 2004. Seit dem 1. Januar 2005 erhält er monatlich 345 Euro Arbeitslosengeld II sowie zusätzlich Leistungen für Unterkunft und Heizung. Die Beklagte setzte die Belastungsgrenze des Klägers für Zuzahlungen in den Jahren 2005 und 2006 auf jeweils 41,40 Euro fest und befreite ihn nach Zuzahlung dieses Betrags in diesen Jahren von weiteren Zuzahlungen. Der Kläger hat sich mit seiner Klage beim Sozialgericht und seiner Berufung beim Landessozialgericht erfolglos darauf berufen, er werde durch die ihm abverlangten Zuzahlungen unzumutbar und verfassungswidrig belastet, weil deshalb sein Existenzminimum nicht mehr gewährleistet sei.
Das Bundessozialgericht wird nunmehr nach einer mündlichen Verhandlung am 22. April 2008, 10.30 Uhr (Saal II) im Verfahren B 1 KR 10/07 R darüber entscheiden, ob der Kläger auch ab 1. Januar 2004 vollständig von Zuzahlungen hätte befreit sein müssen.
Hinweise zum rechtlichen Hintergrund:
Die §§ 61, 62 SGB V regeln die ab 1.1.2004 vorgesehenen Zuzahlungen. Darlehen nach § 23 SGB II können die Auswirkungen der sich daraus ergebenden Belastung abmildern. Die Rechtsprechung leitet den Schutz des verfassungsrechtlichen Existenzminimums im Wesentlichen aus Art 1 Abs 1 und Art 20 Abs 1 Grundgesetz (GG) ab. Die Regelungen lauten wie folgt:
Art 1 Abs 1 GG: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
Art 20 Abs 1 GG: Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
§ 23 Abs 1 SGB II (vom 1.1.2005 bis zum 31.3.2006 geltende Fassung; zuvor mehrere Änderungen):
(1) Kann im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts weder durch das Vermögen nach § 12 Abs 2 Nr 4 noch auf andere Weise gedeckt werden, erbringt die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung und gewährt dem Hilfebedürftigen ein entsprechendes Darlehen. Bei Sachleistungen wird das Darlehen in Höhe des für die Agentur für Arbeit entstandenen Anschaffungswertes gewährt. Das Darlehen wird durch monatliche Aufrechnung in Höhe von bis zu 10 vom Hundert der an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Angehörigen jeweils zu zahlenden Regelleistung getilgt.
§ 61 SGB V: Zuzahlungen, die Versicherte zu leisten haben, betragen 10 vom Hundert des Abgabepreises, mindestens jedoch 5 Euro und höchstens 10 Euro; allerdings jeweils nicht mehr als die Kosten des Mittels. Als Zuzahlungen zu stationären Maßnahmen werden je Kalendertag 10 Euro erhoben. Bei Heilmitteln und häuslicher Krankenpflege beträgt die Zuzahlung 10 vom Hundert der Kosten sowie 10 Euro je Verordnung. Geleistete Zuzahlungen sind von dem zum Einzug Verpflichteten gegenüber dem Versicherten zu quittieren; ein Vergütungsanspruch hierfür besteht nicht.
§ 62 SGB V (Auszug aus der vom 30.03.2005 bis 31.03.2007 geltenden Fassung; zuvor mehrere Änderungen):
(1) Versicherte haben während jedes Kalenderjahres nur Zuzahlungen bis zur Belastungsgrenze zu leisten; wird die Belastungsgrenze bereits innerhalb eines Kalenderjahres erreicht, hat die Krankenkasse eine Bescheinigung darüber zu erteilen, dass für den Rest des Kalenderjahres keine Zuzahlungen mehr zu leisten sind. Die Belastungsgrenze beträgt 2 vom Hundert der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt; für chronisch Kranke, die wegen derselben schwerwiegenden Krankheit in Dauerbehandlung sind, beträgt sie 1 vom Hundert der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt. ...
(2) ... Bei Versicherten, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch erhalten, ist abweichend von den Sätzen 1 bis 3 als Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt für die gesamte Bedarfsgemeinschaft nur die Regelleistung nach § 20 Abs 2 des Zweiten Buches maßgeblich.
Wird das verfassungsrechtlich gesicherte Existenzminimum unterschritten, wenn krankenversicherte Bezieher von Arbeitslosengeld II Zuzahlungen von 41,40 Euro im Jahr leisten müssen?
Der 1955 geborene Kläger ist bei der beklagten Betriebskrankenkasse krankenversichert. Er war bis Ende 2003 gemäß § 61 SGB V aF von der Zuzahlungspflicht zu Arzneimitteln usw befreit. Er bezog Arbeitslosenhilfe in Höhe von wöchentlich 148,19 Euro. Das GKV-Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG) begründete neben Leistungskürzungen zum 1. Januar 2004 Zuzahlungspflichten ua für Arbeitslosenhilfe-Bezieher. Deshalb hob die Beklagte den Befreiungsbescheid auf und wies auf die neue Gesetzeslage hin. Danach sind maximal 2 vH der jährlichen Gesamtbruttoeinnahmen des Familienhaushaltes, bei schwerwiegenden chronischen Erkrankungen 1 vH der Bruttoeinnahmen als Zuzahlung zu entrichten. Die Beklagte befreite den Kläger als chronisch Kranken im Oktober 2004 für den Rest des Jahres von weiteren Zuzahlungen. Er bezog noch bis zum 31. Dezember 2004 Arbeitslosenhilfe, insgesamt 6.757,66 Euro im Jahr 2004. Seit dem 1. Januar 2005 erhält er monatlich 345 Euro Arbeitslosengeld II sowie zusätzlich Leistungen für Unterkunft und Heizung. Die Beklagte setzte die Belastungsgrenze des Klägers für Zuzahlungen in den Jahren 2005 und 2006 auf jeweils 41,40 Euro fest und befreite ihn nach Zuzahlung dieses Betrags in diesen Jahren von weiteren Zuzahlungen. Der Kläger hat sich mit seiner Klage beim Sozialgericht und seiner Berufung beim Landessozialgericht erfolglos darauf berufen, er werde durch die ihm abverlangten Zuzahlungen unzumutbar und verfassungswidrig belastet, weil deshalb sein Existenzminimum nicht mehr gewährleistet sei.
Das Bundessozialgericht wird nunmehr nach einer mündlichen Verhandlung am 22. April 2008, 10.30 Uhr (Saal II) im Verfahren B 1 KR 10/07 R darüber entscheiden, ob der Kläger auch ab 1. Januar 2004 vollständig von Zuzahlungen hätte befreit sein müssen.
Hinweise zum rechtlichen Hintergrund:
Die §§ 61, 62 SGB V regeln die ab 1.1.2004 vorgesehenen Zuzahlungen. Darlehen nach § 23 SGB II können die Auswirkungen der sich daraus ergebenden Belastung abmildern. Die Rechtsprechung leitet den Schutz des verfassungsrechtlichen Existenzminimums im Wesentlichen aus Art 1 Abs 1 und Art 20 Abs 1 Grundgesetz (GG) ab. Die Regelungen lauten wie folgt:
Art 1 Abs 1 GG: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
Art 20 Abs 1 GG: Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
§ 23 Abs 1 SGB II (vom 1.1.2005 bis zum 31.3.2006 geltende Fassung; zuvor mehrere Änderungen):
(1) Kann im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts weder durch das Vermögen nach § 12 Abs 2 Nr 4 noch auf andere Weise gedeckt werden, erbringt die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung und gewährt dem Hilfebedürftigen ein entsprechendes Darlehen. Bei Sachleistungen wird das Darlehen in Höhe des für die Agentur für Arbeit entstandenen Anschaffungswertes gewährt. Das Darlehen wird durch monatliche Aufrechnung in Höhe von bis zu 10 vom Hundert der an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Angehörigen jeweils zu zahlenden Regelleistung getilgt.
§ 61 SGB V: Zuzahlungen, die Versicherte zu leisten haben, betragen 10 vom Hundert des Abgabepreises, mindestens jedoch 5 Euro und höchstens 10 Euro; allerdings jeweils nicht mehr als die Kosten des Mittels. Als Zuzahlungen zu stationären Maßnahmen werden je Kalendertag 10 Euro erhoben. Bei Heilmitteln und häuslicher Krankenpflege beträgt die Zuzahlung 10 vom Hundert der Kosten sowie 10 Euro je Verordnung. Geleistete Zuzahlungen sind von dem zum Einzug Verpflichteten gegenüber dem Versicherten zu quittieren; ein Vergütungsanspruch hierfür besteht nicht.
§ 62 SGB V (Auszug aus der vom 30.03.2005 bis 31.03.2007 geltenden Fassung; zuvor mehrere Änderungen):
(1) Versicherte haben während jedes Kalenderjahres nur Zuzahlungen bis zur Belastungsgrenze zu leisten; wird die Belastungsgrenze bereits innerhalb eines Kalenderjahres erreicht, hat die Krankenkasse eine Bescheinigung darüber zu erteilen, dass für den Rest des Kalenderjahres keine Zuzahlungen mehr zu leisten sind. Die Belastungsgrenze beträgt 2 vom Hundert der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt; für chronisch Kranke, die wegen derselben schwerwiegenden Krankheit in Dauerbehandlung sind, beträgt sie 1 vom Hundert der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt. ...
(2) ... Bei Versicherten, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch erhalten, ist abweichend von den Sätzen 1 bis 3 als Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt für die gesamte Bedarfsgemeinschaft nur die Regelleistung nach § 20 Abs 2 des Zweiten Buches maßgeblich.