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Besuch beim Schnüffler
Oldenburg: Protest gegen Hausbesuche bei Hartz-IV-Beziehern. Erwerbslose klingeln bei *ehemaligem Außendienstmitarbeiter der ARGE
Von Gerrit Hoekman Am Sonntag abend, zur besten Tatort-Krimizeit, haben sich in Oldenburg rund 50 Erwerbslose zu einem Date getroffen. Sie machten einen überraschenden Hausbesuch bei einem Außendienstmitarbeiter der ARGE, der Arbeitsgemeinschaft aus Sozialamt und Agentur für Arbeit, die in den Städten die Leistungen nach Hartz IV verwaltet. Der inzwischen in den Ruhestand gegangene Mann hatte bis vor kurzem als Schnüffler für die ARGE gearbeitet. »Als Auftakt zu seiner Rente wollten die Erwerbslosen einmal sein Haus, seine Kleiderschränke und die Wohnungseinrichtung begutachten«, heißt es in einer Pressemitteilung der Aktivisten-Gruppe. Der Außendienstler habe jahrelang unangemeldet vor der Tür von Hartz-IV-Empfängern gestanden und mit dem Hinweis auf sonst drohende Leistungskürzungen Einlaß gefordert. »Was er wohl heute vom Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung und von der Würde eines Menschen hält?«, fragen die Erwerbslosen in ihrer Erklärung.
Die meisten Städte schicken Mitarbeiter zu den Leistungsempfängern. »Sie werden tätig, wenn ein Verdacht auf Mißbrauch vorliegt«, erläuterte ein Mitglied des Erwerbslosenausschusses der Gewerkschaft ver.di in Berlin-Kreuzberg am Montag gegenüber junge Welt. Seinen Namen möchte der Mann nicht nennen, weil er selbst erwerbslos ist und bereits Besuch von der ARGE bekommen hat. »Damals hat mich mein Vermieter denunziert. Ohne Grund.« Damit die Mitarbeiter der Arbeitsgemeinschaft tätig werden, reicht nämlich oft schon ein anonymer Hinweis aus der Bevölkerung.
Besonders im Visier sind die sogenannten Bedarfsgemeinschaften, also Paare ohne Trauschein, die das Hartz-IV-Gesetz wie verheiratete behandelt. Wenn ein Partner gut verdient, dann bekommt der andere kein Arbeitslosengeld. Sind beide arbeitslos, bekommt einer der beiden einen erheblich geringeren Leistungssatz. Deshalb machen sich Sozialschnüffler auf den Weg und forschen im Badezimmer nach der berühmten zweiten Zahnbürste, suchen bei Männern nach Tampons oder durchwühlen die dreckige Wäsche, auf der Pirsch nach Büstenhaltern. Bei Frauen wäre hingegen ein Rasierapparat verdächtig. Haben die Schnüffler gefunden, was sie suchen, droht die Leistungskürzung.
»Die Schnüffler müssen sich vorher anmelden, sonst darf man ihnen den Zugang verwehren«, so das Mitglied des Erwerbslosenausschusses in Kreuzberg. Sehr zum Ärger der Sozialermittler, denn zwischen Anmeldung und Erscheinen hat der Leistungsempfänger in der Regel Zeit genug, alles Verdächtige verschwinden zu lassen. Haben sich die Mitarbeiter jedoch angemeldet, muß man sie reinlassen. Tut man es nicht und es kommt hart auf hart, dürfen sie sogar die Polizei zur Hilfe rufen. Trotzdem stehen die Späher der ARGE nicht selten plötzlich vor der Tür, in der Hoffnung, daß die Verdächtigten ihre Rechte nicht kennen.
Haben sich die Mitarbeiter jedoch angemeldet, muß man sie reinlassen. Tut man es nicht und es kommt hart auf hart, dürfen sie sogar die Polizei zur Hilfe rufen.
.........ein Mitglied des Erwerbslosenausschusses der Gewerkschaft ver.di in Berlin-Kreuzberg..................