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::merkur.de (Rheinischer Merkur): 2009_30.Balance halten!::Kaum einen Begriff gebrauchen Politiker so oft und so falsch wie soziale Gerechtigkeit. Suggeriert wird Gleichheit der Lebensverhältnisse – sozial wäre das nicht.
Der Herbst wird zeigen: Mit keinem Begriff ist in Deutschland besser Staat zu machen als mit dem der sozialen Gerechtigkeit. Obwohl er im englischen „Justice“ und im Lateinischen „iustitia“ heißt, ist Gerechtigkeit kein juristischer Begriff: Es gibt kein Recht auf Gerechtigkeit, man kann Gerechtigkeit nicht einklagen. Gerechtigkeit ist ein moralisches Versprechen und wird über Steuern und Umlagen als technisches Verfahren vornehmlich im politischen Diskurs über die Organisation des Sozialen eingesetzt. Je größer die Kluft ist, die der globalisierte Kapitalismus in die Gesellschaften treibt – weil in ihm die Ungleichen noch ungleicher werden –, desto mehr wächst der Ruf nach Regelung. Die Menschen sind nicht gleich, also wird es nie gerecht genug zugehen. Das macht den Terminus soziale Gerechtigkeit zu einer so reizvollen Note für Populisten: Mehr Gerechtigkeit fordern lässt sich ad infinitum, bis, was nie der Fall sein wird, die gerechteste aller Welten erreicht ist – für den einen die reaktionäre, für den anderen die sozialistische. Weil Wahlen über die Portemonnaie-Dicke des Bürgers und selten über Visionen entschieden werden, ist soziale Gerechtigkeit zu einem Slogan geworden, der sich von selbst versteht.
Alles und jedes kann zu einer Frage sozialer Gerechtigkeit stilisiert werden, und jeder gesellschaftliche Aspekt lässt sich über seine soziale Gerechtigkeitstauglichkeit zum Politikum zurüsten. Für Wahlkampfmanager ist der Begriff soziale Gerechtigkeit ein idealer, weil ihn jeder kennt und sich jeder darunter etwas vorstellt, keiner aber weiß, was genau er bedeutet. Er ist ein hervorragender Katalysator für öffentliche Empörung, und politisch eingesetzt ist er das Versprechen, mit dem leichtsinnig ungedeckte Wechsel ausgestellt, Ideologien transportiert und Gegner stigmatisiert werden. Sozial ungerecht besitzt die Kraft eines Brandmals, das dieser Tage so fraglos vernichtend ist wie neoliberal.
Nett geschrieben, aber auch hier wieder der bekannte Denkfehler.
Es kann sozial gerecht sein, die Hartz-IV-Bezüge zu erhöhen; und ebendiese Erhöhung kann dann sozial ungerecht sein, wenn Bürger, die nicht arbeiten, dadurch genauso viel oder sogar mehr Geld erhalten wie Bürger, die auf Lohn dafür arbeiten.