Hierzu ein Text von altonabloggt
Eigentlich nichts Neues und doch ist es neu. Das Rumrätseln der Mitarbeiter in den Jobcentern, ob ein Leistungsberechtigter nun tatsächlich krank ist oder nicht, auch bei Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Arztes, wird ein Ende gesetzt.
Geschichte
Nach § 56 Abs. 1 Satz 5 SGB II wurde bereits zu 2009 die rechtliche Grundlage geschaffen, bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit einer erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) einzuschalten.
Allerdings scheiterte diese praktische Umsetzung an der fehlenden Definition der Arbeitsunfähigkeit nach SGB II-Leistungsbezieher.
Neu
Voilá! Nun wird genau diese Lücke gefüllt. Entsprechende Arbeitsunfähigkeitskriterien sind festgelegt und treten voraussichtlich zum 1. April 2013 in Kraft.
Ein weiteres Mittel, neben der Wegeunfähigkeitsbescheinigung, eine tatsächliche Erkrankung des Leistungsberechtigten zu überprüfen. Die neue entsprechende Handlungs- und Geschäftsanweisung (
HEGA 03/13 – 8 v. 20. März 2013) spricht von einer weiteren Handhabe bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit. Eigentlich auch nichts Neues – war es bisher bei Erwerbstätigen eine durchführbare Handlung, nach §275 Abs. 1a SGB V.
Zweifel beim Jobcenter-Mitarbeiter sind zu schüren, so bald der erwerbsfähige Leistungsberechtigte wiederholt Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nach Einladungen zu einem Meldetermin, nach Angebot einer Maßnahme oder Abbruch Maßnahme, bei Weigerung der Ortsabwesenheit durch das Jobcenter, zum Ende der Ortsabwesenheit oder im unmittelbaren Anschluss oder nach Zugang eines Vermittlungsvorschlags vorlegt. Böser Schelm der ARGES vermutet.
Aber auch der Arzt wird nun angezweifelt. Eine Rückdatierung von mehr als zwei Tagen, können und dürfen Fragezeichen im Jobcenter bilden.
Beteiligte
Es gilt nun die „Vereinbarung des GKV-Spitzenverbandes und der Bundesagentur für Arbeit nach § 56 Abs. 2 SGB II. Der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkasse beteiligt sich daran.
Vorgehen in den Jobcentern
- Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung muss durch den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten im Jobcenter vorliegen
- Der Zweifel muss durch das Jobcenter begründet sein und dokumentiert werden.
- Postalischer Auftrag an die zuständige Krankenkasse des Leistungsberechtigten zur Einschaltung des MDK sollte durch eine Führungskraft freigegeben sein
- Dieses gilt nicht für Privatversicherte – hier fehlt es bislang an einer gesetzlichen Regelung
- Prüfung durch die Krankenkasse. Diese legt das Ergebnis dem Jobcenter vor
- Die Krankenkasse kann zusätzlich den MDK einschalten.
- Der MDK wird den Betroffenen, ohne Belehrung über die Rechtsfolgen, zu einer Begutachtung auffordern. Das Jobcenter erhält darüber Kenntnis.
- Das Jobcenter muss nun die fehlenden Rechtsfolgen des MDK ergänzen und lädt den Betroffenen förmlich zu diesem Termin ein.
- Das Jobcenter muss in diesem Fall die Fahrtkosten zur Begutachtung nach § 59 SGB II i.V. m. § 309 SGB III übernehmen.
Folgen für den Betroffenen
Stellt nun der MDK fest, dass keine Arbeitsunfähigkeit besteht, trotz Vorlage dieser zuvor beim Jobcenter, kann nach §§ 31 bzw. 32 sanktioniert werden. Der Betroffene muss nun das Gegenteil beweisen. Dabei gilt, dass die subjektive Rechtsvorstellung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, nicht für die objektive Feststellung von wichtigen Gründen durch das Jobcenter, ausschlaggebend sind.
Fazit
Mit dieser neuen Vereinbarung zwischen der Bundesagentur für Arbeit und dem GKV Spitzenverband, den MDK nun offiziell einzuschalten, wird versucht, den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen Herr zu werden. Von vornherein wird damit unterstellt, dass die Leistungsberechtigten nicht wirklich krank sind. Auch wird die Kompetenz des Arztes angezweifelt. Das subjektive Empfinden des Betroffenen wird ihm abgesprochen und den objektiven wichtigen Gründen des Sanktionsverfahrens entgegen gestellt.
Ist eine Depression, aus Angst vor dem Jobcenter objektiv? Kann so etwas gemessen werden? Könnte es nicht sein, dass das eigene Krankheitsempfinden zumeist subjektiv empfunden wird – mit aller Berechtigung. Mag ein von Bandscheibenvorfällen geprägter Mensch vor Schmerzen nicht laufen können, kann ein Anderer herum hüpfen. Trotzdem ist es ein Vorfall.
Eine Gefahr sehe ich in der subjektiven Beurteilung des Jobcenters, als auch beim MDK. Wie bekannt, werden oftmals Leistungsberechtigte für voll erwerbsfähig geschrieben, auch wenn sie den Kopf unter dem Arm tragen. Entsprechend des negativen-positiven Leistungsbildes auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Und eben ohne Berücksichtigung der eigenen subjektiven Wahrnehmung und Möglichkeit, mit einer Erkrankung zu leben.
Statt Druck bei den Betroffenen zu nehmen, wird mit dieser voraussichtlichen neuen Umsetzung weiterer Druck aufgebaut.
So hilft erneut nur eines: Niemals alleine zum MDK marschieren. Auch hier darf eine Begleitperson mitgenommen werden. Die Begründung der Zweifel des Jobcenters aushändigen und erklären lassen.
Quellen: Bundesagentur für Arbeit;
Bild: Inge Hannemann